Freie Kunst

Freie Kunst

Freie Kunst ist der Titel eines 1815 erschienenen Gedichts, das zu den bekanntesten lyrischen Werken Ludwig Uhlands zählt. Es gilt als programmatisch für die deutsche Romantik. Der erste Vers ist zum geflügelten Wort geworden.

Inhaltsverzeichnis

Text

Singe, wem Gesang gegeben,

In dem deutschen Dichterwald!

Das ist Freude, das ist Leben,

Wenn‘s von allen Zweigen schallt.


Nicht an wenig stolze Namen

Ist die Liederkunst gebannt;

Ausgestreuet ist der Samen

Über alles deutsche Land.


Deines vollen Herzens Triebe,

Gieb sie keck im Klange frei!

Säuselnd wandle deine Liebe,

Donnernd uns dein Zorn vorbei!


Singst du nicht dein ganzes Leben,

Sing doch in der Jugend Drang;

Nur im Blütenmond erheben

Nachtigallen ihren Sang .


Kann man’s nicht in Bücher binden,

was die Stunden dir verleihn,

Gieb ein fliegend Blatt den Winden!

Muntre Jugend hascht es ein.


Fahret wohl, geheime Kunden

Nekromantik, Alchymie.

Formel hält uns nicht gebunden

Unsre Kunst heißt Poesie.


Heilig achten wir die Geister

aber Namen sind uns Dunst;

Würdig ehren wir die Meister,

aber frei ist uns die Kunst!


Nicht in kalten Marmorsteinen,

nicht in Tempeln dumpf und tot,

In den frischen Eichenhainen

Webt und rauscht der deutsche Gott. [1]

Formale Aspekte

Die acht Strophen umfassen je vier Verse im Kreuzreimschema. Die Verse weisen vierhebige Trochäen in wechselnder Kadenz auf.

Deutung

Im Wesentlichen handelt das Gedicht von der Dicht- und Gesangskunst, die als besondere Begabung der Deutschen betrachtet wird. Die Strophen eins bis fünf feiern diese Begabung, und rufen zum freien, emotional motivierten Dichten auf. Die sechste Strophe richtet sich gegen Formen pseudowissemschaftlichen Aberglaubens, aber zugleich auch gegen die rationalistischen Wissenschaftsideale der Aufklärung („Formel hält uns nicht gebunden“). Diesen Lehren wird die freie und unverfälschte Poesie des Herzens gegenübergestellt. Die siebte Strophe bezeugt den Respekt vor dem kulturelle Schaffen früherer Meister, hebt aber die Freiheit der Poesie hervor. Das kann als Anspielung auf verschiedene Epochen der deutschen Dichtung betrachtet werden, in welchen strenge Regeln einer intuitiven, „freien Kunst“ entgegenstanden, so etwa die Epoche der Meistersinger oder auch die deutsche Klassik. Letzteres scheint besonders naheliegend, da die achte Strophe ganz klar auf die Hinwendung der Klassiker zur antiken Kultur anspielt. Den „toten Tempeln“ der Klassik werden die „frischen Eichenhaine“ der Romantik gegenübergestellt.

Das Gedicht erteilt also sowohl dem Aberglauben, wie auch den rationalistischen Wissenschaften und der strengen Klassik eine Absage, und plädiert für eine freie, emotional getriebene Kunst, die sich besonders in der heimatlichen Landschaft entfalten kann. Damit ist das Gedicht programmatisch für das Kunstverständnis der Romantik.

Wirkung

Das Gedicht wurde unter anderem vom Spätromantiker Adelbert von Chamisso 1831 in seinen eigenen lyrischen Werken verarbeitet.

Der erste Vers ist im deutschen Sprachraum zum geflügelten Wort geworden. Oft wird er bemüht, um auszudrücken, dass jemand auf einem bestimmten Gebiet nicht sonderlich begabt ist.

Einzelnachweise

  1. Uhlands Werke in vier Bänden. Erster Band., Buchhandlung J. Hallauer Zürich, 1880

Literatur

  • Uhlands Werke in vier Bänden. Erster Band., Buchhandlung J. Hallauer Zürich, 1880
  • Die deutschen Romantiker. Zweiter Band: Romantische Lyrik., Weltbild Verlag Augsburg, 1994

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Eidgenössischer Preis für freie Kunst — Der Eidgenössische Preis für freie Kunst (früher Eidgenössisches Kunststipendium) ist ein jährlich vom Schweizer Eidgenössisches Departement des Innern vergebener Preis für junge Künstler. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Regularien 2 Bekannte …   Deutsch Wikipedia

  • Dipl. Freie Kunst — Siehe auch Hauptartikel: Akademischer Grad Inhaltsverzeichnis 1 Bachelorgrad 2 Lizentiat 3 Magistergrad 4 Diplomgrad 4.1 Fachhochschule …   Deutsch Wikipedia

  • Lizenz Freie Kunst — Die Lizenz Freie Kunst (orig. französisch Licence Art Libre, LAL) ist eine französische Lizenz für Freie Inhalte mit Copyleftmerkmal. Sie erlaubt das freie Verbreiten und Modifizieren von Werken, die unter diese Lizenz gestellt wurden,… …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Klasse — ist eine in Mittel und Nordeuropa seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts verbreitete Bewegung der Zeitgenössischen Kunst. Die erste Freie Klasse bildete sich 1987 in München; weitere Freie Klassen sind belegt in Berlin, Braunschweig, Dublin,… …   Deutsch Wikipedia

  • Kunst der Naturvölker — (hierzu die gleichnamige Tafel I u. II). Die einfachsten Formen der bildenden Kunst und die ersten Stufen ihrer Entwickelung lassen sich am besten bei den heutigen Naturvölkern studieren. Man darf hoffen, auf diesem Wege manche Grundgesetze des… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Kunst [2] — Kunst (von Können abgeleitet), 1) im Allgemeinen so v.w. Können überhaupt, die hervorbringende, gestaltende, ausübende Kraft u. Fähigkeit des Menschen u. der Inbegriff der Gesetze, sowie die verschiedenen Gebiete menschlicher Leistungen, u. zwar… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Kunst- und Handwerkerschule Magdeburg — Die Kunstgewerbe und Handwerkerschule Magdeburg war eine bedeutende und traditionsreiche Kunstgewerbeschule in Magdeburg. Eingang zur ehemaligen Kunstgewerbe und Handwerkerschule Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Lizenz — Eine freie Lizenz ist eine Nutzungslizenz, die die kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung urheberrechtlich geschützter Werke erlaubt. Frei lizenzierte Text , Bild oder Tonwerke werden in Unterscheidung zu freier Software als Freie Inhalte (Open …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Uni Berlin — Freie Universität Berlin Motto Veritas Iustitia Libertas (Wahrheit Gerechtigkeit Freiheit) Gründung 1948 Trägerschaft …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Stadt Hamburg — Freie und Hansestadt Hamburg Landesflagge: Hamburg in Deutschland …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”