Krankenversicherung in den Niederlanden

Krankenversicherung in den Niederlanden

Die Krankenversicherung in den Niederlanden erstattet den Versicherten die Kosten (voll oder teilweise) für die Behandlung bei Erkrankungen, bei Mutterschaft und oft auch nach Unfällen. Sie ist Teil des Gesundheits- und in vielen Ländern auch des Sozialversicherungssystems. In einigen Ländern kommen neben finanziellen Leistungen auch Sachleistungen hinzu. Ob die Folgekosten von Unfällen von der Krankenversicherung oder einer speziellen Unfallversicherung übernommen werden, ist ebenfalls länderspezifisch geregelt.

Inhaltsverzeichnis

Krankenversicherungsarten

Am 1. Januar 2006 wurde in den Niederlanden ein neues Krankenversicherungssystem eingeführt (Gesundheitsreform in den Niederlanden). Der klassische Unterschied zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung ist entfallen. Alle Einwohner der Niederlande (16,5 Millionen) sind ab dem 1. Januar verpflichtet, bei einem Krankenversicherungsanbieter eine – gesetzlich definierte – Krankenversicherung abzuschließen. Historisch bedingt war das niederländische Krankenversicherungssystem für die allgemeine medizinische Versorgung bis 2005 sehr zersplittert. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung (ungefähr 60 %) war gesetzlich krankenversichert. Andere hatten sich privat versichert, wobei für bestimmte Risikogruppen die Möglichkeit bestand, eine gesetzlich festgelegte Standardpolice abzuschließen. Für bestimmte Beamtengruppen gab es darüber hinaus spezielle öffentlich-rechtliche Krankenversicherungsregelungen.

Die Regierung (mit Gesundheitsminister Hans Hoogervorst) wollte ein Versicherungssystem schaffen, das einerseits die Eigenverantwortung und die Marktfunktion stärkt und andererseits sozialen Rahmenbedingungen wie der Solidarität zwischen unterschiedlichen Einkommens- und Risikogruppen ein solides Fundament bietet. Vor dem Hintergrund der Reformen, die im Gesundheitswesen in den letzten fünfzehn Jahren durchgeführt worden sind – zum Beispiel die Einführung des Wettbewerbs im Krankenkassenwesen und die Solidaritätszuschläge in den privaten Krankenversicherungen –, ist das neue Krankenversicherungssystem nach Ansicht der Regierung eher ein weiterer logischer Schritt in dieselbe Richtung als ein Bruch mit der Vergangenheit.

Eckpunkte des Krankenversicherungsgesetzes

Versicherungspflicht

Alle Einwohner der Niederlande müssen krankenversichert sein. Dazu schließen sie einen Vertrag mit einer Versicherungsgesellschaft. Wie das Leistungspaket aussieht, ist gesetzlich geregelt.

Standardpaket mit notwendigen Leistungen

Das Standardleistungspaket nach dem neuen Krankenversicherungsgesetz umfasst notwendige, kurative Leistungen, die auf ihre Wirksamkeit, Kosteneffizienz und kollektive Finanzierbarkeit hin geprüft wurden.

Durchführung durch landesweit operierende Versicherer; Aufnahme- und Leistungspflicht

Durchgeführt wird die Versicherung von privaten Versicherungsgesellschaften, die die im Krankenversicherungsgesetz genannten Voraussetzungen erfüllen. Als Schadenversicherer sind sie außerdem an die Rechtsvorschriften für die Schadenversicherungsbranche gebunden. Gewinnerzielungsabsichten sind erlaubt; der Gewinn kann gegebenenfalls an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Die derzeit aktiven privaten Krankenversicherer können als solche weiter bestehen, und die bisherigen Krankenkassen können sich zu privaten Anbietern umformen. Auch für neue Anbieter ist der Markt offen.

Die Effizienz des neuen Systems ist dadurch gewährleistet, dass die Versicherungsgesellschaften ständig miteinander konkurrieren. Die Versicherten können jährlich den Anbieter wechseln und die Anbieter dürfen niemanden, der in ihrem Tätigkeitsgebiet wohnt, als Versicherten ablehnen. In welcher Form das Standardpaket angeboten wird, kann der Versicherer grundsätzlich selbst entscheiden. Möglich sind sowohl Sachleistungen als auch die Kostenerstattung oder eine Kombination aus beidem. Auch die Versicherten können sich frei für eine dieser Formen entscheiden.

Pauschalbeitrag

Fast die Hälfte der gesamten Beitragslast wird in Form eines Pauschalbeitrags von den Versicherten getragen. So wird das Kostenbewusstsein gefördert. Die Versicherer können den Pauschalbeitrag für jede von ihnen angebotene Police selbst festlegen. Dabei gilt allerdings eine wichtige Regel: Für jede Art von Police darf nur ein einziges Beitragsniveau gelten. Das Alter, der Gesundheitszustand oder die soziale Situation des Versicherten darf keine Rolle spielen. Alle, die die gleiche Police haben, zahlen auch die gleichen Beiträge. Unterschiede zwischen den einzelnen Versicherern sind dabei natürlich möglich. So wird der Wettbewerb zwischen den Versicherungsgesellschaften gefördert und das Kostenbewusstsein der Versicherten geschärft. Für Kollektivversicherungen dürfen Beitragsermäßigungen angeboten werden. Die Pauschalbeiträge waren für 2006 voraussichtlich auf durchschnittlich 1100 Euro pro Jahr gerahmt. In Wirklichkeit sind die Angebote der Versicherungsgesellschaften auf durchschnittlich 1050 Euro ausgekommen.

Versicherte bis 18 Jahre zahlen keinen Pauschalbeitrag. Zur Finanzierung des Systems für Minderjährige wird ein staatlicher Beitrag in den Krankenversicherungsfonds eingezahlt.

Einkommensabhängiger Beitrag

Zusätzlich zum Pauschalbeitrag ist im Krankenversicherungsgesetz ein einkommensabhängiger Versicherungsbeitrag vorgesehen. Er wird als Prozentsatz vom Einkommen berechnet (für Arbeitnehmer: 6,9 % bis 32.369 Euro). Die Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den von ihnen gezahlten einkommensabhängigen Beitrag zu erstatten. Für die Einziehung dieser Beiträge und ihre Einzahlung in einen Krankenversicherungsfonds ist die Steuerbehörde verantwortlich. Die einkommensabhängigen Beiträge werden – über die gesamte Bevölkerung gerechnet – etwa 50 Prozent der gesamten Beitragslast abdecken.

Staatliche Beiträge

Die oben genannte generelle Beitragsfreiheit für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wird durch staatliche Einzahlungen in den Krankenversicherungsfonds kompensiert.

Risikoausgleich

Die Einnahmen der Versicherungsgesellschaften bestehen aus den Pauschalbeiträgen ihrer Versicherten und aus den Risikoausgleichszahlungen, die sie je nach Risikoprofil ihrer Versicherten aus dem Krankenversicherungsfonds erhalten. Ohne ein gut funktionierendes Risikoausgleichssystem wäre eine Kontrahierungspflicht nicht realisierbar, denn die Versicherer haben dadurch keinen Einfluss darauf, wen sie aufnehmen und wen nicht. Bei überproportional vielen „schlechten Risiken“ könnten sich dann erhebliche finanzielle Probleme ergeben. Um das zu verhindern und ein „Level Playing Field“ für die Versicherer zu schaffen, ist ein Risikoausgleichssystem mit klaren und für alle Versicherer identischen Kriterien unverzichtbar.

Beitragsrückzahlung

Versicherte ab 18 Jahren, die in einem Kalenderjahr keine oder nur wenige medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, haben Anrecht auf eine Beitragsrückzahlung. Das ist dann der Fall, wenn der Wert der versicherten Leistungen, die in dem betreffenden Kalenderjahr in Anspruch genommen worden sind, einen vorab festgesetzten Höchstbetrag nicht übersteigt (2006: 255 Euro). Dem Versicherten wird dann die Differenz zwischen dem Wert der in Anspruch genommenen Leistungen und diesem Höchstbetrag erstattet.

Gesundheitszuschuss

Mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes wird für alle Versicherten ein einheitliches Beitragssystem geschaffen. Die Beiträge bestehen wie gesagt aus einem einkommensabhängigen Teil, der von der Steuerbehörde eingezogen wird, und einem pauschalen Teil, der direkt an die Versicherer zu zahlen ist. Um sicherzustellen, dass durch die Krankenversicherung niemand finanziell überfordert wird, wurde ein Gesundheitszuschuss eingeführt. Die Höhe dieses Zuschusses richtet sich nach dem Einkommen der Versicherten. Kompensiert wird damit der Teil der Pauschalbeiträge, der eine als zumutbar festgesetzte Grenze übersteigt. Damit Bürger auch wirklich die Angebote verschiedener Versicherer miteinander vergleichen, werden bei der Berechnung der Höhe des Gesundheitszuschusses nicht die tatsächlich gezahlten Versicherungsbeiträge zugrunde gelegt, sondern der durchschnittliche Betrag der Pauschalbeiträge auf dem Markt. Für die Auszahlung der Zuschüsse ist eine neue, der Steuerbehörde angegliederte Stelle zuständig. Die für einen Zuschuss infrage kommenden Bürger müssen jährlich einen Antrag stellen, in dem sie ihr eigenes Einkommen und das ihres Partners für das kommende Jahr schätzen. Auf dieser Grundlage erhalten sie dann jeden Monat (vom Staat) einen Zuschuss.

Langfristige Versorgung

1968 trat das sogenannte Allgemeine Gesetz Besondere Krankheitskosten (AWBZ) in Kraft. Es sah eine Pflichtversicherung für alle Einwohner der Niederlande gegen schwerwiegende medizinische Risiken vor, die für den Einzelnen als unversicherbar galten. Zu denken ist hier an Aufenthalte in einer Einrichtung für Behinderte oder in einem Pflegeheim oder aber an sehr lange Krankenhausaufenthalte. Diese Versicherung wird auch nach dem 1. Januar 2006 bis auf weiteres neben der neuen Krankenversicherung fortbestehen.

Literatur

  • Geert Jan Hamilton: Die Niederländische Gesundheitsreform 2006 - ein Modell für Deutschland? In: Recht und Politik im Gesundheitswesen. 12, Heft 1, 2006, S. 3-13.

Weblinks

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