- Logisch-historische Methode
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Eine logisch-historische Methode hat in der lange Zeit maßgeblichen, bis auf Friedrich Engels zurückgehenden Interpretation Karl Marx für die Darstellung seiner Kritik der politischen Ökonomie gewählt, indem er die ökonomischen Kategorien Ware, einfache, entfaltete, allgemeine Wertform, Geld und Kapital in einer logischen Reihenfolge entwickelt, welche in abstrakter Form die historische Entstehung dieser Kategorien widerspiegele. So schreibt Engels 1859 in seiner Rezension zu Karl Marx Schrift "Zur Kritik der Politischen Ökonomie":
„Die Kritik der Ökonomie, selbst nach gewonnener Methode, konnte noch auf zweierlei Weise angelegt werden: historisch oder logisch. Da in der Geschichte, wie in ihrer literarischen Abspiegelung, die Entwicklung im ganzen und großen auch von den einfachsten zu den komplizierteren Verhältnissen fortgeht, so gab die literargeschichtliche Entwicklung der politischen Ökonomie einen natürlichen Leitfaden, an den die Kritik anknüpfen konnte, und im ganzen und großen würden die ökonomischen Kategorien dabei in derselben Reihenfolge erscheinen wie in der logischen Entwicklung. Diese Form hat scheinbar den Vorzug größerer Klarheit, da ja die wirkliche Entwicklung verfolgt wird, in der Tat aber würde sie dadurch höchstens populärer werden. Die Geschichte geht oft sprungweise und im Zickzack und müßte hierbei überall verfolgt werden, wodurch nicht nur viel Material von geringer Wichtigkeit aufgenommen, sondern auch der Gedankengang oft unterbrochen werden müßte; zudem ließe sich die Geschichte der Ökonomie nicht schreiben ohne die der bürgerlichen Gesellschaft, und damit würde die Arbeit unendlich, da alle Vorarbeiten fehlen. Die logische Behandlungsweise war also allein am Platz. Diese aber ist in der Tat nichts andres als die historische, nur entkleidet der historischen Form und der störenden Zufälligkeiten. Womit diese Geschichte anfängt, damit muß der Gedankengang ebenfalls anfangen, und sein weiterer Fortgang wird nichts sein als das Spiegelbild, in abstrakter und theoretisch konsequenter Form, des historischen Verlaufs; ein korrigiertes Spiegelbild, aber korrigiert nach Gesetzen, die der wirkliche geschichtliche Verlauf selbst an die Hand gibt, indem jedes Moment auf dem Entwicklungspunkt seiner vollen Reife, seiner Klassiziät betrachtet werden kann.“[1]
Engels zog daraus den Schluss, dass vor dem Kapitalismus eine einfache Warenproduktion betrieben wurde. So schreib er 1895 in seinem Nachtrag zum dritten Buch des Kapital:
„Mit einem Wort: das Marxsche Wertgesetz gilt allgemein, soweit überhaupt ökonomische Gesetze gelten, für die ganze Periode der einfachen Warenproduktion, also bis zur Zeit, wo diese durch den Eintritt der kapitalistischen Produktionsform eine Modifikation erfährt.“[2]
Diese Interpretation von Marx' Werk war lange Zeit sowohl im orthodoxen Marxismus, dem Marxismus-Leninismus als auch dem westlichen Marxismus unumstritten. Abgesehen von einzelnen Vorläufern wie dem Ökonomen Isaak Iljitsch Rubin geht erst die Neue Marx-Lektüre seit den 1970er Jahren davon aus, dass Marx nicht logisch-historisch die Entwicklung des Kapitalismus, sondern logisch-systematisch (auch schlicht kurz: logisch) die gegenwärtige Produktion und Reproduktion des Kapitalismus auf bereits entwickelter kapitalistischer Grundlage dargestellt hat.
Einzelnachweise
- ↑ MEW, Bd. 14, S.474-475
- ↑ MEW, Bd. 25, S. 909
Literatur
- Klaus Holzkamp: Die historische Methode des wissenschaftlichen Sozialismus und ihre Verkennung durch J. Bischoff, in: Das Argument 84, 16. Jg., 1974, H. 1/2
- Heinz Dieter Kittsteiner: „Logisch" und „Historisch". Über Differenzen des Marxschen und Engelsschen Systems der Wissenschaft (47 Seiten pdf-download), in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 13. Jg., 1977, S. 1-47
- Ingo Elbe: Marx vs. Engels – Werttheorie und Sozialismuskonzeption, 2001
- Wolfgang Fritz Haug: Historisches/Logisches (19 Seiten pdf), in: Das Argument 251, 45. Jg., 2003, S. 378-396
- Michael Krätke: Das Marx-Engels-Problem. Warum Engels das Marxsche „Kapital“ nicht verfälscht hat, in: Marx-Engels-Jahrbuch 2006, Berlin 2007, S. 142–170
- dazu Ingo Elbe: Die Beharrlichkeit des ,Engelsismus‘. Bemerkungen zum „Marx-Engels-Problem“ (14 Seiten pdf-download), Marx-Engels-Jahrbuch 2007, Berlin 2008, S. 92–105
- Dieter Wolf: Zur Methode in Marx’ „Kapital“ unter besonderer Berücksichtigung ihres logisch-systematischen Charakters. Zum Methodenstreit zwischen Wolfgang Fritz Haug und Michael Heinrich (pdf), in: Ingo Elbe, Tobias Reichardt, Dieter Wolf: Gesellschaftliche Praxis und ihre wissenschaftliche Darstellung. Beiträge zur Kapital-Diskussion, Wissenschaftliche Mitteilungen. Heft 6. Argument Verlag, Hamburg 2008. ISBN 978-3-88619-655-5 Hrsg.: Carl-Erich Vollgraf, Richard Sperl und Rolf Hecker.
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