Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz

Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
Basisdaten
Titel: Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten
Kurztitel: Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
Abkürzung: KapMuG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Verfahrensrecht, Kapitalmarktrecht
Fundstellennachweis: 310-23
Datum des Gesetzes: 16. August 2005 (BGBl. I S. 2437)
Inkrafttreten am: überw. 1. November 2005
Letzte Änderung durch: Art. 12 G vom 5. Januar 2007
(BGBl. I S. 10, 31)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
20. Januar 2007
(Art. 15 G vom 5. Januar 2007)
Außerkrafttreten: 1. November 2012
(Art. 5 G vom 24. Juli 2010,
BGBl. I S. 977, 979)
GESTA: C122
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das deutsche Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) soll geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erleichtern, indem es Musterverfahren wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen, etwa in Jahresabschlüssen oder Börsenprospekten, ermöglicht. Im Musterverfahren können Tatsachen- und Rechtsfragen, die sich in mindestens zehn individuellen Schadensersatzprozessen gleichlautend stellen, einheitlich durch das Oberlandesgericht mit Bindungswirkung für alle Kläger entschieden werden.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Anlass für die Einführung des KapMuG war eine Vielzahl von gleich gelagerten Gerichtsverfahren (ca. 16.000) gegen die Deutsche Telekom, mit denen Einzelpersonen als Aktionäre Schadenersatz wegen nach ihrer Ansicht falscher Angaben in einem Verkaufsprospekt verlangen. Aus diesem Grund wird das KapMuG auch „Lex Telekom“ genannt – eine Bezeichnung, die allerdings auch für das Telekommunikationsgesetz verwendet wird. [1] [2]

Eine weitere Ursache liegt in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Dieses wurde von einigen geschädigten Klägern angerufen, weil diese in dem Ausgangsverfahren durch die Vielzahl der Klagen mit einer Sachentscheidung erst nach einer Verfahrensdauer von über drei Jahren zu rechnen hatten. Das BVerfG sieht in der langen Prozessdauer einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie, wonach in angemessener Zeit über einen Streit zu entscheiden ist.

Zielsetzung

Das BMJ benennt folgende Vorteile des kollektiven Musterverfahrens gegenüber dem Einzelrechtsstreit:[3]

  1. Der einzelne Anleger kann seinen Schadensersatzanspruch effektiv durchsetzen.
  2. Komplexe Tatsachen- und Rechtsfragen werden nur einmal mit Bindungswirkung für alle geschädigten Anleger geklärt, d.h. es bedarf nur einer Beweisaufnahme.
  3. Das Prozesskostenrisiko für den einzelnen Anleger wird deutlich gesenkt; ein Auslagenvorschuss insbesondere für teure Sachverständigengutachten muss nicht gezahlt werden; im Falle des Unterliegens der Kläger werden die Kosten auf alle Kläger anteilig verteilt.
  4. Es kommt zur Beschleunigung bei der Abwicklung einer Vielzahl von Klagen; die betroffenen Gerichte werden entlastet; die beklagten Unternehmen erhalten schneller Rechtssicherheit.

Verfahren nach dem KapMuG

Das bundesweit erste Verfahren nach dem KapMuG richtete sich gegen den Automobilhersteller Daimler AG, ehemals DaimlerChrysler. Die Kläger stützen ihre Schadenersatzforderungen auf eine angeblich verspätete Mitteilung über den Rücktritt des damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, welche am 28. Juli 2005 erfolgte.

Weitere Verfahren sind gegen die MLP AG und die Conergy AG anhängig. Im Gegensatz zu den US-amerikanischen Sammelklagen muss jeder Aktionär in eigenem Namen Klage erheben, um am Musterverfahren teilnehmen zu können.

Gliederung

Das KapMuG gliedert sich in drei Abschnitte:

  1. Abschnitt 1: Musterfeststellungsantrag; Vorlageverfahren
  2. Abschnitt 2: Durchführung des Musterverfahrens
  3. Abschnitt 3: Wirkung des Musterentscheids; Kosten; Übergangsregelung

Literatur

  • Volkert Vorwerk, Christian Wolf: KapMuG - Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz. 1. Auflage. C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3406544002.

Quellen

  1. Meldung auf boersen-zeitung.de unter Verwendung der Bezeichnung „Lex Telekom" für das KapMuG
  2. Meldung auf heise.de unter Verwendung der Bezeichnung „Lex Telekom" für das TKG
  3. Informationsseite des BMJ

Weblinks

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