Judenstrafe

Judenstrafe
Johann Stumpf war im Jahre 1553 in Weißenstein in Schwaben Zeuge, wie ein Jude mit zwei Hunden gehängt wurde. Holzschnitt von 1568

Die Judenstrafe war eine Sonderform des Erhängens kopfüber ohne Strangulation.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das verkehrte Hängen findet sich, genauso wie das Hängen mit Hunden zuerst im 9. Jahrhundert bei den spanischen Arabern und um das Jahr 1000 in Italien, von wo diese Praxis nach Deutschland gelangte. Sie wurde auch in den Niederlanden praktiziert. Die Ursprünge der Strafverschärfung durch Beigabe von Hunden liegen im Dunkeln: Sie wurde offenbar erst im späten Mittelalter auf Juden beschränkt und war zuvor schon im Norden Europas weit verbreitet. In germanischer Zeit hatte das Hängen sakralen Charakter. Die Beigabe von Hunden hatte dabei die Funktion eines Opfers an den germanischen Gott Odin, dem diese Tiere heilig waren. Erst später – wohl unter christlichem Einfluss [1], wurde diese Strafe zur Schandstrafe. Der gemeinsame Tod mit Tieren mag ferner als besonders drastische Art des Ausschlusses aus der sozialen Gemeinschaft empfunden worden sein.[2]

Praktik

Man hängte jüdische Verbrecher an den Füßen auf, manchmal zusammen mit zwei Hunden. Zuvor wurden oft Bekehrungsversuche seitens der kirchlichen Obrigkeit unternommen. Ließ sich der Delinquent taufen, hängte man ihn dann am Halse auf.[3]

Der deutsche Jurist Ulrich Tengler (1447–1511) schreibt in seinem Laienspiegel dazu, die Judenstrafe bedeute „… den Juden zwischen zweyen wuetenden oder beissenden hunden zu der gewonlichen gerichtsstatt ziehen (…) mit dem strang oder ketten bei seinen füssen an einem besondern galgen zwischen die hund nach verkerter maß hencken …“.[4] Dabei bezog sich diese Form der Hinrichtung allein als Strafverschärfung für von einem Juden begangenen schweren Diebstahl, für den allgemein das schimpfliche Hängen als Strafe vorgesehen war.

Literatur

  • Johann Stumpf: Schwytzer Chronika. 1554.
  • Johann Stumpf: Gemeiner loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Voelckeren Chronick wirdiger thaaten Beschreybung. 1586.
  • Karl von Amira: Die germanischen Todesstrafen. Untersuchungen zur Rechts- und Religionsgeschichte. Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften u. a., München 1922 (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften – Philosophisch-philologische und historische Klasse 31, ZDB-ID 209997-4, Abh. 3).
  • Rudolf Glanz: The „Jewish Execution“ in Medieval Germany. Conference on Jewish Relations, New York NY 1943.
  • Guido Kisch: The „Jewish Execution“ in Medieval Germany and the Reception of Roman Law. In: Guido Kisch: Ausgewählte Schriften. Band 2: Forschungen zur Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Juden. Mit einem Verzeichnis der Schriften von Guido Kisch zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden. Thorbecke, Sigmaringen 1979, ISBN 3-7995-6016-5, S. 165–193.
  • Wolfgang Schild: Die Geschichte der Gerichtsbarkeit. Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung. 1000 Jahre Grausamkeit. Hintergründe, Urteile, Aberglaube, Hexen, Folter, Tod. Lizenzausgabe. Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg 1997, ISBN 3-930656-74-4.
  • Norbert Schnitzler: Juden vor Gericht. Soziale Ausgrenzung durch Sanktion. In: Hans Schlosser, Rolf Sprandel, Dietmar Willoweit (Hrsg.): Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Böhlau, Köln u. a. 2002, ISBN 3-412-08601-0 (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas – Symposien und Synthesen 5), S. 285–308.
  • Kenneth Stow: Jewish Dogs. An Image and Its Interpreters. Continuity in the Catholic-Jewish encounter. Stanford University Press, Stanford CA 2006, ISBN 0-8047-5281-8.

Einzelnachweise

  1. (vgl. Prv. 26:11 und II Pt. 2:22)
  2. Wolfgang Schild, Hamburg: Nikol Verlagsgesellschaft 1997 ISBN 3-930656-74-4
  3. Martin Friedrich: Zwischen Abwehr und Bekehrung, Band 72 Beiträge zur historischen Theologie, Verlag Mohr Siebeck, 1988, ISBN 3161453182, Seite 175ff
  4. Juliette Guilbaud, Nicolas Le Moigne, Thomas Lüttenberg: Kulturelle normen und konstruktion von devianz: antijüdische und antisemitische Beschuldigungen in der Frühen Neuzeit und in der Moderne, Librairie Droz, 2004, ISBN 2952156301, Seite 46

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Erhängen — Detail eines Gemäldes von Antonio Pisanello, 1436–1438 Unter Erhängen (veraltet auch: Henken[1]) versteht man gemeinhin die Tötung durch Zusammenschnüren des Halses oder Brechen des Genicks in einer – meistens laufenden – Schlinge unter Einfluss… …   Deutsch Wikipedia

  • Tierprozess — Als Tierprozesse gelten gerichtliche Prozesse mit Tieren als Angeklagten in Europa vom 14. bis zum 17. Jahrhundert. Davon ausgenommen sind Prozesse gegen Werwölfe. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Hintergründe 3 Hinrichtungen von Tieren aus… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”