- Maltschik
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Maltschik (russisch Мальчик, zu deutsch „Junge“, „Bursche“; * um 1996, † Ende Dezember 2001[1]) war ein schwarz-gelber Mischlingsrüde, der mehrere Jahre lang in Moskau in der Nähe eines U-Bahnhofs lebte, bis er von einer geisteskranken Passantin getötet wurde. Der Fall erregte in der Moskauer Öffentlichkeit durch Zeitungspublikationen viel Aufsehen, was einige Jahre später dazu führte, dass dem Straßenhund ein Denkmal gesetzt wurde. Die stilisierte bronzene Skulptur von Maltschik steht seit 2007 in der Schalterhalle der U-Bahn-Station Mendelejewskaja, an der er gelebt hatte.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Maltschik gehörte zu den mehreren zehntausend Straßenhunden, die auf den Straßen Moskaus und in öffentlichen Gebäuden wie U-Bahnhöfen leben.[2] Er kam etwa 1996 als Welpe an den U-Bahnhof Mendelejewskaja, als die Stationsvorsteherin ihn von einem Besucher geschenkt bekommen hatte.[3] Seitdem lebte er am Eingang des U-Bahnhofs und hielt sich vorwiegend in der zum Bahnhof führenden Fußgängerunterführung sowie im Eingangsbereich der Station auf. In den rund fünf Jahren seines Lebens an der Mendelejewskaja wurde Maltschik ein Liebling der Anwohner, des U-Bahn-Personals und der Verkäuferinnen an angrenzenden Kiosken. Dies ließ sich unter anderem dadurch erklären, dass Maltschik als ein überaus friedlicher und zugeneigter Hund galt, der von Menschen gerne Futter entgegennahm und sich streicheln ließ. Außerdem verteidigte er die Unterführung als sein Revier und bewachte sie vor anderen herrenlosen Hunden, was Händler und Anwohner ebenfalls zu schätzen wussten.
Der Vorfall, der zum gewaltsamen Tod von Maltschik geführt hat, wurde von Augenzeugen wie folgt beschrieben: Am Sonntagabend kurz vor dem Jahreswechsel 2001/02 verließ Juliana Romanowa, ein 21-jähriges gescheitertes Fotomodel aus Pskow, den U-Bahnhof in Richtung Straße und ging dabei mit ihrem eigenen Hund, einem Staffordshire Bullterrier, durch die Unterführung. Dabei wurde Romanowas Bullterrier von Maltschik angebellt. Anstatt mit ihrem Hund weiterzugehen, ließ ihn Romanowa – für alle Augenzeugen völlig unerwartet – offenbar in voller Absicht von der Leine los und hetzte ihn auf Maltschik. Daraufhin kam es zu einem erbitterten Kampf zwischen den beiden Hunden. Währenddessen holte Romanowa ein Küchenmesser aus dem Rucksack, ging damit auf Maltschik los und erstach ihn vor den Augen zahlreicher vor Entsetzen erstarrter Passanten mit sechs Stichen in den Brust-, Bauch-, Rücken- und Halsbereich. Als ein den Vorfall beobachtender Kioskbesitzer versuchte, Romanowa und den Bullterrier von Maltschik abzubringen, bedrohte sie ihn ebenfalls mit dem Messer.[4] Zu diesem Moment war der Hund bereits so schlimm zugerichtet worden, dass er kurz darauf seinen Verletzungen erlag.
Nachdem einige der Augenzeugen die U-Bahnpolizei alarmierten, wurde Romanowa vorläufig festgenommen und in der Wache verhört, später jedoch wegen der angeblich minderen Schwere des Delikts zunächst freigelassen. Dies sorgte für Unmut bei Anliegern der U-Bahn-Station, von denen sich viele über den Verlust ihres Lieblings und die zunächst unerklärliche Aggressivität Romanowas tief bestürzt zeigten. Per Zufall erhielt eine in der Umgebung wohnende Journalistin der Tageszeitung Iswestija Kenntnis von dem Vorfall. Rund zwei Wochen später veröffentlichte sie in der Zeitung einen ausführlichen Bericht hierüber,[1] der auch auf die bis dato unzureichenden Tierschutzbestimmungen in der russischen Gesetzgebung einging. Nach der Veröffentlichung dieses Artikels sorgte der Fall in der ganzen Stadt für Aufruhr; weitere Berichte folgten in den nachfolgenden Wochen. Journalistische Recherchen ergaben hierbei unter anderem, dass Juliana Romanowa offenbar noch als Kind und als Heranwachsende gerne herrenlose, aber auch eigene Hunde gequält hatte, indem sie sie vergiftete, mit eisernen Stöcken schlug, aus dem Fenster warf oder ihnen die Augen ausstach.[5][6][4] Nach einer ganzen Reihe von Berichten in der Iswestija fand der Fall bereits so viel öffentliche Resonanz wie kein anderer vergleichbarer Fall zuvor. Wenig später wurden gegen Romanowa, die zunächst praktisch ungestraft davonzukommen schien, auf öffentlichen Druck hin Ermittlungen wegen Tierquälerei aufgenommen. Eine im Februar 2003 durchgeführte psychiatrische Untersuchung ergab, dass Romanowa zum Tatzeitpunkt an paranoider Schizophrenie gelitten habe und damit unzurechnungsfähig gewesen sei.[4] Daraufhin wurde sie zur Zwangsbehandlung in eine psychiatrische Klinik in Pskow eingewiesen, aus der sie nach rund einem Jahr entlassen wurde.
Das Denkmal
Die ausgiebige Berichterstattung im Fall Maltschik rief auch Tierschützer auf den Plan und brachte eine öffentliche Debatte hinsichtlich der Verschärfung der entsprechenden Gesetze in Russland in Gang. In diesem Zusammenhang schlugen die im Fall Maltschik berichterstattende Iswestija-Journalistin Irina Osjornaja sowie einige sich für den Tierschutz einsetzende bekannte Künstler vor, in der Moskauer Metro ein Denkmal für Maltschik aufzustellen und damit auch ein Zeichen gegen die nicht selten vorkommende Missachtung elementarer Tierrechte zu setzen. Nachdem die Idee auf Zustimmung bei der Metro-Verwaltung stieß, wurde eine Paten-Initiative gegründet, die sich mit dem Sammeln von Spenden zur Erschaffung des Denkmals und mit der Öffentlichkeitsarbeit im Zuge dessen beschäftigte. Der Initiative gehörte eine Reihe bekannter Künstler und Kulturschaffenden an, darunter die Autoren Bella Achmadulina, Andrei Bitow, Fasil Iskander, Jewgeni Jewtuschenko und Anatoli Kim, die Schauspieler Armen Dschigarchanjan, Ljubow Polischtschuk und Konstantin Raikin, die Rockmusiker Andrei Makarewitsch (Maschina Wremeni) und Juri Schewtschuk (DDT) sowie der Menschenrechtsaktivist Stanislaw Markelow.
Nachdem genügend Spendengelder zusammengekommen waren, wurde die Skulptur 2004 fertiggestellt, blieb jedoch zunächst in der Werkstatt stehen, da es Unstimmigkeiten bezüglich des genauen Standortes gab. Die Mitglieder der Paten-Initiative hatten darauf bestanden, das Denkmal genau am Ort der Tötung Maltschiks aufzustellen, nämlich in der Unterführung am Eingang der Metrostation Mendelejewskaja. Dies wurde jedoch von der Metro-Verwaltung abgelehnt, da die Skulptur dort die erheblichen Fahrgastströme im Berufsverkehr hätte behindern können.[7] Schließlich wählte man die unmittelbar an jene Unterführung angrenzende Schalterhalle des U-Bahnhofs als Standort. Dort, genauer in der Mitte der Halle, wurde das Denkmal am 17. Februar 2007 feierlich enthüllt. Das Datum wurde symbolisch gewählt, da genau an diesem Tag nach dem chinesischen Kalender das Jahr des Hundes endete.[8]
Die nur etwa einen halben Meter hohe Komposition besteht aus einem rechteckigen grau-grünen Serpentinit-Sockel, auf dem die aus Bronze gegossene Skulptur aufgestellt ist. Diese stellt einen auf einem Tuch sitzenden Hund dar, der sich mit seiner rechten Hinterpfote am Ohr kratzt, als würde er gerade Flöhe austreiben. Dies spielt zusammen mit der abgemagerten Statur des dargestellten Hundes (was freilich laut Zeugenaussagen nicht dem Original getreu ist, da Maltschik in etwa so groß wie ein ausgewachsener Schäferhund gewesen sein soll)[1] auf die Verwahrlosung an, der Straßenhunde oft ausgesetzt sind. Die Ausrichtung des Kopfes und der Schnauze des Hundes nach oben erweckt zudem den Eindruck, als ob der Hund den Betrachter ergeben und demütig von unten nach oben anschaut, womit sowohl die von Augenzeugen beschriebene Zugewandtheit Maltschiks als auch die allgemeine Hilflosigkeit der Haustiere gegenüber den Menschen (und die daraus resultierende Verantwortung letzterer im Umgang mit Tieren) zum Ausdruck gebracht werden.[9]
Entlang drei Seiten des Sockels findet sich der folgende Schriftzug: „Mitgefühl. Dem humanen Umgang mit heimlosen Tieren gewidmet“. Darüber hinaus sind in den Sockel die Namen der Autoren der Skulptur eingemeißelt. Es sind der Bildhauer Alexander Zigal, der Maler Sergei Zigal und der Architekt Andrei Nalitsch; als Designer wirkte ferner dessen Sohn Pjotr Nalitsch mit, der später als Komponist und Popsänger bekannt wurde.
Inzwischen gilt das Denkmal für Maltschik als ein Wahrzeichen des U-Bahnhofs Mendelejewskaja und ist eine kleine Besucherattraktion.[10]
Einzelnachweise
- ↑ a b c Убили Мальчика, in: Iswestija, 14. Januar 2002
- ↑ Moscow's stray dogs, in: Financial Times, 16. Januar 2010
- ↑ karta-metro.ru
- ↑ a b c «Ну, подумаешь, собачку ножом пырнула!», in: Iswestija, 18. Februar 2003
- ↑ Мальчик вернется, in: Rossijskaja Gaseta, 4. Oktober 2003
- ↑ Фотомодель-убийца собаки мечтала о работе в милиции, in: regnum.ru, 10. November 2005
- ↑ Место памятника собаке на станции метро «Менделеевская» должно быть согласовано в недельный срок, in: regnum.ru, 8. Dezember 2006
- ↑ Moscow’s memorable monuments, in: The Moscow News, 21. November 2008
- ↑ Moskauer Künstlerbund: Beschreibung und Analyse des Denkmals „Mitgefühl“
- ↑ Первый в мире памятник бездомным животным удостоился первой награды, in: Uralpress.ru, 12. März 2007
Weblinks
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