Steinmetzkunst auf Gotland

Steinmetzkunst auf Gotland
Taufbecken von Sighraf in der Kirche von Bro
Taufbecken von Sighraf in der Kirche von Lau
Taufbecken in der Kirche von Hamra von Meister Semi-Byzantios

Die mittelalterliche Steinmetzkunst auf Gotland wird durch die auch als „Meister von Gotland“ bekannt gewordenen Künstler repräsentiert. Sie begannen ihr Wirken mehrheitlich nach Abschluss der Bauten am Dom zu Lund im Jahre 1145. Die Kunstwerke an und in den Kirchen der Insel sind größtenteils von unbekannten Künstlern geschaffen worden. Ihre Werke gelangten aber auch ins Ausland. Zwei der Steinbildhauer sind namentlich überliefert, Hegwald und Sighraf. Beide schufen vor allem Taufsteine aus gotländischem Kalkstein und Sandstein.

Inhaltsverzeichnis

Taufsteine

Hegwald

Hegwald scheint zu den frühen Steinmetzen zu gehören, die auf der Insel arbeiteten, aber nicht von hier stammten. Er war bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts tätig und entwickelte einen sehr ausdrucksstarken Stil, der sich gegen die strenge Klassik des reinen Reliefstils richtete, wie er von jenen Steinmetzen vertreten wurde, die der Erforscher der gotländischen Kirchenkunst, der Kunsthistoriker Johnny Roosval (1879–1965), unter den Namen „Byzantios“ und „Semi-Byzantios“ zusammenfasst.

Die Einflüsse der Byzantinischen Kirche auf Gotland sind während des nordischen Mittelalters, das 1050 n. Chr. begann, besonders deutlich. Die Kirchenkunst Gotlands unterschied sich bis Mitte des 13. Jahrhunderts von der der übrigen Ostseeanrainer, einschließlich der Schwedens. Unter den Utensilien des 11. und 12. Jahrhunderts sind es insbesondere die Kreuzanhäger und Enkolpien, die byzantinischen Mustern folgen. Zum Einfluss der russisch-byzantinischen Kunst auf Gotland muss man wissen, dass es in jener Zeit rege Handelsverbindungen zwischen Gotland und dem Kiewer Reich, ja sogar nach Byzanz gab. Auch in Schweden ist 2005 anhand der Liljestenar eine Diskussion darüber in Gang gekommen, ob Schweden nicht bis zum Bruch zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche, im Jahre 1054, unter östlichem Kircheneinfluss stand. Auch die "Stavkorshällar" in einigen gotländischen Kirchen weisen in diese Richtung.

Siehe *Liliensteine schwed.

Typisch für Hegwald ist die Kombination altnordischer und christlicher Stoffe in romanischer Form. Eine Arbeit, in der sein eigentümlicher Stil gut zum Ausdruck kommt, steht in der Kirche von Vänge. Der Taufstein zeigt ausführliche Darstellungen der Schöpfungsgeschichte und des Sündenfalls. Von seiner Kunst zeugen noch acht weitere erhaltene Taufsteine in den Kirchen von Endre, Etelhem, Ganthem, Halla, När, Sjonhem, Stånga und Viklau (alle auf Gotland).

Hegwalds Namenszug in lateinischen Majuskeln entdeckte Roosval auf einem Taufstein der Kirche von Etelhem. Anders als bei der Signatur Sighrafs ist allerdings nicht sicher, ob es sich um den Namen des Meisters oder um den des Stifters des Steines handelt. Dessen ungeachtet etablierte er sich als Name des Steinmetzen in der kunstgeschichtlichen Literatur.

Sighraf

Taufbecken von Sighraf in der Kirche von Eke
Taufbecken von Byzantios in der Kirche von Garde
Taufbecken von Majestatis in der Kirche von Stenkyrka

Sighraf[1] (oder Sighrafr[2]) war ein Schüler des Byzantios. Er arbeitete zwischen 1170 und 1215. Seine Formensprache, die mitunter orientalisch anmutet, ist verhaltener als diejenige des eher „derben“ Hegwald. Seine Werkstatt lag im Süden der Insel. Sein Lieblingsmotiv sind die Heiligen Drei Könige. Taufsteine von ihm oder aus seiner Werkstatt waren in der Regel aus Sandstein gehauen. Sie sind im gesamten Ostseeraum bis nach Norddeutschland verbreitet. Bisher wurden 24 identifiziert, davon nur sechs auf Gotland. Seinen Namen kennen wir aufgrund einer Runeninschrift auf einem Taufstein in der Kirche von Åkirkeby auf Bornholm. Dieser Taufstein bildet die Grundlage für die Bestimmung der Werke Sighrafs. Seine Kunst zeigt sich am besten am Taufstein der Kirche von Grötlingbo.

Außer den beiden namentlich bekannten Künstlern gab es solche, die von Roosval nach ihrer Formensprache oder ihren Lieblingsmotiven benannt wurden.

Byzantios

Byzantios war bereits um 1150 n. Chr. tätig und schuf Kunstwerke im byzantinischen Stil mit dämonischen Fabelwesen und ornamentalen Pflanzenmotiven. Seine Werke, wie das Taufbecken in der Kirche von Garde, erinnern an Reliefs orthodoxer Kirchen in Russland.

Majestatis

Majestatis wirkte um 1160 n. Chr. Sein Schaffen zeigen die Taufsteine der Kirchen von Ekeby, Gerum, Lokrume, Stenkyrka, Vall und Väskinde. Den Namen erhielt er, weil bei ihm das Majestatis-Domini-Motiv (Christus als Weltenrichter in der Mandorla) im Vordergrund steht. An den Füßen seiner Taufsteine finden sich dämonische Ungeheuer, ähnlich denen Hegwalds, an der Cuppa des Taufsteins jedoch klar und scharf gemeißelte Figuren unter schematischen Arkadenbögen. Die majestätische Haltung der sowohl im Profil als auch dem Betrachter zugewandten Figuren, ist ebenfalls der byzantinischen Formensprache verpflichtet.

Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden nur noch bildlose Taufsteine in Kelchform mit so genannten Muschelcuppa. Ein solches Beispiel findet sich in der Kirche von Martebo. Hierin zeigt sich der normierende Einfluss der Zisterzienser (Kloster Roma) und der Dominikaner und Franziskaner, die sich zu jener Zeit auf der Insel etablierten.

Portale und Skulpturen

Steinerne Reliquienkiste aus der Werkstatt Sighraf an der Kirche von Lye
Westportal der Kirche von Dalhem aus der Bauhütte des Egypticus

Zu den kunstgeschichtlich bedeutenden Relikten mittelalterlicher gotländischer Kunst gehören die Portale der Landkirchen. Sie reichen von einfachen, nur durch die Formgebung beeindruckenden Portalen in romanischem Stil bis hin zu reich skulpierten, mit phantasievollem Schmuck versehenen im gotischem Stil. Hier treten drei Künstler hervor, die nach ihrer Motiven benannt wurden, da ihre Namen nicht überliefert sind.

Neoikonicus

Neoikonicus, der um 1300 eine Reihe figürlicher Kapitellbänder schuf (z. B. in den Kirchen von Bro, Källunge und Kräklingbo).

Egypticus

Egypticus war Mitte des 14. Jahrhunderts tätig und erscheint auch als Baumeister einiger mächtiger Galerietürme. Ihm wird eine Reihe stattlicher Portale zugeschrieben. Seine schönsten sind wohl die Portalplastiken an der Kirche von Stånga, die ägyptisch anmuten. Das gilt besonders für seine Riesenfratzen (an der Kirche von Grötlingbo) und seine plastischen Darstellungsweise. Die Werkstatt des Egypticus war sicher die größte auf Gotland. Die Werke wurden nach Mustern geschaffen, die in jeder Werkstatt Allgemeingut waren. Hierdurch erklärt sich die erstaunliche Ähnlichkeit der Kapitellfriese und Skulpturen dieser Zeit.

Fabulator

Fabulator schuf Ende des 13. Jahrhunderts faszinierende Szenerien aus volksnahen, naiven biblischen Motiven. Sehr schön ist sein Portal der Kirche von Gammelgarn mit der Schöpfungsgeschichte von Adam bis Noah. Besonders hervorzuheben sind seine Portalreliefs an der Kirche von Martebo, die zu den besten hochgotischen Steinmetzarbeiten Gotlands gehören und sehr gut erhalten sind.

Weitere

Überliefert sind auch Namen bzw. Arbeiten von Meistern wie "Calcarius" oder "Globus".[3]

Siehe auch

Literatur

  • Jürgen Beyer: Den så kallade stenmästargravstenen från 1570-talet i Vamlingbo kyrka på Gotland. Text, tolkning och bakgrund [Der sog. Steinmetzgrabstein aus den 1570er Jahren in der Kirche von Vamlingbo auf Gotland. Text, Deutung und Hintergrund]. In: Fornvännen. Journal of Swedish antiquarian research 106 (2011), S. 113-126 (schwed., mit engl. Zusammenfassung)
  • Ulrich Quack: Gotland: die größte Insel der Ostsee; eine schwedische Provinz von besonderem Reiz; Kultur, Geschichte, Landschaft. DuMont, Köln 1991, ISBN 3-7701-2415-4
  • Ernst Rieber: Gotland in Geschichte und Kunst. Ludwigsburg 1974, Heft 3

Einzelnachweise

  1. The Discovery of Sighraf
  2. Riksantikvarieämbetet, Informationsavdelningen, Bebyggelseregistret: Grötlingbo kyrka
  3. J. Roosvall: Globus. En gotländsk stenmästare verksam omkr. 1160–80. In: Gotländskt arkiv, 1942

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