Polenprozess

Polenprozess

Der sogenannte Polenprozess von 1847, in Polen Berliner Prozess genannt (Proces berliński), war der erste Gerichtsprozess in Preußen, der als für die Öffentlichkeit zugängliches politisches Verfahren verhandelt wurde. Unter anderem für diesen Prozess wurde das preußische Strafverfahrensrecht umgestaltet. Die neu eingeführte Staatsanwaltschaft warf den 254 Angeklagten vor, den polnischen Staat in den Grenzen von 1772 wieder herstellen zu wollen. Er endete mit zwei Todesurteilen und zahlreichen Gefängnisstrafen. Nach dem Beginn der Märzrevolution von 1848 wurden die Angeklagten amnestiert.

Der Polenprozess von 1847

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

In den polnischen Teilungsgebieten entstanden in den 1840er Jahren neue Organisationen mit dem Ziel einer Erneuerung des polnischen Staates. Darunter waren in Warschau und der Provinz Posen die Demokratische Gesellschaft. In Posen entstand auch der Plebejische Bund um Walenty Stefanski. Dieser strahlte auch nach Pommern und Westpreußen hinein.

Im Frühjahr 1845 beschloss das Zentralkomitee in Posen einen Aufstand vorzubereiten. Hauptgrund war die Befürchtung, dass politische Reformen innerhalb der Teilungsmächte die polnische Identität verschütten könnte. Man plante in Posen und Galizien die dort stationierten preußischen beziehungsweise österreichischen Einheiten zu überfallen und im russischen Teil Polens einen Aufstand auszulösen. Dieser sollte in einen allgemeinen Krieg übergehen. Das Ziel war es, den polnischen Staat in den Grenzen vor den polnischen Teilungen wieder zu errichten. Im Januar 1846 wurde in Krakau die Bildung einer nationalen Regierung mit Karol Libelt an der Spitze beschlossen.

Es kam aber in Preußen nicht zur Ausführung der Pläne, da diese an die Polizei verraten worden waren. Die Anführer wurden verhaftet. In Preußen wurde ein Prozess gegen die Aufständischen vorbereitet. In Krakau kam es dagegen zum Krakauer Aufstand.

Im Vorfeld des Prozesses wurde das preußische Strafverfahrensrecht grundlegend umgestaltet. Mit einem Gesetz von 1846 wurde das öffentliche mündliche Verfahren sowie eine Staatsanwaltschaft als Vertretung der Anklage eingeführt.

Prozessverlauf

Am 2. August 1847 begann vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gegen 254 polnische Angeklagte, nachdem gegen etwa 1100 Personen Ermittlungen angestellt worden waren. Aufgrund der hohen Anzahl der Angeklagten fand der Prozess nicht im Gerichtsgebäude, sondern in der Kirche des Gefängnisses Moabit statt.

Das Gericht bestand aus dem vorsitzenden Richter Koch und acht Beisitzern. Hinzu kamen die beiden Staatsanwälte und 20 Verteidiger. Der Prozess dauerte vier Monate. Verhandelt wurde an 91 Prozesstagen.

Der Staatsanwalt warf den Angeklagten Hochverrat vor. Große Teile der Öffentlichkeit waren auf Seiten der Angeklagten. Die Verteidigungsrede von Ludwik Mieroslawski vom 3. August 1847 machte ihn populär. Der Prozess endete mit der Urteilsverkündung am 2. Dezember 1847. Es wurden zwei Todesurteile, eines davon für Mieroslawski, verkündet. In 97 Fällen wurden zum Teil langjährige Gefängnisstrafen verhängt.

Amnestie

Nach dem Beginn der Märzrevolution forderte eine demonstrierende Bevölkerungsmenge am 20. März 1848 vor dem königlichen Schloss mit Erfolg die Freilassung der Gefangenen. Diese wurden daraufhin im Triumph durch die Straßen geführt. Vom Balkon herab sah sich sogar Friedrich Wilhelm IV. angesichts der revolutionären Situation veranlasst, sich in einer symbolisch beschwichtigenden Geste vor den Polen zu verneigen. Karol Libelt und Mieroslawski hielten bejubelte Reden. Auch in der Provinz Posen kam es zu Freudenkundgebungen. Diese gingen über in den sogenannten „Großpolnischen Aufstand von 1848“.

Literatur

  • Eberhard Schmidt: Kammergericht und Rechtsstaat. In: Moderne preußische Geschichte. 1648-1947. Berlin, New York, 1981 ISBN 3-11-008714-6 S.643
  • Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart, 2003 S.214f.

Quellen

  • Gustav Julius (Hrsg.) Der Polenprozess. Prozess von dem Staatsanwalte bei dem Königlichen Kammergerichte als Beteiligte bei dem Unternehmen zur Wiederherstellung eines polnischen Staates in den Grenzen von 1772 wegen Hochverrats angeklagten 254 Polen. Berlin, 1848 Digiatlisat

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