Vermisstenfall Madeleine McCann

Vermisstenfall Madeleine McCann
Plakat mit dem Bild von Madeleine McCann

Das Verschwinden von Madeleine Beth McCann, einem britischen Mädchen (* 12. Mai 2003 in Leicester), am 3. Mai 2007 im portugiesischen Praia da Luz ist ein ungelöster Kriminalfall.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Gerry und Kate McCann, ein in Rothley in der mittelenglischen Grafschaft Leicestershire ansässiges Ärzte-Ehepaar, waren mit ihrer dreijährigen Tochter Madeleine und ihren zweijährigen Zwillingen im Urlaub in der portugiesischen Region Algarve. Die beiden 39-Jährigen wohnten dort mit ihren Kindern in der Ferienanlage „Ocean Club“ in Praia da Luz.

Am Abend des 3. Mai 2007 verschwand Madeleine aus dem Ferienappartement der Familie McCann und wird seitdem vermisst. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich die Eheleute McCann zusammen mit mehreren Freunden in einem nahegelegenen Restaurant auf. Nach ihren Angaben sahen sie alle 30 Minuten nach den Kindern, die in ihren Betten schliefen. Gegen 22 Uhr hätten sie das Verschwinden von Madeleine festgestellt und die Polizei informiert.

Suche und Ermittlungen

Nach Angaben von Polizeisprecher Guilhermino Encarnação habe die Suche bereits 15 Minuten nach der ersten Meldung begonnen. Die Behörden an den Flughäfen und Grenzübergängen nach Spanien wurden alarmiert. An der Suche nach dem Kind beteiligten sich auch die Feuerwehr und der Grenzschutz. Am nächsten Tag wurde die Suche auf einen Umkreis von 15 Kilometern ausgedehnt.

Am Tag nach dem Verschwinden des Kindes erschienen Fotos von Madeleine auf den Titelseiten vieler britischer Zeitungen. Als besonderes Merkmal des Kindes wurde ein Kolobom im rechten Auge herausgestellt. Der Fall wurde von internationalen Massenmedien aufgenommen. Die Berichterstattung ging von einer Entführung aus und spekulierte über die Motive. Seit der Vermisstenmeldung ermitteln die portugiesische sowie die englische Polizei in allen Richtungen. Auch Madeleines Eltern wurden von der portugiesischen Polizei zur Sache vernommen.[1] Die Eltern flogen am 9. September 2007 nach Großbritannien zurück.

Im Zuge der Ermittlungen wurden die Eltern des Kindes selbst für mehrere Monate zu Verdächtigen erklärt. „Was ihnen genau zur Last gelegt wird, ist bis heute nicht bekannt“, berichtete Spiegel Online.[2]

Am 3. November 2009, knapp zweieinhalb Jahre nach dem Verschwinden der damals Dreijährigen, veröffentlichte die britische Polizei neue Bilder mit dem vermuteten aktuellen Aussehen des Kindes.[3]

Medienkampagne

War die Medienkampagne in den ersten Tagen hauptsächlich durch einen Verwandten, John McCann, organisiert, schaltete sich schon kurz darauf die britische Regierung in den Fall ein. Die Regierung suchte schon im Mai 2007 einen „Campaign Manager“ für die Eltern.[4] Sheree Dodd, eine Regierungssprecherin, reiste nach Portugal.[5] Schließlich übernahm Clarence Mitchell im Regierungsauftrag den Fall. Er organisierte Termine mit Prominenten und Politikern. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, habe Clarence Mitchell sein Amt als Direktor im Regierungspresseamt aufgegeben, sagte er am 18. September 2007 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Eltern.[6] Mit der zweiten Medienoffensive, die mit Mitteln aus den durch Spenden zusammengekommenen Fonds finanziert werden soll, wollen die Eltern ihre Unschuld beweisen. Vordergründig soll jedoch mit Werbeanzeigen und Werbespots nach Madeleine gesucht werden, sagen die Eltern.[7]

Reaktionen auf die Medienkampagne

Im November 2007 veröffentlichte das Satiremagazin Titanic eine fingierte Werbeanzeige, in der es bekannte Haushaltsprodukte mit dem Gesicht von Madeleine zeigte.[8]

Wegen der aktiven Rolle der Regierung, die immer nur einseitig Partei für die Eltern nahm, wurde der Fall, nachdem die Eltern zu Verdächtigen erklärt wurden, auf vielen Internetseiten als „Maddiegate“ bezeichnet, unter anderem in Portugal.[9]

Appelle

Am Tag nach dem Verschwinden ihres Kindes wandten sich die Eltern, Gerry und Kate McCann, im britischen Fernsehen persönlich an die vermeintlichen Entführer. Bekannte Sportler wie die Fußballer Cristiano Ronaldo und David Beckham appellierten ebenfalls, die Fahndung zu unterstützen.

Als Katholiken waren Gerry und Kate McCann am 30. Mai 2007 unter den Ehrengästen der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Benedikt XVI. in Rom. Das Treffen hatte der Erzbischof von Westminster, Kardinal Cormac Murphy-O'Connor, vermittelt. Am Ende seiner Audienz sprach Benedikt XVI. mit den beiden. Das Oberhaupt der katholischen Kirche segnete die Eltern sowie ein Bild des verschwundenen Mädchens.[10]

Ausgesetzte Belohnung

Unter der Annahme, Madeleine sei entführt worden, wurden mehr als fünf Millionen Euro Belohnung ausgesetzt. Eine derart hohe Belohnung in einem vermuteten Entführungsfall ist niemals zuvor ausgelobt worden. Zu den Spendern gehören unter anderen die Unternehmer Richard Branson und Stephen Winyard, die Fußballspieler Wayne Rooney und David Beckham und die Schriftstellerin Joanne K. Rowling.

Entsprechend der außergewöhnlichen Medienpräsenz des Falles gingen bei den Behörden tausende Hinweise ein. Zu konkreten Erkenntnissen führte keiner dieser Hinweise. Zudem wandten sich Trittbrettfahrer an die Eltern und verlangten hohe Summen für vermeintliche Informationen über den Verbleib des vermissten Kindes.

Aus dem Umkreis der portugiesischen und englischen Polizei drangen regelmäßig Informationen über den Fortgang der Ermittlungen an die Medien durch.

Kritik an den Eltern und der Arbeit der Behörden

Der ehemalige Chefermittler des Falls, Gonçalo Amaral, veröffentlichte im Juli 2008 ein Buch mit dem Titel Maddie. A verdade da mentira („Maddie. Die Wahrheit der Lüge“, Titel der 2009 erschienenen deutschen Übersetzung: Maddie. Die Wahrheit über die Lüge), in dem er über seine Arbeit an dem Kriminalfall schreibt. Er war aus seinem Amt entlassen worden, nachdem er das ihm zu einseitig erscheinende Verhalten der britischen Regierung zugunsten der Eltern kritisiert hatte, und wollte nun der Öffentlichkeit seine Sicht des Falls zeigen. Gonçalo Amaral vermutet, Maddie sei bei einem tragischen Unfall gestorben und verdächtigt die Eltern, diesen zu vertuschen und die Leiche ihres Kindes versteckt zu haben. Beweise gab er nicht an, lediglich Indizien, wie dass britische Spürhunde Blut und Leichengeruch im Ferienapartment, im Leihwagen, an Maddies Plüschtier und an der Kleidung der Mutter entdeckt hatten. In Deutschland ist das Buch in der Deutschen Nationalbibliothek archiviert und unter dem Titel „Maddie - Die Wahrheit über die Lüge“ über zahlreiche Onlinebuchhändler erhältlich. Amazon verkauft das Buch nicht. Maddies Eltern ließen mit einer einstweiligen Verfügung den Verkauf des Buchs in Portugal im September 2009 verbieten und forderten Schadenersatz.[11] Im Oktober 2010 wurde die einstweilige Verfügung gegen Amarals Buch aufgehoben.

Ein 2011 erschienenes Buch der amerikanischen Profilerin Pat Brown, das sich ebenfalls kritisch mit dem Fall auseinandersetzte, wurde nach Intervention der von den Eltern des Mädchens beauftragten Anwaltskanzlei Carter-Ruck aus dem Programm von Amazon genommen und erschien im Folgenden bei Barnes & Noble und Smashwords.[12]

Literatur

Weblinks

Offizielle Website
Medienberichte (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Spiegel Online: Maddies Eltern lehnen Handel mit der Polizei ab, 8. September 2007
  2. Spiegel Online: „Sähe ich mütterlicher aus, wären die Leute verständnisvoller“, 17. Oktober 2007
  3. Maddie McCann Age Progression; Updated Images
  4. welt.de: Eltern von Madeleine suchen Trost beim Papst, 31. Mai 2007
  5. taz.de: Medienspektakel: Der Fall „Madeleine“, 11. September 2007
  6. stern.de: Der Fall Madeleine: Spin-Doctor verteidigt McCanns, 18. September 2007
  7. rundschau-online.de: Madeleines Eltern starten neue Kampagne, 18. September 2007
  8. Stern.de: Titanic-Magazin: Satire mit Madeleine, 1. November 2007
  9. welt.de: Maddies Eltern wollen ihren Namen reinwaschen, 8. September 2007
  10. Radio Vatikan: Vatikan: Segen für Eltern Madeleines, 30. Mai 2007
  11. sueddeutsche.de: "Die Wahrheit der Lüge", 12. Januar 2010
  12. Blogbeitrag von Pat Brown über ihr Buch am 30. Juli 2011. Abgerufen am 3. August 2011 (englisch).
  13. Maddies Mutter erzählt ihre Version des Grauens in: Spiegel Online vom 10. Mai 2011
  14. Maddie ist verschwunden, aber nicht vergessen. In: Tages-Anzeiger vom 21. September 2011

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