- Vermisste Person
-
Eine vermisste Person ist im allgemeinen Sprachgebrauch, jedoch nicht rechtlich, eine Person, die kraft besonderer Ereignisse wie Krieg, Vertreibung, Katastrophen, Unfällen oder aufgrund eines Verbrechens verschollen ist. Ihren rechtlichen Status regelt in Deutschland das Verschollenheitsgesetz (VerschG), in Österreich das Todeserklärungsgesetz. Man unterscheidet Kriegsvermisste und zivile Vermisste, wobei zu den Kriegsvermissten nur die Angehörigen von Streitkräften zählen, bei denen somit unbekannt ist, ob sie gefallen sind, versprengt oder gefangen genommen wurden.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Voraussetzung für einen Vermisstenfall im polizeilichen Sinn (Vermissung im polizeilichen Sprachgebrauch) sind bei der deutschen Polizei[1]:
- Hilflose Lage aufgrund einer Krankheit oder Behinderung
- Begründeter Verdacht auf ein mögliches Verbrechen oder Suizidalität
- Minderjährigkeit ohne Begleitung
Eine Meldung eines Vermisstenfalls – die Vermisstenanzeige – erfolgt bei der örtlich zuständigen Schutzpolizei, die umfangreiche Ermittlungen und Fahndungen mit Hilfe kriminalistischer Methoden anstellt. Die Maßnahmen umfassen also unter anderem
- Durchsuchung aller Wohnungen, in denen die Person gelebt hat
- Abgleich mit Daten, zum Beispiel Passagierlisten, Kreditkartenumsätze, Telefonverbindungen, Krankenhäuser, unbekannte Tote und eventuell über die Register der Botschaften
- Befragung der Personen im sozialen Umfeld
- Auswertung von Tagebüchern, Adressbüchern, Briefen, Computerdaten usw.
- Ortungen
- Absuche bestimmter Gebäude und Landstriche
- Personenfahndungen, z. B. Zielfahndung, Öffentlichkeitsfahndung, Funkrundsprüche
- Einsatz von Spürhunden
Die zuständige Organisationseinheit wird VUT („Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“) genannt.[1]
Diese Maßnahmen können unter Umständen die Rechtsnatur einer doppelfunktionalen Maßnahme aufweisen, das heißt sie zielen aufgrund ihrer Unbestimmtheit sowohl auf die Gefahrenabwehr als auch auf die Strafverfolgung ab.
Eine Vermissung kann unter anderem zum Schluss führen, dass die Person einer Straftat zum Opfer gefallen ist (z. B. Mord, Entführung), in Gefangenschaft ist, eine Straftat begangen hat und flüchtig ist, wohlauf ist (z. B. Aussteiger), eines natürlichen Todes gestorben ist oder verschollen ist. Ein weiterer Grund kann sein, dass die vermisste Person in kriegerischen Auseinandersetzungen gefallen ist.
Eine Vermisstenanzeige kann jedermann bei jeder Polizeidienststelle erstatten.
Zahlen
Täglich werden in Deutschland zwischen 150 und 250 Personen als vermisst gemeldet. 50% dieser Vermisstenfälle erledigen sich innerhalb einer Woche, 80% binnen eines Monats, 97% innerhalb eines Jahres. Die Personenfahndung wird nach 30 Jahren eingestellt. Im Jahr 2001 wurden insgesamt 14.658 Kinder unter 14 Jahren als vermisst gemeldet, im Jahr 2002 waren es 14.220.[2]
Im Juli 2007 wurden in Deutschland 6.400 Personen vermisst.[2]
Seit 6. Juni 1950 sind beim deutschen Bundeskriminalamt etwa 830 offene Vermisstenfälle von Personen unter 14 Jahren registriert. [2]
Das größte Ereignis in jüngster Zeit, aufgrund dessen auch mitteleuropäische Personen zu Vermissten wurden, war das Seebeben im Indischen Ozean 2004 mit den dadurch ausgelösten Tsunamis. Im Zusammenhang mit der Katastrophe wurden zeitweise über 1.000 deutsche Staatsangehörige vermisst, hauptsächlich Urlauber an den Küsten Thailands, Indiens und Sri Lankas. Noch ein Jahr später – nach der Identifikation von über 500 Leichen und dem Abgleichen der Vermisstenmeldungen – beläuft sich die Zahl der Vermissten auf 15 Personen (Dezember 2005).
Suche nach Vermissten
Adressbuch
Historische Adressbücher, aktuelle Telefonbücher sowie Personensuchmaschinen [3] [4] und Suchmaschinen geben erste Hinweise darauf, wie lange die vermisste Person noch aufgeführt war und im Internet oder in Publikationen erwähnt wurde.
Zweiter Weltkrieg
Während die Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges aus den Lagern der westlichen Alliierten relativ bald entlassen wurden und auch während der Gefangenschaft Kontakt mit ihren Angehörigen hatten, waren es vorwiegend Vermisste, die über viele Jahre in sowjetischer Gefangenschaft waren, von denen man nichts über ihren Verbleib wusste. So kamen viele Österreicher erst bei Abschluss des Staatsvertrages von der Gefangenschaft der UdSSR frei.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und eine Reihe von nationalen Gesellschaften der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung betreiben Suchdienste, die auch noch nach Jahrzehnten, speziell nach Öffnung verschiedener Archive, Erfolge bei der Klärung von Vermisstenschicksalen aufweisen können, wenn auch meist nur Todeszeitpunkte oder -orte. Nur selten werden auch nach Jahrzehnten noch Überlebende gefunden.
Beim Internationalen Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes gehen heute täglich bis zu zwanzig Suchanfragen ein, davon immer noch mehrere zu Vermissten aus dem Zweiten Weltkrieg. Aus diesem Krieg gelten noch heute 1,3 Millionen Schicksale als ungeklärt, obgleich durch die Öffnung sowjetischer Archive seit 1991 200.000 Fälle geklärt werden konnten und auch heute noch am Tag drei bis vier Angehörige kriegsbedingter Trennung wieder zusammengeführt werden. Es wird mit einer Million endgültig unklärbarer Schicksale des Zweiten Weltkrieges gerechnet.
Auskünfte über Vermisste und Grablagen von Gefallenen gibt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. in 34112 Kassel in seiner online Gräberdatei. [5]. Suchanzeigen nach Vermissten der Kriege bzw. Rückmeldungen von Zeitzeugen sind aufgeführt unter Mitmachaktion letzte Hoffnung. [6].
Die Klärung speziell von Kriegsvermisstenschicksalen des Zweiten Weltkrieges ist eine der Aufgaben der Deutschen Dienststelle (WASt) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht.
Im Bundesarchiv-Militärarchiv in 79115 Freiburg, [7] werden Kurzauskünfte gegeben und sind eigene Recherchen im Lesesaal möglich. In den Kriegstagebüchern der Einheiten sind Verlust- und Vermisstenmeldungen enthalten. (Militärkarten > Einheiten > Kriegstagebücher der Einheiten).
Spätere Kriege
Aus den Jugoslawienkriegen gibt es heute 21.000 Vermisste.
Erbenermittlung
Die professionellen Erbenermittler kümmern sich um Nachlässe, für die sich keine Erben melden. [8] Sie bekommen 20 bis 30% des Nachlasswertes als Honorar, sofern sie die noch lebenden Erben auffinden und das Erbe ausgezahlt wird. [9]
Identifizierung von Leichen zur Klärung von Vermissten-Schicksalen
Früher war das sichere Identifizieren von Kriegs- und Katastrophenopfern nicht leicht möglich. Bei Soldaten geschah dies oft nur durch die Kennmarke, die die Soldaten immer tragen mussten und auf der Namen und Personalkennziffer eingestanzt waren. Diese Marken sind auch heute bei vielen Militärs üblich. So konnten Leichen auch viele Jahre nach ihrem Tod durch Vergleich mit den vorhandenen Karteien noch identifiziert werden. Eine weitere Möglichkeit ist ein auch im zivilen Bereich verwendetes System, das auf der Untersuchung von Gebissen (Zahnstatus) beruht. Heute wird weitgehend ein DNA-Abgleich durchgeführt.
In Deutschland ist jede Person, die den Betroffenen gekannt hat, als Zeuge verpflichtet, an einer Leichenidentifizierung mitzuwirken (§ 88 StPO iVm §§ 48 ff StPO).
Rechtsfolgen
Neben den psychischen Folgen bei den Angehörigen Vermisster treten auch oftmals rechtliche Schwierigkeiten auf, die sich über Jahre hinziehen können und auch existenzgefährdend für die Hinterbliebenen sein können. Bis zu einer Todeserklärung können Pensionszahlungen verweigert werden. Auch Erbschaften können oft nicht abgewickelt werden. In Deutschland regelt dies das Verschollenheitsgesetz.
Aber auch bei Wiederauffinden Vermisster nach einer Todeserklärung kann es zu Rückforderungen von Erbschaften kommen. Speziell nach dem Krieg tauchten Vermisste zu einem Zeitpunkt auf, als die vermeintliche Witwe bereits wieder verheiratet war.
Missing in Action
Missing in Action (MIA) ist im angloamerikanischen Sprachgebrauch die Statusbezeichnung für einen Soldaten, der wahrscheinlich im Kampf gefallen ist oder vermisst wird, über dessen Verbleib jedoch keine weiteren Informationen bekannt sind.
Die Abkürzung „MIA“ findet neben den Abkürzungen „WIA“ (Wounded in Action), „POW“ (Prisoner of War; Kriegsgefangener) und „KIA“ (Killed in Action) häufig in Verlustlisten angloamerikanischer Streitkräfte Verwendung.
Auch die Einsatzkräfte des New York City Fire Department und des New York City Police Department, die während der Rettungseinsätze nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 im World Trade Center umkamen, werden mit "Missing in Action" bezeichnet.
Literatur
- Peter Jamin: Vermisst – und manchmal Mord. Über Menschen, die verschwinden und jene, die sie suchen. Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 2007. ISBN 978-3-8011-0538-9 [10]
Weblinks
- Bundeskriminalamt: Die polizeiliche Bearbeitung von Vermisstenfällen Wiesbaden 2003 (PDF; 614 kB)
Einzelnachweise
- ↑ a b Polizeidienstvorschrift 389 („Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“)
- ↑ a b c Bundeskriminalamt: Die polizeiliche Bearbeitung von Vermißtenfällen, S. 7 Ziff. 5, Wiesbaden, 2003 (PDF)
- ↑ Quelle: Rechenzentrum der Universität Hannover
- ↑ Quelle: Personensuchmaschine Bing
- ↑ Vermissten- und Gräberdatei des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
- ↑ Suchmeldungen nach Vermissten beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
- ↑ Miltärarchiv in Freiburg
- ↑ Quelle: Tätigkeitsfeld professioneller Erbermittler
- ↑ Quelle: Honorarforderungen von Erbenermittlern
- ↑ Buchvorstellung von Peter Jamin
Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!
Wikimedia Foundation.