Psarolepis

Psarolepis
Psarolepis
Psarolepis: eine etwas freie Rekonstruktion. Länge ca. 25 cm

Psarolepis: eine etwas freie Rekonstruktion. Länge ca. 25 cm

Zeitraum
Pridolium (unterstes Devon) bis Lochkovium (Unterdevon)
417 bis 411 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Knochenfische (Osteichthyes)
Klasse: Fleischflosser (Sarcopterygii)
Ordnung: Onychodontiformes
incertae sedis
Gattung: Psarolepis
Wissenschaftlicher Name
Psarolepis
Yu 1998

1984 wurde in China (Provinz Yunnan) ein Fossil entdeckt (X. Yu 1998), das gut genug erhalten war, um endlich eine Vorstellung von den ganz urtümlichen Sarcopterygii zu geben, als sie den Actinopterygii, ihrer Schwestergruppe, noch recht ähnlich waren. Diese Verwandtschaft war aufgrund des Studiums von isolierten Zähnen, Stacheln und Schuppen (Ichthyolithen) schon länger ganz gut abgesichert, aber nun sah man, wie solche rund 415 Millionen Jahre alten (also obersilurisch-unterdevonischen) Fische gebaut waren. Mittlerweile hat man Psarolepis-Fossilien auch aus Vietnam. Nur die Schwanzregion von Psarolepis romeri bleibt noch unbekannt. (Seit 2009 kennt man vom selben Fundort in Südchina den noch ca. fünf bis zehn Millionen Jahre älteren Sarcopterygier Guiyu oneiros, der ebenfalls wieder deutlich einige Merkmale von Actinopterygiern zeigt.) Die anfangs geäußerte Hoffnung, Psarolepis werde viel Licht in die Abstammungsverhältnisse der basalen Fische bringen, hat sich allerdings nicht erfüllt. – Psarölepis bedeutet „(Fisch) mit gescheckten Schuppen“ – ψάρ ist der Star (Vogel), ψαρός (u. a.) ein Schecke (Pferd) –, der überdies an den Anatomen und Paläontologen Alfred Sherwood Romer (1894–1973) erinnern soll.

Merkmale

Das hervorstechendste Merkmal des Psarolepis ist eine enge Gruppe langer parasymphysialer Zähne an der Spitze des Unterkiefers. Dem Wirtel gegenüber ist das unpaare Rostrale im Oberkiefer etwas eingezogen. Solche Zahnwirtel kannte man schon, in unauffälligerer Ausprägung, von Onychodontiformes, denen man daher Psarolepis jetzt auch zurechnet (Long 2001). Ähnliche Unterkieferbezahnung findet sich rezent etwa bei der Umberfischgattung Macrodon, sie lässt sich als Anpassung an die Krebstier-Nahrung (z. B. Krabben – damals vielleicht Merostomiden) deuten. Man denke aber auch an Malacosteus (s.u.)! – Zahnwirtel an der Maulspitze waren schon lange besonders von fossilen Haien bekannt. Die übrigen Mundrandzähne sind kleiner (verschieden groß); in der Mundhöhle selbst ist die Bezahnung allenfalls unbedeutend (quetschend). Die Zähne selbst sind vom polyplocodonten Typ, d. h. das Dentin ist innen in charakteristischer Weise gefältelt wie bei anderen Sarcopterygiern auch und noch (ähnlich) bei ihren tetrapoden Abkömmlingen, den Labyrinthodontia. Vom (vielleicht nur knorpeligen) Kiemenkorb gibt es wie üblich keine verwertbaren Reste; Tatsache ist, dass für die Kiemen wenig Raum zur Verfügung steht (der Kiemendeckel ist schmal) – der Sauerstoffverbrauch, d. h. die Aktivität dieser Fische war offenbar generell geringer als die heutiger.

Auffallend sind ferner starre Knochenstacheln vor den Brustflossen und der Rückenflosse (hier Lage unklar) – auch dieses Merkmal ist ungewöhnlich für Sarco- und Actinopterygier und findet sich eher bei Placodermi, Knorpelfischen und Acanthodii – ohne jedoch als Hinweis auf nähere Verwandtschaft mit diesen herangezogen werden zu können: es kann sich ja um Apomorphien handeln, wie ähnlich bei rezenten Harnischwelsen (Loricariidae).[1] An Actinopterygierverhältnisse erinnern besonders die Knochen der Schnauzenregion und des Unterkiefers (fünf Infradentalia; Ahlberg 2001).

Ein höher evoluierter „Krallenzähner“ aus dem mittleren Devon: Onychodus sp. Die Orbita grenzt nicht mehr unmittelbar ans Praemaxillare.
Verwandtschaft des Psarolepis: Anfängliche Unsicherheit – heute gilt allenfalls nur der obere Pfeil (II).

Der Schädel, vorne und oben weitgehend verknöchert, ist deutlich in zwei ziemlich gleich große Teile zerlegt (Ethmosphenoid- und Otoccipitalblock), wie bei allen Sarcopterygiern ursprünglich: das verbessert den Beuteschnapp-Erfolg, ist aber fürs freie Schwimmen nachteilig und bei den Actinopterygiern aufgegeben, selbst wenn Ahnen der Osteichthyes (Placodermi?) das Merkmal noch vererbt haben sollten. Das intracraniale Gelenk liegt auf Höhe des Austritts des Trigeminus-Nerven aus dem Gehirn. Die Onychodontiformes waren also ziemlich sicher benthopelagisch (und besaßen dazu wohl eine Schwimmblase). Die kleinen Augen liegen seitlich von den Nasen, gleich hinter den Praemaxillaria – diese ungünstige Lage wird bei paläozoischen Fischen noch lange beibehalten. Die „hinteren“ Narinen (Nasenlöcher) lagen innen vor den Augen, zwischen Rostrale und Praemaxillare, die vorne beide stark nach unten gebogen waren. Innere Nasenöffnungen (in die Mundhöhle: „Choanen“) fehlten.[2] Ventrolateral von den Nasensäcken gab es das paarige Rostralorgan für die Elektro-Ortung von Beute. Das „Praemaxiilare“ scheint eins zu sein mit dem „Palatinum“. Das kurze, breite Parasphenoid hat ein mittleres Foramen (Loch) für die Ableitung des Hypophysensekrets[3] und zwei seitliche für die Aortenwurzeln. Die Labyrinthregion war ventral bloß knorplig. Dorsal gibt es im Ethmosphenoid-Schild (der sich nicht weiter differenzieren lässt) ein großes Parietal-Foramen. Bei Psarolepis und der etwas jüngeren und klarer sarcopterygischen Achoania gab es wie bei älteren „Vorformen“ und auch bei frühen Actinopterygiern Augenstiele (gestielte Knorpelbecher in der Orbita, gegen Augapfel-Flattern; rezent bei Haien; Zhu, Yu und Ahlberg 2000[4]).

Das Maul war wie üblich tief gespalten, das Hyomandibulare (nicht erhalten!) nach hinten-unten orientiert und wie der vordere Teil des Suspensoriums recht schwach. Da die Hyomandibel zweiköpfig[5] am Otoccipitalblock gelenkte, wurde beim Maulaufsperren „automatisch“ der Vorderschädel gehoben – an ihm setzt dorsal ja keine Muskulatur an; die Basucranialmuskeln waren hingegen beim Zubeißen aktiv. Der Unterkiefer ist dabei vorbewegt worden (er gelenkte mittelbar durch das [fossil nicht erhalten gebliebene] Palatoquadratum am Vorderschädel: man sieht noch die Gelenkpfannen) ähnlich wie bei Malacosteus (dem „Fangmaskenschläger“ – natürlich nicht so exzessiv, schon wegen der Gularplatten). Die Zerlegung des Schädels ist aber keine besonders gute Lösung des alten Problems, Maulöffnung und Schwimmrichtung im freien Wasser zur Deckung zu bringen – sie erfordert allerdings keine komplexen nervösen Rückkopplungen im Bereich des Labyrinths.

Die Schädelknochen sind nur teilweise in ihren Lagebeziehungen klar (der Schädel ist ja bei der Sedimenteinbettung stärker gequetscht und zerdrückt worden). Von den rezenten Fischformen ähnelt ihm am meisten der von Polypterus. Das „Squamosum“, ein Deckknochen der Sarcopterygier, der mit dem Praeoperculum der Actinopterygier teilhomolog ist, zeigt Teile des Seitenlinienkanals in der für Sarcopterygier charakteristischen Weise. Man hatte ja anfangs gemeint, Psarolepis sei vielleicht älter als die Trennung der beiden großen Osteichthyergruppen (Pfeil I in der Abb.), aber dies trifft auch für Guiyu noch nicht zu. Die Deckknochen weisen eine dicke Schmelzschicht auf, durch deren zahlreiche Poren jedoch Nerven zu Hautsinnesorganen durchtreten, so dass man oft sagt, Psarolepis sei „pockennarbig“. Wenn man an „Schmelzschupper“ (die alten Ganoiden) denkt, wird meist vergessen, dass deren „Hautpanzer“ doch kein echtes Exoskelett (wie bei Arthropoden) darstellt, sondern prinzipiell unter der Epidermis liegt (wobei der Schmelz freilich eine Abscheidung ist, an der die ektodermale Basalmembran entscheidend beteiligt sein mag) – auch wenn dann im Laufe des individuellen Lebens die dünne Epidermis über den Ganoidschuppen ohne Nachteil verloren gehen kann, wie es Marinelli (1973[6]) an den Knochenplatten des Störs gezeigt hat. Der Schultergürtel weist Eigentümlichkeiten auf, die ihn jenem der Placodermi annähern, er war aber wieder nur unvollständig rekonstruierbar. Der Rumpf des Psarolepis war von länglichen Cosminschuppen (kleiner als in obenstehender Abb.!) bedeckt, die Schwanzflosse höchstwahrscheinlich gephyrocerk.

Literatur

  • Per Erik Ahlberg: Palaeontology: Something fishy in the family tree. In: Nature 397 (6720), 1999, S. 564–565. doi:0.1038/17484. GoogleBooks
  • John A. Long: On the relationships of Psarolepis and the onychodontiform fishes. In: Journal of Vertebrate Paleontology 21, 2001, S. 815–820. doi:10.1671/0272-4634(2001)021[0815:OTROPA]2.0.CO;2
  • Xiaobo Yu: A new porolepiform-like fish, Psarolepis romeri, gen. et sp. nov. (Sarcopterygii, Osteichthyes) from the Lower Devonian of Yunnan, China. In: Journal of Vertebrate Paleontology 18, 1998, 261–274. DOI:10.1080/02724634.1998.10011055

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. weshalb man früher meinte, es handle sich bei ihnen ums „Wiederaufleben uralten Erbgutes“; viel einfacher aber spricht man hier doch von Konvergenzen.
  2. Choanen sind offenbar zusätzlich zu Narinen auftretende Öffnungen ins Mundhöhlendach.
  3. was es ausnahmsweise sogar bei Elops noch gibt
  4. doi:10.1038/35065078
  5. die zwei Köpfe allerdings noch sehr engstehend, wie bei Acanthodii. Vgl. auch „Palaeos“
  6. Marinelli und Strenger: Vergleichende Anatomie und Morphologie der Wirbeltiere, S. 326

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