Rodolphe Lemoine

Rodolphe Lemoine
Rodolphe Lemoine (1929).

Rodolphe Lemoine (* 1871 in Berlin; † 3. Oktober 1946 in Baden-Baden; Geburtsname: Rudolf Stallmann; Deckname: Rex) war ein französischer Nachrichtendienstler. Er wurde vor allem bekannt aufgrund seiner Rolle bei der Erbeutung der Baupläne und der Gebrauchsanweisung für die deutsche Funkcodierungsmaschine Enigma, ein Akt, der erhebliche Auswirkungen auf die Kriegsführung der Alliierten gegen das Deutsche Reich während des Zweiten Weltkriegs hatte.

Leben und Wirken

Lemoine wurde unter dem Namen Rudolf Stallmann als Sohn eines wohlhabenden Berliner Juweliers geboren. In seiner Jugend unternahm er zahlreiche Reisen, wobei er erstmals mit dem Spionagewesen in Berührung gekommen sein soll. 1918 ließ Lemoine sich in Frankreich einbürgern, wobei er den Namen seiner französischen Ehefrau annahm. Bald darauf trat er in den Dienst des Deuxieme Bureau, des französischen Auslandsgeheimdienstes, für den er fortan als Agent und Anwerber in der auf das Deutsche Reich bezogenen Spionage arbeitete. Als Rekrutierer konnte Lemoine unter anderem Ludwig Maringer als Spion für die Franzosen gewinnen. Offiziell lebte Lemoine während seiner Agententzeit als Kaufmann in Paris.

1931 lernte Lemoine Hans-Thilo Schmidt kennen, einen Angestellten des Berliner Reichswehrministeriums, den er als Spion für das Deuxieme Bureau gewinnen konnte. Durch seine Tätigkeit in der Chiffrierabteilung des Ministeriums hatte Schmidt Zugang zu wichtigen Unterlagen bezüglich der kurz zuvor von der deutschen Abwehr entwickelten ENIGMA-Maschine, einem neuartigen Gerät zur Codierung wichtiger Funksprüche. Am 8. November 1931 übergab Schmidt Lemoine die „Gebrauchsanweisung für die Chiffriermaschine ENIGMA“ sowie die „Schlüsselanleitung zur Chiffriermaschine ENIGMA“. In den nächsten Jahren händigte Schmidt an Lemoine noch weitere Unterlagen über ENIGMA – darunter Monatslisten mit täglichen Einstellungen – sowie über den Aufbau der Wehrmacht und den Fall Gelb (Invasion Frankreichs) aus.

Lemoine übergab die von Schmidt erhaltenen Unterlagen an seinen Vorgesetzten Gustave Bertrande, der sie seinerseits an die Chiffrierabteilungen der englischen, französischen und polnischen Nachrichtendienste übergab. Nachdem das deutsche Codierungsverfahren bereits vor dem Zweiten Weltkrieg teilweise dechiffriert worden war, gelang es 1940 britischen Kryptologen in Bletchley Park, den Code endgültig zu knacken, so dass die Alliierten fortan die abgehörten deutschen militärischen Funksprüche verstehen konnten.

Ende 1942 fiel Lemoine nach der Besetzung Südfrankreichs in die Hände der Gestapo oder lief zu ihr über. Er wurde nach Berlin gebracht, wo er bei Verhören – unter Umständen unter Anwendung von Folter – im März 1943 gestand, dass Schmidt eine seiner Informationsquellen gewesen war. Seine Kenntnisse über den ENIGMA-Code und den Umstand, dass Schmidt diese an die Alliierten weitergegeben hatte, verheimlichte er den deutschen Behörden indes. Schmidt, der daraufhin im Mai 1943 in Haft genommen wurde, nahm sich schließlich im September desselben Jahres das Leben.

Lemoine tauchte in den letzten Kriegstagen in Berlin unter, wo er im Oktober 1945 von der französischen Armee in Haft genommen wurde.

Literatur

  • Diethart Krebs: Lebenslinien. Deutsche Biographien aus dem 20. Jahrhundert, 2007.

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