- Erhängen
-
Unter Erhängen (veraltet auch: Henken[1]) versteht man gemeinhin die Tötung durch Zusammenschnüren des Halses oder Brechen des Genicks in einer – meistens laufenden – Schlinge unter Einfluss des Körpergewichts. Das Erhängen ist eine der häufigsten Methoden des Suizids. Zugleich ist es eine der ältesten Hinrichtungsarten. Strangulation ist der rechtsmedizinische Überbegriff für Erhängen, Erdrosseln oder Erwürgen.
Eine Sonderform, die nichts mit Strangulation zu tun hat, ist die Judenstrafe, das Hängen an den Füßen, das in der frühen Neuzeit an Juden praktiziert wurde.[2]
Inhaltsverzeichnis
Varianten
Im Sinne der klassischen Strangulation kann man noch drei Varianten unterscheiden, die sich durch die Art kennzeichnen, wie das Seil und die Galgenkonstruktion aufgebaut sind – kurz gesagt gibt es drei „Längen“ an Seilen.
- kurzer Fall
Beim kurzen Fall wird der Verurteilte auf einem Auto, Karren, Pferd oder sonstigem Gegenstand so positioniert, dass dieser Gegenstand unter ihm wegbewegt werden kann. Die Bewusstlosigkeit tritt nach 5 bis 10 Sekunden ein. Durch die Kompression der Halsarterien tritt ein Zirkulationsstopp im Gehirn ein. Vor 1850 wurde diese Methode hauptsächlich angewandt.
- Standardfall
Diese Variante kam in den 1860er Jahren in England auf. Die Fallhöhe betrug zwischen 1,20 m und 1,80 m. Wissenschaftliche Details über diese Methode wurden vom irischen Arzt Samuel Haughton veröffentlicht.
- langer Fall
1872 wurde eine neue Form der Erhängung von William Marwood eingeführt, die als wissenschaftliche Verbesserung gegenüber dem Standardfall galt. Die Länge des Seils wurde anhand von Körpergröße und Gewicht genau so bestimmt, dass dem Opfer das Genick gebrochen, aber eine Enthauptung vermieden wurde.
Medizinische Aspekte
Suizid
Rechtsmedizinisch wird zwischen typischem und atypischem Erhängen unterschieden. Beim typischen Erhängen hängt der Körper in einer frei schwebenden Position, der Aufhängepunkt (nachweisbar über die Strangfurche) befindet sich hinten in der Mitte des Nackens. Beim atypischen Erhängen berührt der Körper teilweise den Untergrund (z.B. sitzend oder gar liegend), der Aufhängepunkt liegt dann meistens seitlich verschoben oder vorne am Hals.
Hinrichtungen
In Mittelalter und früher Neuzeit ähnelte das Erhängen langsamem Erdrosseln: Das Gewicht des Körpers drückte den Strick auf den Adamsapfel, die Drossel, und schnürte dabei die Luftröhre ab.[3]
In Österreich-Ungarn war es üblich, den Delinquenten an einem Richtpfahl hochzuheben, ihm die Schlinge um den Hals zu legen und dann den Körper ruckartig nach unten zu ziehen. Dadurch wurden Halsschlagadern und Wirbelarterien zusammengepresst. Manchmal drückte auch der Zungengrund gegen die Rachenhinterwand und verlegte so die Atemwege. Der Verurteilte verlor rasch das Bewusstsein und starb durch Unterbrechung des Blutflusses im Gehirn (auch der venöse Abfluss des Blutes wird durch die äußere Kompression unterbunden).
Wird am Galgen der lange Fall (der Long Drop) angewandt (wie in Großbritannien bis zur Abschaffung der Todesstrafe; aktuell noch in einigen US-Staaten, Singapur und Irak), fällt der Verurteilte durch eine plötzlich geöffnete Falltür im Boden je nach der in Abhängigkeit von seinem Gewicht und Körperbau berechneten Stricklänge etwa 1,5–2,5 Meter hinab, ehe der Strang den Sturz ruckartig bremst. Die beabsichtigte, aber nicht immer eintretende Folge ist eine Fraktur des Dens axis (Genickbruch), wobei durch die Verschiebung der Bruchstücke dieses Knochens die Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) durchtrennt werden soll, die sowohl den Kreislauf als auch die Atmung reguliert. Diese Form des Erhängens führt bei Männern häufig zu postmortalen Erektionen.[4] Ansonsten hat es neurophysiologisch gesehen denselben Effekt wie das Enthaupten. Ist der Strick zu lang bemessen, kann es zum Abreißen des Kopfes kommen (wie im Falle von Barsan al-Tikriti); ist er zu kurz, wird der Verurteilte möglicherweise nicht sofort bewusstlos.
Strafvollzug (Todesstrafe)
Im Strafvollzug werden Hinrichtungen durch Erhängen meistens an einem Galgen durchgeführt.
Früher nannte man das Erhängen auch „Richten mit trockener Hand“ im Gegensatz zum Enthaupten, dem „Richten mit blutiger Hand“. In alter Zeit forderte die Tötung durch Erhängen – im Unterschied zum Enthaupten – kein besonderes Geschick. Dadurch wurde die Suche nach Henkern erleichtert.
Im Gegensatz zur ehrenvollen Enthauptung, die meistens Verurteilten höheren Ranges vorbehalten blieb, wurde das unehrenhafte Erhängen solchen niederen sozialen Ranges oder Vogelfreien (die dann oft auch am Galgen verbleibend von Vögeln verzehrt wurden) zuteil. Dieses wirkte teilweise bis ins 20. Jahrhundert fort. So ließ die NS-Justiz viele Widerstandskämpfer gegen die Hitler-Diktatur hängen. So verfügte Hitler nach dem Attentat vom 20. Juli 1944: Ich will sehen, dass sie erhängt werden, aufgehängt wie Schlachtvieh. [5] Auch die durch das Nürnberger Tribunal verhängten Todesurteile lauteten „death by hanging“.
In den USA wurde zuletzt am 25. Januar 1996 Billy Bailey in Delaware durch Erhängen hingerichtet.
Sonderform
Für Juden war in der frühen Neuzeit das kopfüber Hängen an den Füßen bestimmt, die so genannte Judenstrafe, wobei als Verschärfung oft Hunde mitgehängt wurden, wie ein Holzschnitt aus der Schweizer Chronik des Johann Stumpf (Augsburg 1586) zeigt. Dies geschah auch, um den Delinquenten zum Übertritt zum Christentum zu zwingen. Tat er dies, wurde die Strafe in Enthauptung umgewandelt und der Leichnam regulär beerdigt.[2]
Aberglaube
Das Verbleiben der Leichen am Galgen konnte zur Folge haben, dass Leichenteile entfernt wurden, denn „Schelmbein“ (Knochen) oder „Armsünderschmalz“ (Fett) galten im Mittelalter als heil- und zauberkräftig. Der Daumen eines Diebes etwa sollte im Spiel Glück bringen, und der Galgenstrick diente zum Zähmen wilder Pferde.[6] Von Alraunen, die ebenfalls für magische Praktiken eingesetzt wurden, glaubte man, sie entstünden durch herabtropfenden Urin und Ejakulat der Gehenkten. Sie werden daher auch „Galgenmännchen“ genannt.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ hen|ken <sw. V.; hat> [mhd., ahd. henken = hängen machen; (auf)hängen; →hängen (veraltend)] (Duden, Website)
- ↑ a b Wolfgang Schild – Die Geschichte der Gerichtsbarkeit, Hamburg: Nikol Verlagsgesellschaft 1997 (Sonderausgabe) ISBN 3-930656-74-4 S. 66 Lizenz von: Verlag Georg D. W. Callwey, München 1980
- ↑ Gerd Althoff, Hans-Werner Goetz, Ernst Schubert –- Menschen im Schatten der Kathedrale, Darmstadt: Primus Verlag 1998 S. 341
- ↑ Arnold Melman und Elliot Letter, The Urologic Evaluation of Impotence, in: Helen Singer Kaplan (Hrsg.), The evaluation of sexual disorders. Psychological and medical aspects, Psychology Press, 1983, S. 167
- ↑ http://www.tagesspiegel.de/zeitung/bilder-einer-hinrichtung/531566.html
- ↑ Menschen im Schatten der Kathedrale S. 339
Literatur
- Richard J. Evans: Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532 - 1987. Deutsch von Holger Fliessbach. Kindler, Berlin 2001, ISBN 3-463-40400-1 (Originaltitel: Rituals of retribution).
- Heiner Lück: Galgen. In: Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller, Ruth Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Band 1: Aachen – Geistliche Bank . 2. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-07912-4, Sp. 1917–1926.
Weblinks
Commons: Erhängen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Erhängen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 5, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, S. 780.
- Beschreibung und Abbildung des österreichischen Richtpfahls zur Strangulierung
- Bericht im SPIEGEL über eine schlecht ausgeführte Erhängung (Barsan al-Tikriti)
- http://www.uniklinik-freiburg.de/rechtsmedizin/live/lehre/materialien/skripte/Strangulation.pdf.
Wikimedia Foundation.