Grässlin

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Jürgen Grässlin (* 18. September 1957 in Lörrach) ist Sachbuchautor und Pazifist. Grässlin ist Autor zahlreicher Bücher über die Automobil- und Rüstungsindustrie sowie die Bundeswehr. International bekannt wurde er durch die in mehrere Sprachen übersetzte Biographie über den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des DaimlerChrysler-Konzerns Jürgen Schrempp. Der Spiegel bezeichnete Grässlin als „Daimlers schärfsten Widergänger“ und „Deutschlands wohl prominentesten Rüstungsgegner“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach seiner Schulausbildung in Freiburg im Breisgau studierte er an der dortigen Pädagogischen Hochschule und ist seit 1982 im Schuldienst. Er ist verheiratet, Vater zweier Kinder und lebt in Freiburg.

Seit 1983 setzt sich Grässlin aktiv gegen Waffentransfers von Heckler & Koch (H&K) in Oberndorf/Neckar und anderer rüstungsproduzierender Unternehmen ein und begründete 1989 das Rüstungs-Informationsbüro Oberndorf (RIO).

Mit seinem Umzug nach Freiburg ging das RIO und in das 1992 von ihm mitbegründete RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) über. Anfangs als RIB-Vorsitzender und heute als RIB-Vorstandsmitglied tritt Grässlin für den Stopp aller Rüstungsexporte ein. Zu seinen größten Erfolgen gilt fälschlicherweise die Kampagne zur Verhinderung des H&K-Waffensystems G11. Dieses Waffensysteme hat er nicht verhindert, sondern es wurde durch den Zusammenbruch des Warschauer Paktes ganz banal überflüssig. RIB beherbergt mittlerweile das größte Archiv der Friedensbewegung zur Rüstungsproduktion und -exporten.

Seit Mitte der Neunziger Jahre verfasste Grässlin mehrere Bücher über die Rüstungsindustrie. Seine Werke „Den Tod bringen Waffen aus Deutschland“ (1994) und „Versteck dich, wenn sie schießen“ (2003) beschreiben schwerpunktmäßig Rüstungsexporte und Lizenzvergaben von H&K-Waffen in Dritte-Welt-Staaten anhand konkreter Fallbeispiele. Für seine Recherchen zu letzterem Buch folgte Grässlin dem Weg deutscher Waffen in Bürgerkriegsgebiete und führte in Somaliland und Türkei 220 Interviews mit Opfern deutscher Gewehrexporte.

Die von Grässlin 1997 inspirierte internationale Abrüstungsinitiative FÜNF FÜR FRIEDEN stellte er erstmals in seinem Buch „Lizenz zum Töten? - Wie die Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe gemacht wird“ vor; sie wurde unter anderem vom osttimoresischen Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta unterstützt. Die Initiative findet heute ihre Fortsetzung in der Kampagne „Schritte zur Abrüstung“ der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).

Jürgen Grässlin kandidierte 1994 und 1998 für Die Grünen für den Bundestag. Nachdem die Grünen dem seiner Ansicht nach „grundgesetz- und völkerrechtswidrigen Kosovo-Kampfeinsatz“ und Rüstungsexporten zugestimmt hatten, trat er im Juli 2000 von allen Ämtern bei den Grünen zurück. Seither ist er parteilos.

Mit der Abkehr von der Parteipolitik wurde Grässlin DFG-VK-Mitglied, ist seit 1999 einer der Bundessprecher und im Zwei-Jahres-Turnus im Amt bestätigt worden.

Bereits Anfang der Neunziger Jahre hatte Grässlin mit anderen den Dachverband Kritischer AktionärInnen Daimler-Benz (KAD) gegründet. Seither ist er einer der Sprecher des Aktionärsverbands, der sich mit der Fusion von Daimler-Benz mit der Chrysler Corporation 1998 in Kritische AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) umbenannte. Beginnend mit „Daimler-Benz - Der Konzern und seine Republik“ verfasste Grässlin bis heute vier Bücher über den Daimler-Konzern. Für seine Biografie über Jürgen Schrempp, den langjährigen Vorsitzenden des Daimler-Benz AG und DaimlerChrysler AG, führte er weltweit Interviews, u.a. mit dem damaligen Weltbankpräsidenten James Wolfensohn. Schrempp autorisierte die Zitate der Biografie „Jürgen E. Schrempp. Der Herr der Sterne“(1998, aktualisiertes Taschenbuch 2000), empfand das Buch im Nachhinein jedoch als zu kritisch. Die bis heute einzige Schrempp-Biografie mit Übersetzungen ins Englische, Chinesische, Taiwanesche und Japanische wurde weltweit verkauft.

Für die Biografie „Ferdinand Piëch. Techniker der Macht“ (2000, Taschenbuch 2001) des damaligen VW-Vorstands- und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden verweigerte dieser jegliche Zusammenarbeit. Grässlin kontaktierte daraufhin nach eigenen Angaben ehemalige Vorstandsmitglieder, die wegen ihrer Ausscheidungsverträge lediglich auf vertraulicher Basis Auskunft gaben.

Im Jahr 2002 begründete Grässlin mit Friedensaktivisten das Deutsche Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen (DAKS), zu deren Bundessprechern er bis heute zählt. Das DAKS thematisiert die Unterstützung der deutschen Politik für Exporte von Kleinwaffen und die führende Rolle deutscher Kleinwaffenproduzenten. Mit den finanziellen Erlösen seiner zahlreichen Buchlesungen gründete Grässlin den DAKS-Fonds zur Unterstützung der politischen Arbeit für Opfer des Einsatzes deutscher Kleinwaffen.

Der Versuch des DaimlerChrysler-Konzerns, auf das Erscheinen des Buches „Das Daimler-Desaster“ (2005) Einfluss zu nehmen, scheiterte; das Werk erklomm im Frühjahr 2006 Platz 1 der bundesdeutschen Bestsellerlisten für Wirtschaftsbücher. Im Verfahren gegen DaimlerChrysler-Manager wegen Insidergeschäften war den Klägern kein Erfolg beschieden. Zitat OLG Stuttgart: „Der Musterkläger hatte damit in dem bundesweit ersten Verfahren nach dem Kapitalanleger- Musterverfahrensgesetz (KapMuG) gegen die DaimlerChrysler AG keinen Erfolg.“ [1]

Der frühere und der heutige DaimlerChrysler-Vorsitzende Jürgen Schrempp und Dieter Zetsche verklagten 2006 Grässlin vor den Landgerichten Hamburg und Berlin auf Unterlassung. Grässlin hatte Zetsche mit Graumarktgeschäften in Verbindung gebracht, als er behauptete, der damalige Vertriebsvorstand habe in einem Gerichtsverfahren falsche Angaben gemacht. Diese Behauptung darf Grässlin laut Entscheidung der Hamburger Landgerichts (Az. 324 O 283/06) nicht mehr wiederholen [2]. Im Dezember 2006 stellte Grässlin beim Landgericht Stuttgart Strafanzeige gegen mehrere Mercedes-Manager und -Händler, darunter Zetsche, wegen des Verdachts der Verwicklung in dubiose Graumarktgeschäfte. Diese waren und sind nach konzerninternen Richtlinien und EU-Recht speziell dem Daimler-Konzern untersagt.

Mitgliedschaften und Funktionen

Funktionen:

Mitgliedschaften:

Publikationen

  • Literatur von und über Jürgen Grässlin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Jürgen Grässlin: Den Tod bringen Waffen aus Deutschland. Droemer Knaur, München 1994, ISBN 3-426-80029-2. 
  • Jürgen Grässlin: Daimler-Benz. Der Konzern und seine Republik. Droemer Knaur, München 1995, ISBN 3-426-80064-0. 
  • Jürgen Grässlin: Lizenz zum Töten? Wie die Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe gemacht wird. Droemer Knaur, München 1997, ISBN 3-426-80081-0. 
  • Jürgen Grässlin: Jürgen E. Schrempp. Der Herr der Sterne. Droemer, München 1998, ISBN 3-426-27075-7. 
  • Jürgen Grässlin: Ferdinand Piëch. Techniker der Macht. Droemer, München 2000, ISBN 3-426-27182-6. 
  • Jürgen Grässlin: Versteck dich, wenn sie schießen. Die wahre Geschichte von Samiira, Hayrettin und einem deutschen Gewehr. Droemer Knaur, München 2003, ISBN 3-426-27267-9. 
  • Jürgen Grässlin: Das Daimler-Desaster. Vom Vorzeigekonzern zum Sanierungsfall?. Droemer, München 2005, ISBN 3-426-27267-9. 
  • Jürgen Grässlin: Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter. Knaur Tb., München 2007, ISBN 3-426-77977-3. 

Quellen

  1. Veröffentlichung des OLG Stuttgart
  2. Entscheidung der Hamburger Landgerichts bei SpiegelOnline

Weblinks


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