Keilverschluss

Keilverschluss
Krupp-Querkeilverschluss. Schweizerische Ord. 8,4 cm Feldkanone 1879

Der Keilverschluss ist eine Verschlusskonstruktion, die vor allem bei relativ großkalibrigen Geschützen zum Einsatz kommt.

Inhaltsverzeichnis

Grundsätzliche Anforderungen

Der Verschluss des Geschützes schließt das Rohr nach hinten ab und muss bei Schussabgabe die Kräfte des Rückstoßes über das Rohr in die Lafettenkonstruktion ableiten. Dazu muss er zuverlässig mit dem Rohr verriegeln. Zusammen mit der Kartusche muss er das Rohr gasdicht abschließen, um die Treibladung möglichst vollständig auszunutzen. Der Verschluss sollte einen Schutz gegen unbeabsichtigte Abfeuerung bieten. Grundsätzlich muss sich der Verschluss bei manueller Betätigung mit wenigen Handbewegungen schnell öffnen und schließen lassen. Gefordert werden weiterhin geringes Gewicht und geringe Abmessungen, um die tote Rohrlänge, das heißt die Länge des Rohres hinter der Patronen- bzw. Pulverkammer zu minimieren. Diese tote Rohrlänge bestimmt zusammen mit dem Rücklaufweg des Rohres die maximale Rohrerhöhung bei gegebener Lafettenkonstruktion.

Geschichte

Vorderlader blieben bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die bestimmende Konstruktionsform für Artilleriegeschütze. Da Artilleriegefechte sowohl zu Land als auch auf See auf wenige hundert Meter Entfernung geführt wurden, genügten die Schussleistungen den damaligen Anforderungen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kamen wirksame Panzerungen für Kriegsschiffe auf. Ein Durchschlagen dieser Panzerungen mit herkömmlichen Vollgeschossen war praktisch nicht möglich. Auch zu Land wurde mit Abkehr von der herkömmlichen Lineartaktik eine höhere Reichweite und Durchschlagsleistung der Artillerie gefordert. Diese war jedoch nur mit Langgeschossen und damit einhergehend der Verwendung gezogener Rohre zu erreichen. Ein Laden dieser Langgeschosse durch die Mündung war jedoch nur schwer möglich. Wegen der geringen Differenz zwischen Kaliber der Granate und Kaliber des Rohres mussten diese mit erheblichem Kraftaufwand in das Rohr eingepresst werden. Dies war gerade bei größeren Kalibern - und damit potentiell weitreichenden Geschützen - praktisch unmöglich. Auf jeden Fall sank die Kadenz der Geschütze auf nicht mehr akzeptable Werte ab. Eine Vergrößerung der Kaliberdifferenz verbot sich aufgrund der schlechteren Ausnutzung der Treibladung. Durch Giovanni Cavalli und Martin von Wahrendorff in Piemont bzw. Schweden und William Armstrong in Großbritannien wurden ab Ende der 1840er moderne Hinterladergeschütze konstruiert. Da das Rohr zum Nachladen zwangsläufig offen war, musste es während des Schusses durch einen Verschluss abgeschlossen werden. Um das Nachladen zu ermöglichen, musste dieser Verschluss beweglich sein. Zur Anwendung kamen zunächst einfache, manuell betätigte Fallblockverschlüsse. Derartige Geschütze wurden in Piemont, in Schweden und in Großbritannien bei der Royal Navy und der British Army eingeführt. Großbritannien stellte jedoch bereits nach kurzer Zeit die Produktion derartiger Hinterlader wieder ein, da Herstellung und Unterhalt zu kostenintensiv waren und gegenüber Vorderladern taktisch kaum Vorteile boten. Als Nachteil der Hinterlader erwies sich auch zum damaligen Zeitpunkt die Tatsache, dass bei Vorderladern eine größere Treibladung benutzt werden konnte, dadurch waren bei ihnen Reichweite und Durchschlagsleistung höher. Der Grund für die geringere Leistungsfähigkeit der Hinterlader war die Belastung der Rohre und die Verwendung schnell abbrennender Treibladungspulver, die einen höheren Maximaldruck erzeugten.

In den 1860er Jahren wurde mit dem Kolbenverschluss eine Verschlusskonstruktion zur Einsatzreife gebracht, die gasdicht war und ein relativ schnelles Nachladen ermöglichte. Diese Konstruktion wurde ab den 1880er Jahren durch Canet als Schraubenverschluss weiterentwickelt. Ab den 1880er Jahren entwickelte Krupp in Deutschland mit dem Keilverschluss ein konstruktiv anders aufgebautes, aber vergleichbar effizientes Verschlusssystem. Mit der Einführung von Metallkartuschen ab Anfang der 1890er Jahre wurde das Problem des gasdichten Abschlusses prinzipiell gelöst. Der Schwerpunkt der Entwicklung verlegte sich daher auf die Konstruktion von Verschlüssen, die ein schnelles Nachladen und damit die Konstruktion sogenannter Schnellfeuerkanonen ermöglichten.[1]

Konstruktionsprinzip

Beim Keilverschluss gleitet ein Keil entweder waagerecht (axial) oder senkrecht (radial) in das Rohr und schließt es nach hinten ab. Durch die Keilform und die Bewegung des Keiles werden sowohl Gasdichtigkeit als auch Verriegelung sichergestellt. Bauformen des Keilverschlusses sind der Verschluss nach Armstrong, der Kruppsche Leitwellverschluss und der Schubkurbelverschluss nach Erhardt, die sich durch die Konstruktion der Bedien- und Verriegelungselemente unterscheiden. Vorteilhaft sind Gasdichtigkeit und zuverlässige Verriegelung. Mit Ausnahme der Entwicklung von Armstrong zeichnet sich die Konstruktion auch durch einfache Bedienung und kurze Ladezeiten sowie die Möglichkeit zur Automatisierung aus. Nachteilig ist das relativ hohe Gewicht und die relativ große tote Rohrlänge. Weiterentwicklungen sind der Fallblockverschluss und der umlegbare Keilverschluss, die sich durch geringe bewegte Massen auszeichnen und die Schwerkraft zum Bewegen des Keils ausnutzen und damit ein noch schnelleres Nachladen zulassen. Durch die geringe Masse sind sie allerdings nur für Geschütze bis zu einem Kaliber von ungefähr 75 mm einsetzbar.

Verschlusskonstruktion nach Armstrong

Verschlusskonstruktion nach Armstrong

Beim Verschluss nach Armstrong wird ein metallischer Block von oben in das Rohr eingeführt. Die Verriegelung wird kraftschlüssig durch eine Schraube hergestellt, die von hinten in das Rohr eingedreht wird und den Metallblock gegen den hinteren Rand der Pulverkammer drückt. Ein auf dem Block angebrachter Kupferring dichtet die Pulverkammer gasdicht ab. Die einzelnen Elemente des Verschlusses sind nicht miteinander gekoppelt, daher sind Öffnen und Schließen des Verschlusses kompliziert und zeitaufwendig. Die Weiterentwicklung des ursprünglichen Armstrongverschlusses führte zu den Konstruktionen von Joseph Whitworth und Armstrong die den Schraubenverschlüssen mit ununterbrochenen Gewinden zuzuordnen sind.

Kruppscher Leitwellverschluss

Kruppscher Leitwellverschluss (Fig. 1) und Schubkurbelverschluss nach Erhardt (Fig. 2)

Beim Kruppscher Leitwellverschluss wird der Keil (A) quer zur Längsachse in das Geschützrohr hineingeschoben. Der Keil kann dabei entweder als Flachkeil (Flachkeilverschluss) oder als Zylinder (Rundkeilverschluss) ausgeführt sein, hat jedoch immer eine prismatische bzw. konische Form, um eine spielfreie Führung zu ermöglichen. Geführt wird der Keil dabei durch die Leitwelle (B). Die Leitwelle greift dabei in eine Mutter (T). Mutter und Leitwelle haben ein Gewinde mit großer Steigung. Durch Drehen des Handgriffes (B1) wird der Keil in das Rohr hineingeschoben bzw. wieder herausgezogen. Durch die Steigung des Gewindes ist dabei eine drei Viertel Umdrehung ausreichend. Durch die Fahrsicherung (O) wird der Handgriff blockiert und ein unbeabsichtigtes Öffnen des Verschlusses verhindert. Der Verschluss wird durch einen Riegelbund am Ende der Leitwelle verriegelt, der in einen Ausschnitt des Rohres greift. Beim Öffnen des Verschlusses wird der Riegelbund als erstes durch Drehen der Leitwelle aus dem Ausschnitt herausgezogen und gibt den Keil wieder frei. Abgefeuert wird mit Hilfe des am Verschluss befindlichen Abzugshebels (K). Dieser Verschluss ermöglicht ein schnelles Nachladen und ebnete den Weg für die Entwicklung von Schnellfeuerkanonen.

Schubkurbelverschluss nach Erhardt

Beim Schubkurbelverschluß dreht sich die Schubkurbel (Sk) um den Kurbelbolzen (kb), der am Rohr befestigt ist. Am kürzeren Hebelarm der Schubkurbel befindet sich ein Gleitstück (g), das in einer schräg nach vorn und außen führenden Nut (nt) des Keils läuft. Wird die Schubkurbel am Handgriff (hg) zurückgezogen, wird der Keil über das Gleitstück und die Nut herausgezogen. Vorteilhaft ist, dass die Schubkurbel bei dieser Konstruktion nur um ca. 130° gedreht werden muss. Verriegelt wird der Verschluss in der Endposition dadurch, dass das Gleitstück am Ende der Nut in eine Lochfläche fällt. Zum Entriegeln muss daher das Gleitstück durch Ziehen am Handgriff zuerst ein kurzes Stück nach oben gezogen werden. Meist wird außerdem noch eine zusätzliche Verriegelung in Form einer Sperrklinke im Handgriff eingebaut, die bei geschlossenem Verschluss in eine Aussparung des Rohres einklinkt. Ebenso wie der Kruppsch Leitwellverschluss ermöglichte diese Konstruktion ein schnelles Nachladen und damit die Entwicklung von Schnellfeuerkanonen. Die Kruppsche Ausführung des Schubkurbelverschlusses unterscheidet sich durch die Form der Gleitbahn und die Verriegelung des geschlossenen Verschlusses.

Fallblockverschluss

Fallblockverschluss

Beim ursprünglich von Gruson entwickelten Fallblockverschluss gleitet der Keil nach unten heraus und gibt damit das Rohr zum Nachladen frei. Dazu wird der Abzugshebel (b) zuerst ein kleines Stück nach oben bewegt. Dadurch gleitet der Schlagbolzen (h) ein kleines Stück nach hinten und gibt den Weg für den Keil frei. Ähnlich wie beim Schubkurbelverschluss nach Erhardt wird der Keil durch Drehen einer Schubkurbel bewirkt, deren Gleitstück in einer nach vorn und oben führenden Nut des Keils geführt wird. Im Prinzip handelt es sich hier also um einen um 90° zur Längsachse des Rohres gedrehten Schubkurbelverschluss. Beim Senken des Keils wird über eine Spannrolle (e) die Schlagbolzenfeder (i) gespannt. Dabei werden die mit der Spannrolle verbundenen Stifte in der Nut auf der linken Seite des Keils geführt. Durch das Spannen der Feder wird der Schlagbolzen nach hinten gezogen und der Kopf der Abzugsstange (a) legt sich vor den Schlagbolzen. Dadurch wird ein Abfeuern bei nicht vollständig geschlossenem Verschluss verhindert. Bei der Bewegung des Keils nach unten wird der Auswerferbolzen (m) gedreht und durch die Auswerfernuss (o) die Hülse zuerst gelockert und dann nach hinten aus dem Rohr gezogen. Auch dieser Verschluss ermöglicht ein schnelles Nachladen.

Umlegbarer Keilverschluss

Beim umlegbaren Fallkeilverschluss wird der Verschluss beim Öffnen zunächst nach unten herausgezogen und dann um eine quer zum Rohr liegende Welle nach hinten gedreht. Prinzipiell handelt es sich dabei um eine Weiterentwicklung des Fallblockverschlusses ähnlich dem bei Handwaffen gebräuchlichen Kippblockverschluss. Er findet bei kleinkalibrigen Schnellfeuerkanonen Anwendung. Beim System Nordenfelt wird dabei nur der hintere Teil des Verschlusses gedreht. Varianten dieses Konstruktionsprinzips sind der Verschluss nach System Nordenfelt, System Driggs-Schröder, der im Wesentlichen nur bei der US Navy im Gebrauch war, sowie System Maxim-Nordenfelt und System Sarmiento

Einzelnachweise

  1. in Deutschland wurden diese Geschütze auch Schnellladekanonen genannt

Weblinks

Literatur

  • Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 781-784.
  • Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 692-709.

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