Konvergenz (Biologie)

Konvergenz (Biologie)

Unter Konvergenz (auch Parallelismus oder konvergente Evolution) versteht man in der Biologie die Entwicklung von ähnlichen Merkmalen bei nicht näher verwandten Arten, die im Laufe der Evolution durch Anpassung an eine ähnliche Funktion und ähnliche Umweltbedingungen (ähnliche ökologische Nischen [1], "Stellenäquivalenz") ausgebildet wurden. Daraus folgt, dass sich bei verschiedenen Lebewesen beobachtete Formen direkt auf ihre Funktion für den Organismus zurückführen lassen und nicht unbedingt einen Rückschluss auf nahe Verwandtschaft zwischen zwei Arten liefern.

Übereinstimmende Merkmale, die aufgrund von Konvergenz entstehen, werden als konvergente Merkmale oder - vor allem in der Molekularbiologie - als Homoplasien bezeichnet. Merkmale, die übereinstimmen, weil sie von einem gemeinsamen Vorfahren stammen, werden als homolog bezeichnet.

Beispiele

Der ausgestorbene Beutelwolf, der nicht näher mit den Hunden verwandt ist, als Beispiel für konvergente Evolution
Die Dreikantige Wolfsmilch, eine beliebte Zimmerpflanze, ähnelt einem Kandelaberkaktus

Ein klassisches Beispiel sind die Schädel von Wolf und Beutelwolf oder die Gestalt von Ameisenbär und Erdferkel. Die Ursache für solche konvergenten Entwicklungen, die zu Analogien führten sind gleiche Selektionsfaktoren, die zu vergleichbaren Anpassungen geführt haben. „Das bekannteste Beispiel sind die Beuteltiere Australiens, [...] da keine Plazenta-Säugetiere in Australien vorhanden waren, entwickelten sie Anpassungstypen, die denen der nördlichen Halbkugel entsprechen.[2]

Ein weiteres Beispiel stellen die an die Fortbewegung unter Wasser angepassten Gliedmaßen von verschiedenen wasserlebenden Wirbeltieren dar, wie z. B. Schildkröten, Walen und Pinguinen, die zwar allesamt Abwandlungen des Grundbauplans einer fünfgliedrigen Extremität darstellen und somit homolog zueinander sind, sich jedoch aufgrund ihrer verschiedenen Abstammung aus Beinen oder Flügeln unabhängig voneinander entwickelt haben und somit zueinander analog sind. Es handelt sich also um Anpassungen an ähnliche Umweltbedingungen, die zu ähnlichen Formen und Funktionen führten. Wenn man im Stammbaum allerdings genügend weit zurück geht, stammen die Reptilien, Säuger und Vögel von einem gemeinsamen Vorfahren ab, der die fünfstrahlige Vorderextremität aufweist.

Auch die Tierläuse entwickelten sich trotz ihrer großen morphologischen Ähnlichkeit im Laufe der Evolution unabhängig voneinander zweimal. Die große Übereinstimmung der parasitischen Körpermerkmale ist somit das Ergebnis der Anpassung an das Wirtstier, jedoch kein Zeichen für eine enge Verwandtschaft der Tiere untereinander.[3]

Auch bei Pflanzen sind konvergente Entwicklungen bekannt. Ein Beispiel findet sich bei den Sukkulenten: Der neuweltliche Kandelaberkaktus Pachycereus weberi sieht der Dreikantigen Wolfsmilch Euphorbia trigona aus Afrika sehr ähnlich. Die Anordnung der Blattdornen und die Blütenform ermöglichen eine Unterscheidung (Bestimmung). Die Ähnlichkeit beruht auf der Anpassung an den trocken-heißen Standort.

Konvergenz gibt es nicht nur im Bereich der Körperform, sondern auch auf molekularer Ebene. Wiederkäuer wie die Kuh und blätterfressende Schlankaffen wie der Langur Presbytis entellus gehören zwar weit entfernten systematischen Gruppen an, besitzen aber ein sehr ähnliches Lysozym-Molekül, das im Magen produziert wird.[4]

Einzelnachweise

  1. Mayr,Ernst: Das ist Evolution, München 2003, S. 195
  2. Mayr, S. 195f
  3. Johnson, K. P. et al.: Multiple origins of parasitism in lice. In: Proc Biol Sci. 271, Nr. 1550, 2004, S. 1771-1776. PMID 15315891.
  4. Andrew Cockburn: Evolutionsökologie, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1995, S. 39f

Siehe auch


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