Eisenbahnunfall am Big Bayou Canot

Eisenbahnunfall am Big Bayou Canot

Das Zugunglück am Big Bayou Canot am 22. September 1993 bei Mobile (Alabama) war das schwerste Zugunglück in der Geschichte der amerikanischen Personenverkehrsgesellschaft Amtrak. 42 Passagiere und fünf Zugbegleiter wurden getötet, 103 Passagiere wurden zum Teil schwer verletzt.

Der Ablauf

Am Tag des Unglücks lag in der Nacht, in der der Sunset Limited Express den Bahnhof von New Orleans mit über 30-minütiger Verspätung wegen einer Reparatur verließ, dichter Nebel über der Region des Mobile Rivers. Obwohl die Sichtweite auf dem Fluss nur etwa 15 Meter betrug, überließ der Kapitän des sechsteiligen Schubverbandschiffes Mauvilla, mit Kohle und Roheisen beladen, seinem wenig erfahrenen, radarunkundigen Schiffslotsen das Steuer. Dieser bog irrtümlich nach links auf den Big Bayou Canot ab, einen für den Schiffsverkehr gesperrten Seitenarm des Mobile Rivers, den er für die Linkskurve des Mobile hielt, die jedoch einige Kilometer weiter flussaufwärts liegt. Das Schiff besaß trotz Radar, damals eine nicht generell verbreitete Einrichtung, weder Kompass noch Karten an Bord. Währenddessen nahm der Sunset Limited seine Fahrt auf.

Ein „Sunset-Limited“-Zug

Aufgrund der geringen Radarerfahrung des Schiffslotsen deutete dieser die vor sich liegende, unbeleuchtete Bayou Canot-Brücke als weiteren Schubverband und versuchte daran festzumachen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Zug rund zehn Minuten vor der betreffenden Brücke. Da sich der Schiffsführer in der Geschwindigkeit verschätzte, rammte er die Brücke leicht mit dem vordersten Schubkahn. In dem Glauben, am Ufer aufgelaufen zu sein, stoppte er sein Schiff. Der Sunset Limited überquerte in diesem Moment ungefähr zwei Minuten vor der Brücke das letzte grüne Haltesignal. Beim nachfolgenden Überfahren der Brücke um kurz vor 3:00 Uhr mit rund 115 km/h entgleisten die drei Zuglokomotiven, der nachfolgende Gepäck- und ein Schlafwaggon sowie zwei der sechs Passagierwaggons des Sunset Limited. Beim Sturz in den sumpfigen Fluss rissen die Zugteile den mittleren Teil der Brücke mit sich. Die letzten der Passagierwaggons blieben auf dem noch vorhandenen Rest der Brücke stehen. Der auslaufende Dieselkraftstoff der Zuglokomotiven geriet in Brand und breitete sich auf dem Wasser aus. Durch den Brand wurde auch die Besatzung des Schiffes auf das Unglück aufmerksam. Ihnen gelang es, 15 Personen aus dem Wasser zu retten. 42 der etwa 200 Passagiere kamen jedoch bei diesem Unglück ums Leben, ebenso fünf Besatzungsmitglieder.

Die polizeilichen Ermittlungen

Unmittelbar nach dem Unglück, das von der Mauvilla selbst gemeldet wurde, nahm das FBI in Verbindung mit Brückenkonstrukteuren und der Wasserschutzpolizei die Ermittlung der Ursachen auf. Schnell geriet das Schubschiff in das Visier der Ermittler. Auf Grund verschiedener Lackschäden am linken vorderen Schubkahn und entsprechend abgebrochenem Beton am linken Brückenpfeiler versuchten Ingenieure, die Situation zu rekonstruieren. Sie kamen jedoch zum Schluss, dass der Stoß des Schiffes nicht ausgereicht hätte, um die Gleise dementsprechend zu verformen.

Nach einer zweiten Untersuchung des Schiffes fanden sich auch an dem mittleren Schubkahn entsprechende Spuren. Außerdem wurden die Baupläne der 80 Jahre alten Brücke (südlicher Abschnitt: 55 m Fachwerkbrücke auf Betonpfeilern; Mittelsektion (Stahlträger auf zentralem Stahl-Betonpfeiler, drehbar): 46 m; nördlicher Abschnitt: 64 m Holzbohlenbrücke) entdeckt die zeigten, dass die Brücke ursprünglich als Drehbrücke ausgelegt worden war. Der drehbare Teil der Brücke war jedoch nicht fixiert worden, wie es beim Umbau in eine nicht drehbare Brücke nötig gewesen wäre. Es wurde als Hauptursache des Unfallausmaßes angesehen, dazu die zum Teil stark korrodierten Verbindungen der Stahlträger mit den Betonpfeilern. Der Stoß des Schubverbandes hätte bei korrekt verbundenen Brückenenden nicht eine solche Gleisverwerfung auf der Brücke verursacht. Seitdem müssen alle Schiffe Radar, Kompass und Gewässerkarten an Bord haben, alle Schiffsführer und -lotsen radarkundig sein, und alle Brücken über den Fluss Warnleuchten tragen.

Laut dem Ermittlungsergebnis rammte der linke Schubkahn einen der Betonpfeiler, und der mittlere Schubkahn den nicht fixierten Teil der Brücke. Dadurch verdrehte sich dieser um etwa 97 cm. Dies verbog die auf der Brücke liegenden Gleise, ließ sie jedoch nicht brechen. Diese Verschiebung reichte zwar für das Entgleisen des Zuges aus, nicht jedoch für das Auslösen des Alarmsensors, der nur auf Schienenbrüche anspricht und im Alarmfall die Signale für alle Zugfahrten auf Rot stellen würde. Deshalb stand das letzte Signal, das den Zug hätte stoppen können, auf Grün, das Vorsignal ebenfalls.

Der verantwortliche Lotse wurde von allen Anklagepunkten freigesprochen, navigierte jedoch nie mehr ein Schiff. Sehr ausführlich wird dieses Unglück in der Episode Schicksalschläge (84) aus der Serie Medical Detectives geschildert. Außerdem behandelt die sechste Folge der ersten Staffel der Dokumentationsserie Sekunden vor dem Unglück den Unfall.

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