- Gelenkte Demokratie
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Gelenkte Demokratie (russisch Управляемая демократия) ist eine Bezeichnung für eine Regierungsform zwischen Demokratie und Autoritarismus. In vielen Medien und teilweise auch von Vertretern der russischen Regierung wird bzw. wurde dieser Terminus benutzt für die Regierungszeit von Präsident Wladimir Putin in Russland vom Frühjahr 2000 bis zum Mai 2008.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Konzept der "Gelenkten Demokratie" wurde in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Walter Lippmann in "Public Opinion" (1922)[1] und von Edward Bernays in seinem Werk "Crystallizing Public Opinion" entwickelt.[2]
Nach dem 2. Weltkrieg wird der Begriff mit dem Sukarno-Regime von 1945 bis 1967 in Indonesien in Zusammenhang gebracht. In der Folge wird der Begriff auf zahlreiche Regimes in Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländern angewandt.
In Russland: Von der Defekten Demokratie zur Gelenkten Demokratie
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde im Dezember 1993 unter Präsident Boris Jelzin eine neue Verfassung für die Russische Föderation verabschiedet - „zu 50 Prozent aus französischer konstitutioneller Inspiration, zu 30 Prozent aus amerikanischer Inspiration und zu 20 Prozent aus imperialem russischen Erbe“[3] - die eine erhebliche Konzentration der Macht beim Präsidenten auswies. Einige Beobachter sprachen von einer Defekten Demokratie, aber Jelzin verteidigte damals diese Verfassung:
„Was wollen Sie? In einem Land, das an Zaren und Führer gewöhnt ist; in einem Land, in dem sich keine klaren Interessengruppen herausgebildet haben, in dem die Träger der Interessen nicht bestimmt sind, sondern gerade erst normale Parteien in der Entstehung begriffen sind; in einem Land, in dem der Rechtsnihilismus überall zu Hause ist - wollen Sie in einem solchen Land das Hauptgewicht allein oder in erster Linie auf das Parlament legen? ... Jede Zeit hat ihr eigenes Machtgleichgewicht in einem demokratischen System. Heute schlägt in Russland dieses Gleichgewicht zugunsten des Präsidenten aus.“ [3]
Nach der Wahl von Präsident Wladimir Putin in Russland im Frühjahr 2000 blieben die demokratischen Einrichtungen der Verfassung wie Wahlen und das Parlament bestehen, sie wurden jedoch zunehmend einer strikten Kontrolle bzw. Lenkung durch den Präsidenten und seine Administration unterworfen. Die unter Jelzin noch bestehende Gewaltenteilung wurde größten Teils abgebaut und die Medien wurden stark eingeschränkt. Putin ersetzte Jelzins Defekte Demokratie und dessen System einer polyzentrisch aufgesplitterten Macht durch eine Gelenkte Demokratie mit einer straffen Machtvertikale.
Von Vertretern der russischen Regierung oder ihr nahestehender Personen wurde die Amtsführung von Putin oft als „uprawljajemaja demokratija“, bezeichnet, wobei das russische „uprawljat“ dem deutschen „verwalten“, „steuern“ oder „lenken“ entspricht. In deutschsprachigen Publikationen wird „uprawljajemaja demokratija“ deshalb meist mit „Gelenkte Demokratie“ übersetzt, im Englischen mit „managed democracy“ oder „guided democracy“,[4] wobei die Begriffe „steuern“ oder „lenken“ in Russland als Gegensätze zu Anarchie, Unsicherheit oder Unordnung der frühen 1990er-Jahre unter Boris Jelzin meist positiv konnotiert werden.[3]
Seit der Präsidentenwahl vom 2. März 2008 gibt es in Russland mit Präsident Dmitri Medwedew und Ministerpräsident Wladimir Putin faktisch zwei gleichberechtigte Entscheidungszentren. Die Gelenkte Demokratie blieb aber weitgehend erhalten. Mit dem Terminus Tandemokratie (seltener auch Tandemdemokratie) wird auf die neue politische Doppelspitze und zugleich auf die anhaltenden Demokratiedefizite angespielt.[5]
Literatur
Edward L. Bernays: Crystallizing Public Opinion. Boni and Liveright, New York 1923
- Margareta Mommsen und Angelika Nußberger: Das System Putin: Gelenkte Demokratie und politische Justiz in Rußland. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage Auflage. Verlag Beck, 27. Oktober 2009, ISBN 978-3-40-654790-4, S. 192.
Weblinks
- Gelenkte Demokratie - nur undemokratisch? Oder auch gemeingefährlich?, Jens Siegert, Heinrich Böll Stiftung, 6. April 2009
- Rußlands gelenkte Demokratie. Das Tandem Putin - Medwedjew, Margareta Mommsen, Professorin für Politikwissenschaften an der Universität München, Mai 2009
- Putins Russland - Defekte Demokratie oder gelenkter Pluralismus, Constanze Berendts 2010
Einzelnachweise
- ↑ http://www.nachdenkseiten.de/?p=4121
- ↑ http://wulv.uni-greifswald.de/2008__SW_public_relations/userdata/Propaganda_PR.pdf
- ↑ a b c Margareta Mommsen (Mai 2009): Rußlands gelenkte Demokratie. Das Tandem Putin - Medwedjew. Stimmen der Zeit. Abgerufen am 31. Oktober 2010.
- ↑ Constanze Berendts (2010): Putins Russland - Defekte Demokratie oder gelenkter Pluralismus. Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Abgerufen am 31. Oktober 2010.
- ↑ Brian Whitmore (10. Januar 2011): Tandemology 2.0. Radio Free Europe. Abgerufen am 13. Januar 2011.
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