Kallikratis-Programm

Kallikratis-Programm
Verwaltungsgliederung Griechenlands nach der Kallikratis-Reform

Kallikratis-Programm (griechisch Πρόγραμμα Καλλικράτης prógramma Kallikrátis) bezeichnet eine im Jahre 2010 eingeleitete weitgehende Reform der griechischen Verwaltung mit dem Ziel der Kosteneinsparung und des Bürokratie-Abbaus.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die bisherige, 1997 nach dem Kapodistrias-Plan eingeführte Verwaltungsgliederung wurde alsbald als weiter reformbedürftig angesehen. Entwürfe für eine weitere Kommunalverwaltungsreform wurden seit Jahren unter dem Stichwort Kapodistrias 2 diskutiert.

Der Regierungswechsel im Oktober 2009 und das Offenbarwerden der griechischen Finanzkrise machte die Dringlichkeit der Reform deutlich. Die Problematik der Aufblähung des Öffentlichen Dienstes, der Ineffizienz der griechischen Verwaltung und der Notwendigkeit von Sparmaßnahmen drang ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Der Internationale Währungsfonds und die von der Regierung Papandreou um finanzielle Hilfe gebetenen EU-Länder machten ihre Unterstützung von ernstlichen und tiefgreifenden Einsparungen und Reformen abhängig.

Eckpunkte der Reform

Die nach Kallikrates, dem Baumeister der Akropolis, benannte Reform sieht vor, dass die derzeit fünf Verwaltungsebenen auf drei verringert werden. Gleichzeitig sollen tausende staatliche Träger abgeschafft oder zusammengelegt werden.

  • Die Anzahl von 1.034 Gemeinden wird auf weniger als 370 verringert. Jede Insel (außer Kreta und Euböa) hat künftig nur noch eine Gemeindeverwaltung.
  • An die Stelle der derzeitigen 54 Präfekturen treten 13 autonome Verwaltungsregionen mit einem gewählten Präsidenten, die derzeitigen 13 Verwaltungsregionen werden dagegen durch sieben Verwaltungsdirektionen mit einem von der Regierung ernannten Leiter ersetzt.
  • Die Zahl der Verwaltungsstellen der Gemeindebezirke und kommunalen Unternehmen wird von 6.000 auf 2.000 reduziert.[1]
  • Die Zahl der gewählten Repräsentanten wird halbiert werden. So werden die – zu 80 % bezahlten – Stellen der Bürgermeister, Präfekten und Präfektur-Berater von 50.000 auf 25.000 reduziert. So sollen 60% der Gehaltskosten von 914 Bürgermeistern, 120 Ortsvorstehern, 57 Präfekten, 195 Vize-Präfekten, 1.496 Präfekturräten, 703 Regionalräten eingespart werden.[2]
  • Medienberichten zufolge sind von der Kallikratis-Reform 200.000 Angestellte betroffen.[3]
  • Das Kallikratis-Programm soll jährliche Einsparungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro bringen.[4]

Gesetzgebungsverfahren

Der Kallikratis-Plan wurde am 28. April 2010 vom Ministerrat verabschiedet und anschließend vom Minister für Inneres, Dezentralisierung und E-Government Giannis Ragousis der Öffentlichkeit vorgestellt.

„Der Plan signalisiert das Ende einer Ära für den am meisten zentralisierten Staat Europas und den Beginn eines neuen Kurses… Es gibt jetzt ein allgemeines Bewusstsein, dass der verschwenderische, klientelorientierte, zentralisierte und ineffiziente Staat die Ursache des griechischen Problems ist, wie wir es heute erleben“

Giannis Ragousis[5]

Der Gesetzesentwurf wurde dem griechischen Parlament am 21. Mai 2010 vorgelegt und am 27. Mai 2010 verabschiedet.[6][7]

Die Reform ist am 1. Januar 2011 in Kraft getreten; den Kommunalwahlen am 7. und 14. November 2010 lagen bereits die neue Verwaltungsgliederung zugrunde.

Änderungen der Gebietskörperschaften durch das Kallikratis-Programm (Übersicht)

Quelle: Griechische Wikipedia:Πρόγραμμα Καλλικράτης

Frühere Verwaltungsgliederung Verwaltungsgliederung nach dem Kallikratis-Programm
Gemeinde (Δήμος)
  • Lokale, (kommunale) Verwaltungsebene.
  • Insgesamt 914 Gemeinden (δήμοι) und 120 Landgemeinden (κοινότητες). Die meisten waren 1997 aus dem "Kapodistrias-Programm“ hervorgegangen.
  • Aufgeteilt in Gemeindebezirke (δημοτικά διαμερίσματα); zuvor eigenständige Gemeinden wählen als Gemeinschaften (Ez. kinotita κοινότητα) eigene Ortsvertreter.
  • Lokale, (kommunale) Verwaltungsebene.
  • Reduzierung auf 325 Gemeinden durch freiwillige oder erzwungene Zusammenschlüsse.
  • Teilweise Übernahme der Zuständigkeiten der Präfekturen.
  • Die Gemeinden sind aufgeteilt in Gemeindebezirke (Δημοτική ενότητα|δημοτικές ενότητες), deren Gebiete identisch mit den alten Gemeinden sind. Die Gemeindebezirke wiederum gliedern sich ja nach Einwohnerzahl in Gemeinde- bzw. Ortsgemeinschaften (Ez. dimotiki kinotita δημοτική κοινότητα bzw. topiki kinotita τοπική κοινοτιτα), die den alten Gemeindebezirken entsprechen und örtliche Vertreter wählen.
Präfektur (Νομαρχία)
  • Regionale, zweite Verwaltungsebene mit Selbstverwaltung.
  • Insgesamt 3 Überpräfekturen und 54 Präfekturen. Aufteilung des Landes in Präfekturen, Attika in Präfekturbezirke.
  • Abgeschafft. Die bisherigen Präfekturen werden als lediglich unselbständige Regionalbezirke (Ez. periferiaki enotita περιφερειακή ενότητα) geführt.
Region (Periferia Περιφέρεια)
  • Regionale, dritte Verwaltungsebene ohne Selbstverwaltung
  • Insgesamt 13 Verwaltungsregionen (Ez. gr. Diikitiki periferia Διοικιτική περιφέρεια)
  • Zuständig für die Koordination und die Rechtsaufsicht über die lokalen Behörden sowie die Umsetzung der staatlichen Politik auf regionaler Ebene.
  • Der Generalsekretär der Region (genikos grammateas γενικός γραμματέας) wird von der Regierung ernannt.
  • Regionale, zweite Verwaltungsebene mit Selbstverwaltung. Teilweise Übernahme der Zuständigkeiten der Präfekturen.
  • 13 Regionen (Ez. gr.Periferia Περιφέρεια) in den gleichen geographischen Grenzen wie die vorherigen Verwaltungsregionen
  • Gewählter Gouverneur (periferiarchis περιφερειάρχης) und Regionalrat.
7 Verwaltungsdirektionen (Ez. Apokendomeni Diikisi Αποκεντρωμένη Διοίκηση,
dt. Dezentrale Behörde)
Gab es nicht.
  • Insgesamt 7:
    • Attika mit Sitz in Athen,
    • Thessalien/Mittelgriechenland mit Sitz in Larisa
    • Epirus/Westmakedonien mit Sitz in Ioannina,
    • Peloponnes, Westgriechenland und Ionisches Meer mit Sitz in Patras,
    • Ägäis mit Sitz in Piräus,
    • Kreta mit Sitz in Iraklio,
    • Mazedonien/Thrakien mit Sitz in Thessaloniki.
  • Ihr Leiter (Generalsekretär) wird von der Regierung ernannt.
  • Übernehmen im Wesentlichen die Zuständigkeiten der alten Regionen.
Kommunale Unternehmen Rund 6.000 Unternehmen und juristische Personen der Gemeinden. Reduziert auf etwa 2.000 durch Zusammenschlüsse oder Auflösungen.
Kommunale Finanzen Mittel aus dem Staatshaushalt, europäischen Programmen, kommunalen Steuern, Eigenmittel (z. B. durch kommunale Unternehmen, Strandbewirtschaftung, Steinbrüche etc.) Wie bisher. Hinzu kommen Anteile an den staatlichen Steuern (Mehrwertsteuer, Einkommensteuer, Grundsteuer)
Kommunalwahlen Alle 4 Jahre im Oktober.
Wenn der Erste nicht 42% der Stimmen erhält, erfolgt am darauf folgenden Sonntag eine Stichwahl zwischen den beiden Führenden.
Alle 5 Jahre im Juni, gleichzeitig mit den Wahlen zum Europäischen Parlament (mit Ausnahme der Wahl 2010).
Erforderlich ist die absolute Mehrheit. Wird sie nicht erreicht, erfolgt am darauf folgenden Sonntag eine Stichwahl zwischen den beiden Führenden.

Reaktionen

Die Zeitung Adesmevtos Typos titelte, der Kallikratis-Plan „provoziert einen Bürgerkrieg“.[8]

Der Bürgermeister der Gemeinde Elliniko im Süden Athens trat aus Protest gegen den Plan in den Hungerstreik [9]

Am 3. Mai 2010 streikten und demonstrierten Kommunalangestellte aus Protest gegen das Reformvorhaben.[10][11]

Während der Beratung des Parlaments über den Gesetzentwurf demonstrierten zahlreiche Gemeindeangestellte und Bürgermeister vor dem Parlamentsgebäude.[12]

Einzelnachweise

  1. ERT-news vom 27. April 2010 (englisch) [1]
  2. To Vima vom 1. Mai 2010 (griechisch) [2]
  3. Der Standard vom 29. April 2010 “Griechen wälzen Privatisierungspläne“ [3]
  4. ERT-news vom 28. April 2010 (englisch) [4]
  5. Athens News Agency vom 29. April 2010 (englisch) [5]
  6. Gesetzentwurf vom 21. Mai 2010
  7. Kathimerini vom 28. Mai 2010
  8. Athens News Agency vom 20. April 2010 (englisch) [6]
  9. Kathimerini vom 30. April 2010 (englisch) [7]
  10. Griechenland-Zeitung vom 3. Mai 2010
  11. Agelioforos vom 4. Mai 2010 (griechisch)
  12. Griechenland Zeitung vom 26. Mai 2010

Weblinks


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