Kometenlied

Kometenlied

Das Kometenlied ist ein berühmtes Wiener Couplet aus der Posse Der böse Geist Lumpazivagabundus (1833) von Johann Nestroy. Die Musik stammt von Adolf Müller senior.

Das Kometenlied beklagt den Verfall der Welt und die Torheit der Menschen und sagt den Weltuntergang, hervorgerufen durch einen auf die Erde stürzenden Kometen, voraus. Der Refrain lautet:Die Welt steht auf keinFall mehr lang.“

Das Kometenlied wurde ursprünglich von Nestroy selbst in der Rolle des Knieriem gesungen. Es wird von einem pseudowissenschaftlichen Monolog eingeleitet, in dem Astronomie und Astrologie vermischt werden und der Nestroys Komik berühmt machte. – Viele österreichische Schauspieler haben es interpretiert und mit aktuellen Zusatzstrophen angereichert.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nestroys Theaterstück wurde zu seiner Zeit als besonders innovativ und witzig empfunden, weil er mit Traditionen des Alt-Wiener Volkstheaters brach: Die eingegliederten Couplets gehen in diesem Genre zumeist aus der barocken Vanitas-Thematik hervor: Die Welt wird als vergänglich, nichtig und töricht dargestellt. Nestroys Vorgänger Ferdinand Raimund versuchte, diesen Gedanken ins bürgerlich Tugendhafte zu wenden („Hobellied“, „Aschenlied“). Bei Nestroy wird diese Anstrengung aber wiederum über den Haufen geworfen und die Nichtigkeit der Welt betont.

Witzig wirkte die Mischung von märchenhaften („Feentempel“) und modernistischen („Pass“, „Tubus“) Elementen. Durch komische Anthropomorphismen (Sterne und Planeten als Menschen) werden barocke Allegorien verspottet. – Neu ist bei Nestroy, dass er die traditionelle Weltuntergangs-Thematik ganz vom Religiösen befreit und in die Sphäre der Naturwissenschaften rückt: Das Lied spielt auf den Bielaschen Kometen an, der seit 1826 zu den ersten entdeckten periodischen Kometen gehörte.

Text

1.
Es is keinOrdnung mehr jetzt in die Stern’,
DKometen müßten sonst verboten wern;
Ein Komet reist ohne Unterlaß
Um am Firmament und hat keinPaß;
Und jetzt richt´t a so a Vagabund
Und die Welt bei Butz und Stingel zgrund;
Aber lassn ma das, wies oben steht,
Auch untsieht man, dasss aufn Ruin losgeht.

Abends traut man ins Gwölb sich nicht hinein
Vor Glanz, denn sie richten swie dFeentempel ein;
Der Zauberer Luxus schaut blendend hervur,
Die böse Fee Krida sperrt nachers Gwölbzur.
Da wird einem halt angst und bang,
Die Welt steht auf keinFall mehr lang.

2.
Am Himmel is die Sonnjetzt voll Capriz,
Mitten in die Hundstaggibt skein´ Hitz’;
Und der Mond geht auf so rot, auf Ehr’,
Nicht anderster, als wann er bsoffen wär’.
Die Millichstraßen, die verliert ihrn Glanz,
Die Milliweiber obn verpantschen sganz;
Aber lassn ma das, heruntgehts zbunt,
Heruntschon sieht mans klar, die Welt geht zgrund.

Welche hättso eingscheckten Wickler einst mögn,
A Harlekin is ja grad nur a Spitzbub dagegn;
Im Sommer tragn sStiefel, à jour-Strümpfim Schnee,
Und statt Haubn habn sgar Backenbärtvon tull anglais.
Da wird einem halt angst und bang,
Ich sag: DWelt steht auf keinFall mehr lang.

3.
Der Mondschein, da mögn seinmal sagn, was swolln,
Ich find’, er is auf einer Seiten gschwolln,
Die Sternwern sich verkühln, ich sags voraus,
sie setzen sich zu stark der Nachtluft aus.
Der Sonnihr Gschundheit ist jetzt a schon weg,
Durchn Tubus sieht mans klar, sie hat die Fleck’;
Aber lassn ma das, was oben gschieht,
Heruntschon sieht man, ’s tuts in dLänge nicht.

Sie habn Zeitungen jetzt, da das Pfennig-Magazin,
Da is um einPfennig alls Mögliche drin;
Jetzt kommt gwiß bald a Zeitschrift heraus, i parier’,
Da kriegn dPränumeranten umsonst Kost und Quartier.
Da wird einem halt angst und bang,
Die Welt steht auf keinFall mehr lang.

4.
Die Fixstern’, sagn s’, sein alleweil auf einFleck’,
s is erlogn, beim Tag sein salle weg;
s bringt jetzt der allerbeste Astronom
Keinsaubre Sonnenfinsternis mehr zamm’.
Die Venus kriegt auch ganz einandere Gstalt,
Wer kann davor, sie wird halt a schon alt;
Aber wenn auch obn schon alles kracht,
Heruntis was, was mir noch Hoffnung macht.

Wenn auchs meiste verkehrt wird, bald drent und bald drübn,
Ihre Güte ist stets unverändert geblieb´n;
Drum sagi, aus seinGleiswird erst dann alles fliegn,
Wenn Sie Ihre Nachsicht und Huld uns entziehn.
Da wurdeinerst recht angst und bang,
denn dann stunddWelt gwiß nicht mehr lang.

Literatur

  • Franz H. Mautner: Nestroy, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1978, S. 182188

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