Goslar (Schiff)

Goslar (Schiff)
Rechts das Wrack der Goslar

Die Goslar war ein deutsches Turbinen-Dampfschiff, das für den Norddeutschen Lloyd aus Bremen als Frachtschiff fuhr und in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1940 vor Paramaribo in Suriname durch die Besatzung zum Sinken gebracht wurde.

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Weltkrieg

Als Reaktion auf den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen erklärten Frankreich und das Vereinigte Königreich am 3. September 1939 Deutschland den Krieg. Ende August 1939 hatte die Goslar Philadelphia und die Ostküste der Vereinigten Staaten verlassen, als Kapitän Berghoff aus Bremen die Anweisung erhielt, so schnell wie möglich einen neutralen- oder befreundeten Hafen anzusteuern. Kurzerhand entschloss man sich an Bord, den Kurs zu ändern und im Hafen von Paramaribo Zuflucht vor feindlichen U-Booten zu nehmen. Aus Sicht der Schiffsführung war hier vor und in der niederländischen Kolonie die Gefahr gering, auf ein feindliches Kriegsschiff zu treffen. Die Besatzung rüstete das Schiff noch ein wenig um, der Kamin erhielt einen anderen Farbanstrich und der Schiffsname wurde geändert. Durch diese Maßnahmen war nicht sofort erkennbar, dass es sich um ein Schiff der deutschen Handelsmarine handelte. Darüber hinaus wurden erste Vorkehrungen getroffen, um das Schiff in kurzer Zeit zum Sinken bringen zu können.

Suriname

Innenhof Fort Zeelandia

In der Nacht vom 5. September 1939 ging das Dampfschiff im Hafen von Paramaribo unter amerikanischer Flagge plötzlich vor Anker und die Besatzung bat bei den Autoritäten um Asyl. Hierdurch kam das koloniale Suriname unerwartet in Berührung mit dem gerade erst begonnenen Krieg in Europa. Die Mannschaft bestand bei Ankunft in Paramaribo aus 64 Besatzungsmitgliedern, 49 Chinesen und 15 Deutschen. Bereits nach wenigen Tagen begannen die chinesischen Arbeiter an Bord zu meutern. Auf Ersuchen des Kapitäns kam die örtliche Polizei zu Hilfe und die Aufständischen wurden im Fort Zeelandia gefangen gesetzt. Letztlich führten Verhandlungen zwischen dem Kapitän der Goslar, Berghoff, mit den Leitstellen der Schifffahrtsgesellschaft in Europa und den USA zu dem Ergebnis, dass die chinesischen Besatzungsmitglieder Suriname verlassen konnten. Am 25. September 1939 verließ ein italienisches Schiff mit allen Chinesen an Bord die Kolonie.

Der deutsche Teil der Mannschaft blieb in Paramaribo und wartete auf weitere Anweisungen von Lloyd. Eine Rückkehr nach Europa wurde jedoch durch den Kapitän als zu gefährlich für Schiff und Besatzung eingestuft. Die Zeit verging und da die übrig gebliebenen Besatzungsmitglieder sich frei bewegen durften, ging man täglich an Land. In dem damals noch abgelegenen Land waren sie recht bald in vielen deutschen, surinamischen- und niederländischen Familien gern gesehene Gäste und man besuchte sich gegenseitig, die Ereignisse abwartend.

Internierung

Am 10. Mai 1940 überfiel die deutsche Wehrmacht die Niederlande. Wenige Minuten nach der Kriegserklärung und dem deutschen Einmarsch war Gouverneur Johannes Coenraad Kielstra in Paramaribo hierüber informiert. Die niederländische Kolonialverwaltung stand dem Ereignis nicht unvorbereitet gegenüber, denn durch den Zeitunterschied zwischen den Niederlanden und Suriname wurde bereits am 10. Mai, kurz nach 1:00 Uhr Ortszeit, der Befehl an die Polizei erteilt, alle in Suriname lebenden Reichsdeutschen ab einem Alter von 15 Jahren zu internieren. Dem Befehl folgend, begann man noch während der Nacht bis in den frühen Morgen mit den Internierungen der deutschen Männer.

Wie bereits erwähnt, hatte auch die Besatzung der Goslar schon seit längerem Vorbereitungen für den „Fall der Fälle“ getroffen. Bereits Wochen vor dem deutschen Angriff auf die Niederlande hatte die Mannschaft den Kohlenvorrat auf die Backbord-Seite des Schiffes gebracht und bis auf zwei alle Schrauben von der Seeluke gelöst. Über einen Kurzwellensender an Bord hatte man in der Nacht vom 9. zum 10. Mai 1940 die Nachricht vom bevorstehenden Einmarsch der Wehrmacht in die Niederlande gehört. Als sich die Barkasse mit dem Polizeikommissar van Beek und einigen Offizieren an Bord dem Schiff näherte, um die Mannschaft festzunehmen, erfolgten die letzten Handgriffe für das Sinken der Goslar. Man öffnete die Ventile an einer Luke, so dass das Schiff bereits zu sinken begann, als die Polizisten an Bord kamen. Der Kommissar überbrachte die offizielle Botschaft und nahm die 15 deutschen Seeleute fest. Die Frage der Beamten nach dem starken Wasserrauschen wurde mit einer undichten Toilette erklärt. Man war noch nicht wieder am Ufer angekommen, als das Schiff schon auf der Seite lag und auch alle darauf folgenden Bemühungen, mit Pumpen das Schiff vor dem Sinken zu bewahren, schlugen fehl. Den Todeskampf der sinkenden Goslar konnte man noch Tage danach beobachten. Durch die geringe Wassertiefe ist sie nie ganz gesunken. Bis heute (Juli 2009) ist diese eiserne Insel zu sehen und erinnert als stiller Zeitzeuge an den Zweiten Weltkrieg und die Ereignisse dieser Nacht.

Bereits um 3:00 Uhr nachts waren alle zu diesem Zeitpunkt in der unmittelbaren Umgebung von Paramaribo lebenden deutschen Männer interniert und in das am Suriname gelegene Gefängnis Fort Zeelandia eingeliefert, darunter auch der deutsche Konsul Wilhelm Assmann. Die übrigen auf den Plantagen sowie sieben auf den Außenstationen tätigen deutschen Missionare der Herrnhuter Brüdergemeine (EBG) folgten am nächsten Tag. Insgesamt wurden knapp 80 Männer inhaftiert. Da das Fort und die Zellen für diese große Anzahl von Gefangenen viel zu klein war, wurden die Internierten am 12. Mai in ein freigeräumtes Altersheim verlegt. Nach dieser Zwischenstation von rund einer Woche wurden die Gefangenen zum endgültigen Internierungslager transportiert. Das Lager, ein umgebautes ehemaliges katholisches Internat, lag etwa 20 km südlich von Paramaribo am Copieweg, in der Nähe von Lelydorp. Es war von der Hauptstadt aus sowohl über eine Straße, als auch über eine damals noch bestehende Eisenbahnlinie erreichbar.

Ab dem 28. Mai 1940 wurden auch die deutschen Frauen und Kinder zunächst auf der Plantage Marienburg und dann in Groningen interniert. Da nicht absehbar war, wie lange der Kriegszustand zwischen dem Deutschen Reich und den Niederlanden dauern würde, entschloss sich die Kolonialverwaltung zum Bau eines Familienlagers hinter dem bereits bestehenden Camp am Copieweg. Im Mai 1941 waren die zwölf errichteten Baracken bezugsfertig. In dem Lager waren insgesamt 87 Personen, 23 Männer, 27 Frauen und 37 Kinder untergebracht. Die meisten hiervon, 35 Erwachsene und 28 Kinder waren Angehörige der seit 1735 in Suriname tätigen EBG.

Flucht

Im August 1941 und im März 1942 unternahmen jeweils einige der Internierten letztlich gescheiterte Fluchtversuche, um nach Französisch-Guayana zu gelangen, da das Gouvernement in Cayenne mit dem Vichy-Regime kooperierte. Der erste Versuch von drei Personen scheiterte erst am Grenzfluss Marowijne. Bei der zweiten Fluchtvorbereitung hatten die Internierten einen Tunnel gegraben, der vom Hauptgebäude aus unter der doppelten Prickeldrahtumzäunung hindurch bis zum Kirchplatz führte. Im März 1942 gelang fünf Gefangenen, davon vier ehemaligen Besatzungsmitgliedern der Goslar, über diesen Tunnelgang die Flucht. Bereits 6 km vom Lager entfernt weckten sie dann im Regenwald durch das Schlagen mit einem Buschmesser die Aufmerksamkeit eines Einheimischen. Als er sich genähert hatte, sah er die fünf, von denen einer mit einem Kompass die Richtung angab. Sein Argwohn, dass es sich um deutsche Flüchtlinge aus dem Internierungslager handeln musste, wurde vor allem dadurch gestärkt, dass einige von ihnen Seemannsmützen trugen. Er verständigte seinen Bruder, der zum Camp lief, die Wachhabenden verständigte und mit einer Patrouille zurückkehrte, der es gelang, auch diesen Versuch zu vereiteln.

Rückkehr

Bei Kriegsende waren insgesamt noch 138 Deutsche (Männer, Frauen und Kinder) interniert. Die letzte Gruppe dieser Internierten verließ erst im Februar 1947, nach rund sieben Jahren das Lager und kehrte mit dem Schiff Bloemfontein am 19. Februar 1947 in das zerstörte Europa zurück.

Heutige Bedeutung der Goslar

Das Wrack der Goslar ist auf den Stadtplänen eingezeichnet und es gehört zum erweiterten Stadtbild von Paramaribo. Seit Jahrzehnten wird in Suriname kontrovers diskutiert, ob es als Zeitzeuge und touristische Attraktion erhalten bleiben- oder beseitigt werden soll.

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