Insurance Linked Securities

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Mit der Verbriefung von Risiken mittels Insurance Linked Securities (ILS) bzw. Versicherungsverbriefungen erschließt die Versicherungsindustrie neue Gebiete im Risikomanagement und der Refinanzierung. Die Volumina sind in den Jahren bis zur Verschärfung der Finanzmarktkrise 2008 stetig gewachsen. Risiken aus Katastrophen und Mortalitätsveränderungen sowie Belastungen aus neu erschlossenen Geschäftsfeldern wurden an die Kapitalmärkte transferiert. Künftige Prämienflüsse wurden durch Verbriefungen vorfinanziert und ermöglichen den Versicherungsgesellschaften eine effizientere Kapitalallokation.

Inhaltsverzeichnis

Methoden des Risikotransfer

Die Versicherungsindustrie verfügt über ein breit gefächertes Feld von Geschäftsarten zur Deckung von Risiken. Einige Risikoarten wie z.B. Kontrahentenrisiken, Kreditrisiken und Hypothekenrisiken werden in der einen oder anderen Form auch von Banken übernommen. Andere Risikoarten wie Sterblichkeit, Langlebigkeit oder Katastrophen sind versicherungsspezifisch und außerhalb des Versicherungssektors eher unbekannt.[1]

Für den Risikotransfer stehen die traditionellen Methoden der Rückversicherung und der Retrozession zur Verfügung. Alternativer Risikotransfer wurde in den letzten Jahren darüber mit verschiedenen Instrumenten entwickelt. Alternativ ist der Transfer von Risiken immer dann, wenn er nicht wie bei traditionellen Methoden innerhalb des Versicherungssektors, sondern zwischen Versicherungen und dem Kapitalmarkt stattfindet. Ein Teilgebiet des Alternativen Risikotransfers sind die Versicherungsverbriefungen.[2][3]

Insurance Linked Securities

ILS in der Sachversicherung

Katastrophenanleihen sind die bekannteste Form von Verbriefungen in der Sachversicherung. Sie decken neben Sturm- und Erdbebenrisiken Naturkatastrophen sowie vom Mensch verursachte Großschäden ab. Letzte Innovationen sind darüber hinaus Verbriefungen von Autoversicherungen und Deckungen für Kreditrisiko-Portfolien.[4]

ILS in der Lebensversicherung

Unterschieden werden im Segment der Lebensversicherung die Verbriefungen zur Deckung von US-Reserve-Anforderungen, zur Vorfinanzierungen von Erträgen und zum Risiko-Transfer. Die Verbriefung des Ankaufes von Lebensversicherungsverträgen auf dem Sekundärmarkt (Life Settlements) ist eine weitere Form der Lebensversicherungsverbriefung.[5]

Collateralized Debt Obligations

Als Spezialform der Verbriefung gelten versicherungs-gebundene Collateralized Debt Obligations. Neben Nachranganleihen von Versicherungsunternehmen wurden Rückversicherungsforderungen und Risiken aus Katastrophen-Anleihen gebündelt und verbrieft.[6]

Die Stakeholders im Verbriefungsprozess

Sponsoren von ILS Transaktionen

Als Sponsoren (i.S. von Initiatoren) für ILS treten Versicherungsunternehmen aber auch Rückversicherer am Markt auf. Beweggründe sich für die Form einer Versicherungsverbriefung zu entscheiden sind neben dem Risikotransfer die Kapitalersparnis oder das Erschließen neuer Investorengruppen. Die Steuerung der Versicherungs- und Anlagerisiken erfolgt mittels Asset Liability Management. Duration und Konvexität sind in diesem Zusammenhang wichtige Meßgrößen. Zur Kapitalbeschaffung werden Hybridanleihen mittels Collateralised Debt Obligations emittiert.

Ratingagenturen, Risikomodellierer und Anleiheversicherer

Ratingagenturen, Risikomodellierer und Anleiheversicherer (Monoliners) forderten eine Standardisierung des Markets ein um die ihre Dienstleistungen effektiv darstellen zu können. Ratingagenturen beurteilen die Wahrscheinlichkeit, dass die Strukturen ihre Zins- und Tilgungszahlungen ordnungsgemäß leisten werden. Risikomodellierer beurteilen die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und dessen Höhe. Monoliner leisten Zusatzsicherheiten in Form von Versicherungen von Zins- und Tilgungsleistungen der Wertpapiere.

Investoren in ILS

Traditionelle Fixed-Income Investoren erhalten durch ihre Anlagen in ILS die Möglichkeit in neue Vermögensklassen versicherungsgebundener Risiken zu investieren, die mit anderen Anlageinstrumenten nahezu unkorreliert sind. Im Rahmen eines modernen Portfoliomanagements haben Risiko-/Ertragsgesichtspunkten dabei einen hohen Stellenwert. Durch ausreichende Diversifikation werden die Ausfallrisiken gestreut. Die Gestaltung von Triggern (Zahlungs-Auslösemechanismen im Schadensfall) haben einen Einfluss auf die Rendite der Strukturen. Im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Gestaltung von Triggermechanismen spielen die Begriffe asymmetrische Information, adverse Selektion (negative Risikoauslese) und Moral Hazard (subjektives Risiko) eine besondere Rolle.

Arrangeure von ILS

Als Arrangeure von Versicherungsverbriefungen können neben Banken in ihrer Rolle als Kapitalsammelstellen auch Versicherungen und Rückversicherungen auftreten. Darüber hinaus wurden bei großen Versicherungsbrokern Kapazitäten zur Platzierung aufgebaut. Die Preisfindung für Versicherungsverbriefungen insbes. im Vergleich zur traditionellen Rückversicherung spielt dabei eine zentrale Rolle.

Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden

Die Systeme in Europa und den USA sind sehr unterschiedlich mit Blick auf das Accounting und die Versicherungsaufsicht. Zur Beurteilung der Risiken werden der Value at Risk (Wert im Risiko) und der Expected Shortfall (die Schadenserwartung) wichtige Meßgrößen.

Rechtsanwälte

Rechtsanwälte sind in der Erstellung der Vertragsdokumentation involviert. Sie haben Kontakt zu nahezu allen Stakeholders und deshalb einen sehr guten Überblick über den Verbriefungsprozeß.

Vereinfachtes Schema einer ILS Transaktion [7]

Schema einer ILS Transaktion

Phase 1: Der Primärversicherer (Sponsor) entscheidet sich für den Transfer von Risiken mittels ILS und gründet eine Rückversicherungs-Zweckgesellschaft (SPRV, engl. Special Purpose Reinsurance Vehicle)

Phase 2: Der Sponsor transferiert das Portfolio durch Abschluss eines Rückversicherungsvertrages mit dem SPRV

Phase 3: Das SRPV beauftragt eine Bank mit der Emission von Anleihen (die Bank übernimmt dabei ggfs. das Risiko der Platzierung der Anleihen durch ein Underwriting)

Phase 4: Die Anleihen werden an Kapitalmarkt-Investoren platziert und der Emissionserlös in ein Pfanddepot einbezahlt, welches durch einen Treuhänder verwaltet wird. Der Treuhänder kann mit den Barmitteln Wertpapiere kaufen, um eine höhere Rendite zu erzielen

Phase 5: Zins- und Tilgungen des Depotbestandes werden von einer Bank abgesichert mittels eines Total Return Swaps. Die Bank garantiert darüber hinaus die pünktliche Zahlung der Verzinsung der ILS Anleihen an die Investoren (i.d.R. USD Libor + Risikomarge)

Phase 6a: Tritt keine Ereignis durch das die Anleihe fällig gestellt wird (Trigger-Event), wird das Kapital bei Endfälligkeit an die Kapitalmarkt-Investoren zurückbezahlt

Phase 6b: Tritt ein Trigger-Event ein, verlieren die Investoren je nach vertraglicher Vereinbarung einen Teil oder das gesamte Vermögen mit dem sie sich an der Struktur beteiligt haben

Auswirkungen der Finanzmarktkrise [8]

Durch den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers und die darauf folgenden Finanzmarktkrise traten Schwächen der ILS zu Tage mit denen die Akteure auf den Finanzmärkten nicht gerechnet hatten (Lehman Brothers war als Arrangeur, Underwriter, Total Return Swap Partner und Investor im ILS Markt involviert):

Phasen 1+2: Was passiert wenn Sponsoren (wie z.B. AIG in Schieflage geraten)? Ist die ordnungsgemäße Abwicklung der Transaktion noch sichergestellt?

Antwort: Die Bestände werden wie die anderen Geschäfte des Sponsors weiterverwaltet. Die Aufsichtsbehörden haben die Pflicht die Interessen der Versicherungsnehmer zu schützen.

Phase 3: Sind Banken welche mit anderen Problemen beschäftigt sind noch in der Lage ein Underwriting darzustellen?

Antwort: Der Markt für Sachversicherungsverbriefungen war nur in der zweiten Jahreshälfte 2008 gestört, wobei zwar sehr wenige Neuemissionen platziert wurden, der Sekundärmarkthandel aber weiterhin und mit wenigen Wertverlusten stattfand. Bereits 2009 wurden nicht nur Verlängerungstransaktionen, sondern auch Neugeschäfte am Markt platziert. Der Markt kehrt seit 2010 wieder zur Normalität zurück.

Phase 4: Sind Investoren noch bereit ILS zu kaufen, insbes. vor dem Hintergrund, dass die Renditen für Anlagen in Firmenanleihen vergleichbarer Bonität temporär höhere Rendite erwirtschaften? Wer überwacht die Geldanlagen im Treuhandvermögen (es wurden Anlagegelder in Mortgage Backed Securities mit 30 Jahren Laufzeit investiert wurden die wenig werthaltig waren)?

Antwort: Aufgrund der sehr geringen Korrelation mit anderen Anlageformen sind ILS weiterhin attraktiv für Investoren. Die Basis ist inzwischen diversifiziert, wobei Spezial- und Geldmarktfonds, Hedgefonds, Rückversicherer und Banken zu den Anlegern zählen. Die Geldanlagen im Treuhandvermögen werden inzwischen stark überwacht.

Phase 5: Was passiert wenn die Bank die sich im Total Return Swap zum Ausgleich von Verlusten verpflichtet hat in Schwierigkeiten gerät?

Antwort: Die Bonitätsanforderungen an Total Return Swap Banken wurden stark erhöht. Es werden Mindestratings der Qualität AA verlangt.

Phase 6: Die USD-Libor Sätze hatten während der Krise einen sehr volatilen Verlauf und sind zeitweise stark gestiegen. Ist der USD Libor die richtige Basis für die Verzinsung der Strukturen?

Antwort: Für einige Transaktionen wurden inzwischen weniger volatile Sätze für kurzfristige Staatspapiere als Basis festgelegt.

Durch ihre Fehleinschätzungen der Bonität von Mortgage Backed Securities Hypothekenverbriefungen sind die Ratingagenturen darüber hinaus stark unter Druck geraten. Durch eine starke Trennung der Risikobeurteilung von der Mandatierung und strengeren Standards soll das Vertrauen der Investoren zurückgewonnen werden.

Ausblick (Stand: Juli 2011)

Der Markt für Sachversicherungs-ILS hat die Finanzmarktkrise gut überstanden. Aufgrund der sehr geringen Korrelation mit anderen Produkten sind die Preise für ILS stabil geblieben. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima hat zwar zu einem Ausfall von drei Anleihen geführt, das Wachstum der Emissionsvoluina und die Marktwerte der weiteren ILS aber kaum beeinflusst.[9] [10]

Für Investoren sind Sachversicherungs-Verbriefungen wegen des relativ hohen Ertrages und der Vielzahl von Risikoarten attraktiv. Die in der Krise zum Vorschein gekommenen Risiken aus den verpfändeten Vermögenswerten können durch eine entsprechend sicherere Gestaltung der Vorgaben verbessert werden.[11]

Verbriefungen zur Deckung von US-Lebensversicherungs-Reserveanforderungen wurden durch den Wegfall der Monoliner zunehmend unattraktiv. Die meisten Monoline Versicherungen sind in der Finanzmarktkrise stark unter Druck geraten oder ganz ausgefallen. Für die lang laufenden Lebensversicherungs-ILS sind derzeit keine Deckungen mehr zu erhalten. Damit wurden die Strukturen aufgrund ihrer Komplexität für Investoren unattraktiv. Zur Absicherung von Langlebigkeits-Risiken erscheinen besicherte Swap-Strukturen mit Banken momentan attraktiver als Verbriefungen.[12] Nach wie vor werden in gerigem Umfang Mortalitätsrisiken über ILS abgesichert.[13]

ILS bieten eine Verbreiterung der Investorenbasis auf den Kapitalmarkt. Die Finanzmarktkrise birgt die Möglichkeit die daraus gewonnen Erfahrungen in ein neues, stabileres Regulationsumfeld umzusetzen. Die Angleichung der Regulierung in der EU und den USA ist sehr wahrscheinlich. Die Gefahr einer Spekulationsblase ist sehr gering, da die Erstversicherungsverträge eine zwingende Voraussetzung für die Verbriefung von Risiken ist. Die Zahl der Investoren wächst zwar, viele Interessenten sind jedoch mit der Komplexität der Risiken noch wenig vertraut. Sponsoren neigen dazu, eher den traditionellen Markt der Rückversicherung in Anspruch zu nehmen anstatt Kapitalmarkt-Verbriefungen zu platzieren. Ein weiteres Hindernis sind die noch relativ hohen Kosten der Verbriefungen.

Die weitere Entwicklung hängt von der Liquidität der Primär- und Sekundärmärkte für Versicherungsverbriefungen ab. Die Märkte bergen zwar ein hohes Innovationspotential, bräuchten jedoch eine allgemein höhere Liquidität.

Darüber hinaus müssen Versicherungen als regulierte Unternehmen Mindestanforderungen an das Kapital entsprechen. Es wird erwartet, dass ILS Techniken mit der Einführung der Solvency 2 Aufsichtsreformen in Europa im Jahr 2012 einen höheren Stellenwert erreichen werden.[14]

Weblinks

Quellen

Christopher L. Culp. The ART of Risk Management: Alternative Risk Transfer, Capital Structure and the Convergence of Insurance and Capital Markets. Wiley, New York NY, 2002, ISBN 0471124958

Christoph Weber, Insurance Linked Securities – The Role of the Banks, Gabler, Wiesbaden, 2011, ISBN 9783834928603

Einzelnachweise

  1. Christoph Weber, Insurance Linked Securities - The Role of the banks, Gabler, Wiesbaden, 2011, S. 2 ISBN 9783834928603
  2. Christopher L. Culp. The ART of Risk Management: Alternative Risk Transfer, Capital Structure and the Convergence of Insurance and Capital Markets. Wiley, New York NY, 2002, S. 333-334 ISBN 0471124958
  3. Peter Albrecht and Heinrich R. Schradin. Alternativer Risikotransfer: Verbriefung von Versicherungsrisiken, Universität Mannheim, Mannheim, 1998, S.2
  4. An Update on the Use of Modern Financial Instruments in the Insurance Sector, Ernst N. Csiszar, The Geneva Papers (2007) 32, S. 319-331
  5. Linktext Securitization of Life Insurance Assets and Liabilities, J. David Cummins, The Wharton School, Bryn Mawr, 3. Januar 2004
  6. Linktext How CDOs can make excess capital productive, Laurent Dignat, New York, 2008
  7. Christopher L. Culp. The ART of Risk Management: Alternative Risk Transfer, Capital Structure and the Convergence of Insurance and Capital Markets. Wiley, New York NY, 2002, S. 470-471 ISBN 0471124958
  8. Christoph Weber, Insurance Linked Securities - The Role of the banks, Gabler, Wiesbaden, 2011, S. 268-271 ISBN 9783834928603
  9. Linktext Insurance Linked Securities, First Quarter Update 2011, AON Benfield, Chicago, 2011
  10. Markt für Katastrophenanleihen boomt, Börsenzeitung, Frankfurt, 13. Januar 2011, S.5
  11. Linktext Munich re gibt Sturmrisiken an Kapitalmarkt weiter, Börsenzeitung, Frankfurt, 21. Mai 2010, S.4
  12. Christoph Weber, Insurance Linked Securities - The Role of the banks, Gabler, Wiesbaden, 2011, S. 272-276 ISBN 9783834928603
  13. Markt für Katastrophenanleihen boomt, Börsenzeitung, Frankfurt, 13. Januar 2011, S.5
  14. Christoph Weber, Insurance Linked Securities - The Role of the banks, Gabler, Wiesbaden, 2011, S. 272-276 ISBN 9783834928603

weitere Literatur

  • Erik Banks, Alternative Risk Transfer: Integrated Risk Management through insurance, reinsurance, and the capital markets, Wiley, Chichester, 2004, ISBN 0470857455
  • Peter Liebwein, Klassische und Moderne Formen der Rückversicherung, VVW, Karlsruhe 2000, ISBN 3884877941
  • Mischa Ritter, Absicherung von Katastrophen-Risiko über Kapitalmärkte: Eine kritische Bestandsaufnahme, Gabler, Wiesbaden 2006, ISBN 3835003348

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