Mosaiktheorie

Mosaiktheorie

Nach der Mosaiktheorie des Bundesgerichtshofs wird in der Rechtsprechung beurteilt, ob ein Zeuge in einem Strafprozess ein Auskunftsverweigerungsrecht geltend machen kann.

Der Bundesgerichtshof hatte in einer wegweisenden Entscheidung (5 I BGs 286/87) vom 6. Februar 2002 einem Zeugen eine Auskunftsverweigerung nach § 55 Strafprozessordnung (StPO) zugestanden, da eine Beantwortung der gestellten Frage unter Umständen dazu geführt hätte, Beweismaterial gegen sich selbst zu beschaffen.

Inhaltsverzeichnis

Auskunftsverweigerungsrecht

Das Auskunftsverweigerungsrecht besagt gemäß § 55 StPO, dass jeder Zeuge die Auskunft auf Fragen verweigern kann, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Hiernach kann ein Zeuge die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (nemo tenetur se ipsum accusare-Grundsatz), denn das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO dient nicht dem Schutz des Angeklagten, sondern dem Schutz des Zeugen. Dieses Recht besteht allgemein und unabhängig davon, ob der Zeuge bereits belastende Angaben gemacht hat.[1]

Auskunftsverweigerung nach der „Mosaiktheorie“

Das Recht auf Auskunftsverweigerung bestand aber nur dann, wenn der gesamte Inhalt zu einer Zwangslage des Zeugen führen kann. Sind dagegen nur Bruchstücke aus der Aussage des Zeugen problematisch, könnte dieser die Auskunft nicht verweigern und müsste somit Teile zu seiner eigenen Verfolgung preisgeben. Dieser mittelbaren Gefahr ist der Bundesgerichtshof mit dem Urteil von 6. Februar 2002 entgegengetreten. Demnach kann ein Zeuge die Auskunft sogar insgesamt verweigern, wenn seine Aussage mit seinem eigenen etwaigen strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang steht, dass eine Trennung der selbstbelastenden und der nicht selbstbelastenden Aussageteile nicht möglich ist. Es muss sich also um Fragen handeln, deren wahrheitsgemäße Beantwortung nicht an sich eine Strafverfolgung auslösen, welche aber Teilstücke eines „mosaikartigen“ Beweisgebäudes betreffen und daher zu einer Belastung des Zeugen führen können. Dazu ist grundsätzlich bereits ausreichend, wenn der Zeuge Tatsachen angeben müsste, die nur mittelbar den Verdacht einer Tat begründen würden. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vermag sogar die ungünstige Auswirkung auf das Strafmaß in einem anderen Verfahren die Auskunftsverweigerung zugunsten des Zeugen auszulösen [2].

So dürfte beispielsweise ein Zeuge die Frage des Gerichtes dahingehend, wie er am Tag seiner Einvernahme vor dem Gericht zum Gerichtsort gelangt ist, dann verweigern, wenn er mit dem Kraftfahrzeug angereist ist, jedoch nicht im Besitz einer erforderlich Fahrerlaubnis ist oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist ist, hierbei jedoch das erforderliche Entgelt nicht entrichtet hat, da er sich in beiden Beispielsfällen jeweils einer Straftat selbst bezichtigen müsste und der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde. Dies obwohl es mit der eigentlichen Zeugenaussage in keinerlei Zusammenhang steht.

In Anbetracht der sehr niedrigen Schwelle zur Begründung eines Anfangsverdachts des § 152 Abs. 2 StPO ist ein zu einer Auskunftsverweigerung führendes Recht bereits weit vor einer direkten Belastung zu bejahen.

Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO

Will sich ein Zeuge auf das Recht auf Auskunftsverweigerung des § 55 StPO hinsichtlich möglicher „Mosaikteilchen“ berufen, muss ihm oder wenigstens seinem Rechtsanwalt bekannt sein, dass der Staatsanwaltschaft weitere Informationen vorliegen, welche dann in einer Gesamtwürdigung zu einer Verfolgung des Zeugen führen könnten. Bloße Vermutungen oder theoretische Möglichkeiten reichen für die Annahme einer solchen Gefahr nicht aus.

Die Auskunftsverweigerung muss ausdrücklich erklärt werden. Dazu hat der Zeuge Möglichkeit bis zum Abschluss seiner Vernehmung. Danach kann er die Aussagen nicht mehr widerrufen.

Das Recht nach § 55 StPO ist nur dann nicht gegeben, wenn eine spätere Verfolgung des Zeugen zweifellos ausgeschlossen ist.

Einzelnachweise

  1. BVerfG 2 BvR 510/96 vom 16.11.1998 - ähnliches Urteil
  2. BVerfG 2 BvR 1249/01 vom 06.02.2002
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