Bernward Vesper

Bernward Vesper
Gedenkstein für Bernward Vesper auf dem ehemaligen Gutshof Triangel

Bernward Vesper (* 1. August 1938 in Frankfurt (Oder); † 15. Mai 1971 in Hamburg) war ein deutschsprachiger Schriftsteller. Er ist der Vater des Regisseurs und Hochschullehrers Felix Ensslin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bernward Vesper wurde am 1. August 1938 in der Privatklinik des Dozenten Dr. Hans Dege und seiner Frau Dr. Marie Joachimi-Dege in Frankfurt an der Oder als sechstes Kind des völkischen Dichters Wilhelm, genannt Will Vesper (1882–1962) und als viertes Kind der Rose Savrda, verwitweter Rimpau, geboren. Ludwig Arnold Rimpau, den Bernward Vesper in seinem autobiographischen Romanessay Die Reise mit Hans Rimpau (1854–1919) verwechselt, starb 1936. Er hinterließ seiner Witwe das Gut Triangel am Südrand der Lüneburger Heide im Kreis Gifhorn, das Will Vesper mit seiner Familie beziehen konnte. Auf dem Gut lebten auch noch zwei Töchter Rose Vespers aus ihrer ersten Ehe. Wesentliche Teile seines autobiographischen Werkes Die Reise (siehe unten) berichten von Kindheit, Schulzeit und Jugend im nur scheinbar idyllischen Gifhorn der 1950er Jahre sowie vom Leiden an seinem autoritären Elternhaus im Dorf Triangel.

1959 legte Bernward Vesper am Otto-Hahn-Gymnasium in Gifhorn das Abitur ab. Von 1959 bis 1961 absolvierte er eine Lehre als Verlagsbuchhändler bei der Westermann Druck- und Verlagsgruppe in Braunschweig. Anschließend nahm er an der Universität Tübingen das Studium der Geschichte, Germanistik und Soziologie, unter anderen bei Walter Jens und Ralf Dahrendorf auf. Später wechselte er mit seiner damaligen Lebensgefährtin Gudrun Ensslin an die FU Berlin. 1962 erhält er ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Er beabsichtigte, bei Ralf Dahrendorf zu promovieren. 1963 gründete er zusammen mit Gudrun Ensslin den Kleinverlag Studio Neue Literatur, in dem insgesamt nur zwei Bücher, ein Gedichtband des spanischen Schriftstellers Gerardo Diego sowie ein von ihm selbst herausgegebenes Buch mit dem Titel Gegen den Tod (Stimmen deutscher Schriftsteller gegen die Atombombe), erschienen.

1965 arbeitete Vesper in West-Berlin im Wahlkontor deutscher Schriftsteller als Redenschreiber für Willy Brandt und Karl Schiller. Aus Protest gegen die Notstandsgesetzgebung verließ er das Wahlkontor später wieder. 1966 begründete er die Voltaire-Flugschriften und 1968 die Edition Voltaire sowie die Voltaire-Handbücher. Am 13. Mai 1967 wurde sein Sohn Felix in Berlin-Charlottenburg geboren. Die Beziehung mit Ensslin ging jedoch kurz darauf in die Brüche, als diese Andreas Baader kennenlernte und im Februar 1968 Vesper verließ.

1969 begann Vesper mit dem Romanessay Die Reise, den er aber nicht mehr vollenden konnte. Das autobiographische Fragment, in welchem Vesper das Verhältnis zu seinem Vater, seine eigene radikale politische Überzeugung sowie seine Erfahrungen mit Drogen verarbeitete, wurde erst 1977 veröffentlicht und gilt als einflussreiche Darstellung der 68er-Generation und bedeutendes Zeitdokument.

Im Jahr 1971 wurde Vesper in die Psychiatrie Haar bei München eingewiesen und anschließend in die Psychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf verlegt, wo er sich am 15. Mai 1971 mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben nahm.

Vespers Roman wurde im Jahr 1986 vom Schweizer Regisseur Markus Imhoof mit den Hauptdarstellern Markus Boysen, Will Quadflieg, Corinna Kirchhoff und Claude-Oliver Rudolph unter dem Titel Die Reise verfilmt. Die Funkfassung der "Reise" wurde 2003 mit dem Hörspielpreis der Akademie der Künste ausgezeichnet. 2011 folgte Andres Veiels Spielfilm Wer wenn nicht wir, der sich auf Gerd Koenens Biografie Vesper, Ensslin, Baader stützt und mit August Diehl (als Bernward Vesper), Lena Lauzemis (Ensslin) und Alexander Fehling (Baader) verfilmt wurde.

Werke

  • Die Reise. Romanessay. Nach dem unvollendeten Manuskript herausgegeben und mit einer Editions-Chronologie versehen von Jörg Schröder. März-Verlag. Frankfurt 1977; Rowohlt Taschenbuch-Verlag. Reinbek 1983.
  • Ergänzungen zu Die Reise. Romanessay. Aus der Ausgabe letzter Hand. Nach dem unvollendeten Manuskript herausgegeben von Jörg Schröder. März-Verlag. Frankfurt Main 1979.
  • mit Gudrun Ensslin: Notstandsgesetze von Deiner Hand". Briefe. 1968-1969. Herausgegeben von Caroline Harmsen, Ulrike Seyer und Johannes Ullmaier. Mit einer Nachbemerkung von Felix Ensslin. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.

Literatur

  • Peter Chavier: Berlinale: Die Liebesgeschichte über Bernward Vesper und Gudrun Ensslin. In: Aller-Zeitung, Gifhorn, AZ-Spezial: Berlinale. Film über Triangler, 17. Februar 2011, Seite 18.
  • Bernd Neumann: Die Wiedergeburt des Erzählens aus dem Geist der Autobiographie? Einige Anmerkungen zum neuen autobiographischen Roman am Beispiel von Hermann Kinders Der Schleiftrog und Bernward Vespers Die Reise. In: Basis. Jahrbuch für deutsche Gegenwartsliteratur. Band 9. Verlag Peter Suhrkamp, Frankfurt Main 1979. S. 91–121.
  • Georg Guntermann: Tagebuch einer Reise in das Innere des Autors. Versuch zu Bernward Vespers Romanessay Die Reise. In: Zeitschrift für deutsche Philologie. Band 100. Heft 2. 1981. S. 232–253.
  • Frederick Alfred Lubich: Bernward Vespers Die Reise. Von der Hitler-Jugend zur RAF. Identitätssuche unter dem Fluch des Faschismus. In: German Studies Review. Band 10. Nummer 1. Februar 1987, S. 69–94.
  • Horst Jesse: Die retrospektive Widerspiegelung der Identitätsentwicklung Jugendlicher. [Dargestellt] anhand autobiographischer Romane von Bernward Vesper, Christa Wolf und Thomas Bernhard. Unter dem Gesichtspunkt der Wechselbeziehung zwischen Identitätsentwicklung und der Entwicklung der Moralstufen nach Lawrence Kohlberg. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000.
  • Roman Luckscheiter: Der postmoderne Impuls. Die Krise der Literatur um 1968 und ihre Überwindung. Duncker & Humblot, Berlin 2001.
  • Ulrich Breuer: Sich erzählen. Sich (Bernward Vespers Die Reise) verstehen. In: Text und Welt. Herausgegeben von Christoph Parry. Als: Saxa. Sonderband 8. Vaasa (Finnland) 2002. 232 Seiten. S. 116–124.
  • Mathias Brandstädter: Nationale Idyllik im Windschatten. Anmerkungen zu Bernward Vesper. In: Kultur und Gespenster. Band 1. Heft 2. Hamburg 2006. S. 26–32.
  • Stephan Resch: Provoziertes Schreiben. Drogen in der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Als: Historisch-kritische Arbeiten zur deutschen Literatur. Band 41. Verlag Peter Lang. Frankfurt Main 2007.
  • Alban Lefranc: Angriffe. Fassbinder, Vesper, Nico. Drei Romane. Aus dem Französischen übersetzt von Katja Roloff. Blumenbar-Verlag. München 2008.
  • Sven Glawion: Aufbruch in die Vergangenheit. Bernward Vespers Die Reise (1977/1979). In: Nachbilder der RAF. Herausgegeben von Inge Stephan und Alexandra Tacke. Böhlau, Köln 2008, S. 24–38.
  • Mathias Brandstädter: Folgeschäden. Kontext, narrative Strukturen und Verlaufsformen der Väterliteratur. 1960–2008. Bestimmung eines Genres. Königshausen & Neumann, Würzburg 2010.
  • Marina Karlheim: Schreiben über die Väter. Erinnerungstopographien. Eine Analyse. Tectum-Verlag, Marburg 2010.
  • Andrew Plowman: Bernward Vesper’s Die Reise. Politics and autobiography between the student movement and the act of self-invention German Autumn. The critical reception of Die Reise. In: German Studies Review. Band 21. Nummer 3. Oktober 1998, S. 507–524.
  • Gerd Koenen: Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus. Köln 2003.
  • Michael Kapellen: Doppelt leben. Bernward Vesper und Gudrun Ensslin. Die Tübinger Jahre. Klöpfer & Meyer, Tübingen 2005.
  • Henner Voss: Vor der Reise. Erinnerungen an Bernward Vesper. Edition Nautilus, Hamburg 2005.

Filme

  • Andres Veiel (2011): Wer wenn nicht wir. Mit August Diehl (als Bernward Vesper), Lena Lauzemis (Gudrun Ensslin), Alexander Fehling (Andreas Baader) und Thomas Thieme (Will Vesper). Ausgezeichnet auf der Berlinale 2011 mit dem Alfred-Bauer-Preis und dem Preis der Gilde deutscher Filmkunsttheater.
  • Markus Imhoof (1986): Die Reise. Mit Markus Boysen, Corinna Kirchhoff, Will Quadflieg, Claude-Oliver Rudolph; Produzent: George Reinhart, Kameramann: Hans Liechti. Ausgezeichnet auf der Biennale di Venezia, dem Filmfestival Chicago, dem Filmvestival Berlin (deutsche Reihe), dem Filmfestival Montreal und dem Filmfestival Neu Dehli.

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