Simson Alexander David

Simson Alexander David

Simson Alexander David (* 1755 in Braunschweig; † 1813 vermutlich in Minsk) war ein deutscher Publizist, Geschäftsmann (Lotterieeinnehmer, Währungsspekulant, Kunsthändler, Reise-Schriftsteller und Geheimagent der französischen Polizei (ab Oktober 1806).

Karikatur aus dem Jahr 1808/09 von Simson Alexander David (Karl Julius Lange), hier dargestellt als Kollaborateur, der sich in französischer Uniform in Berlin zeigt. Solche Schmähbilder wurde zahlreich verkauft.

Leben

Als zehntes Kind des braunschweigischen Hof- und Kammeragenten Alexander David am 16. November 1755 geboren[1], versuchte sich Simson (auch: Samson) Alexander David seit 1778 als Kunst- und Galanteriewarenhändler (er nannte sich Alexander Daveson). Daneben war er offizieller Einnehmer des hessischen Lotto für das Gebiet Braunschweig. Im Zusammenhang mit diesem Geschäft wurde er im April 1779 von den hessischen Behörden der Untreue und des Betrugs angeklagt. In den Skandal waren angeblich 43 Personen verwickelt. Die zweijährigen Ermittlungen ergaben keine Beweise für ein Fehlverhalten von David. Dennoch wurde er inhaftiert, weil er dem Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel seit längerem ein Dorn im Auge war. Politischer Hintergrund dafür war die enge Verbindung Davids zum Vater des Herzogs, Karl I., der durch seine Verschwendung die Staatsfinanzen völlig zerrüttet hatte. David war einer der Lieferanten von Juwelen für Mätressen gewesen und hatte sich dem auf Sparsamkeit bestehenden Thronfolger gegenüber unverschämt benommen. Drei Wochen nach dem Tod von Karl I. (26. März 1780) wurde David festgenommen, offiziell wegen der Lottoaffäre, tatsächlich aber, weil der neue Herzog Rache nehmen wollte und die Braunschweiger Behörden befürchteten, er könne sich mit hohen Barmitteln ins Ausland absetzen (Leipziger Messe). Der prominente Dichter und Journalist Gotthold Ephraim Lessing war von Davids Unschuld überzeugt, besuchte ihn im Gefängnis, kämpfte für seine Freilassung und nahm ihn schließlich bei sich auf. Von den nach wie vor guten finanziellen Verhältnissen Davids soll Lessing sehr profitiert haben. Angeblich starb der Dichter „in den Armen“ von David (siehe Michael, Bd. 2/1973, S. 61). Unter dem Datum vom 19. Dezember 1780 empfahl Lessing in einem Brief seinen Bekannten David ausdrücklich an Moses Mendelssohn: "Er will von Ihnen nichts, lieber Moses, als dass Sie ihm den kürzesten und sichersten Weg nach dem Europäischen Lande vorschlagen, wo es weder Christen, noch Juden gibt. Ich verliere ihn ungern...".

David ging nach Lessings Tod (15. Februar 1781) auf Reisen und lebte längere Zeit in England, wo er u.a. bei Samuel Johnson Sprache und Kultur studierte und häufiger Zuschauer im britischen Parlament war. Daneben arbeitete er wohl auch als Hauslehrer, möglicherweise bei der adeligen Familie Whitehouse. Im Sommer 1790 kehrte David unter dem Namen Karl Julius Lange (er hatte sich in England taufen lassen) nach Deutschland zurück. Hier wechselte er häufig seine Aufenthaltsorte und zog als Fachmann und Rezitator für englische Literatur und Kultur durch Norddeutschland (er legte sich den Titel Professor zu). Am 30. Oktober 1790 fiel er mit einem groß angekündigten Rezitationsabend ("attische Unterhaltung") am Hamburger Schauspielhaus durch, weil er britische Starschauspieler der Zeit offenkundig mehr persiflierte als imitierte. In Braunschweig hatte er damit mehr Erfolg. Der Herzog, der ihn einst ins Gefängnis gebracht hatte, soll ihn herzlich empfangen und den Aufenthalt bezahlt haben. In Hannover hielt David 1790/91 Vorlesungen in englischer Literaturgeschichte, ging 1792 nach Wien (u.a. Arbeit für die Wiener Zeitung) und reiste 1793 durch die Schweiz. Die Erfahrungen verarbeitete er ab 1794 in einem zweibändigen, sehr kritischen Buch (Die Schweiz und die Schweizer), das anonym erschien und in der Schweiz viel Aufsehen erregte. Es wurde in Basel wegen seiner radikaldemokratischen Tendenz verboten. David schrieb das Buch in Schweinfurt, wo er ab 1794 lebte. Er hatte die Tochter eines Bayreuther Beamten, Caroline Schunter, geheiratet und sah sich als "privatisierender Gelehrter". 1795 bewarb sich David vergeblich bei Schiller um eine Mitarbeit an den "Horen", obwohl Alexander von Humboldt ein Empfehlungsschreiben verfasst hatte. Beim Einzug der französischen Truppen in Schweinfurt 1796 war David im Auftrag des Schweinfurter Stadtrats als Dolmetscher und Unterhändler tätig.

Ende 1796 widmete er sich einem neuen Zeitungsprojekt, der Deutsche Reichs- und Staatszeitung, die unter aktiver Förderung des "dirigierenden Ministers" von Ansbach-Bayreuth, Karl August von Hardenberg herauskam und eine scharf anti-österreichische Tendenz hatte. Hardenberg nutzte Davids Talente für seine (geheime) Pressepolitik. 1798 kam die unregelmäßig erscheinende Zeitschrift Neueste Staatenkunde. Ein Journal für Regenten und Völker hinzu. Im Mai 1799 wurde David auf Druck des österreichischen Hofes verhaftet, da er behauptet hatte, der Kaiser habe die Ermordung von französischen Gesandten auf dem Rastatter Kongress angeordnet. Obwohl die Gerüchte plausibel waren, musste die Zeitung eingestellt werden. Nach einer ersten kurzen Haft gelang David die Flucht nach Göttingen, er kehrte freiwillig zurück, wurde wieder verhaftet, und flüchtete schließlich am 30. November 1799 endgültig nach Altona (damals Dänemark), wo er sich erneut publizistisch betätigte (Zeitschrift "Hamburg und Altona", 1801), allerdings unter zunehmend schwieriger werdenden finanziellen Verhältnissen litt. Seine Familie war auf fünf Kinder angewachsen. Mit Hamburger Verlegern lag David im Streit und wurde von Gläubigern verfolgt. Er wohnte deshalb zeitweise im Dorf Neumühlen bei Altona, später in Helmstädt. Hardenberg schickte zwar heimlich Geld und versuchte, Davids Prozess abzukürzen, doch erst Ende 1803 schlug der preußische König Friedrich Wilhelm III. das Verfahren nieder. Davids Traum von einer festen Stelle im Staatsdienst erwies sich dennoch als utopisch.

Nach mehreren erfolglosen publizistischen Projekten und gelegentlicher Arbeit für August von Kotzebues "Freimüthigen" zog David Anfang 1804 nach Berlin, gab diverse, allesamt kurzlebige, Blätter heraus und beantragte im Herbst 1806 beim preußischen König Friedrich Wilhelm III. abermals die Lizenz für eine Tageszeitung. Diese Lizenz wurde ihm gewährt. Der Telegraph erschien erstmals am 17. Oktober 1806, zu einer Zeit, als Preußen gerade in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt vernichtend von den Franzosen unter Napoleon I. geschlagen wurde. Nach einer ersten Nummer ganz im Sinne des preußischen Hurra-Patriotismus wechselte David schon ab der zweiten Ausgabe des Telegraph die politische Linie und schwenkte in den folgenden Tagen ganz auf die französische Sichtweise ein, die er bis zur Einstellung der Zeitung im Jahr 1808 beibehielt. Als erste und einzige täglich erscheinende Zeitung Berlins wurde der Telegraph zum Sprachrohr der Franzosen, die Berlin besetzt behielten. Napoleon I. persönlich schrieb in einer Anweisung an seinen Polizeichef Bignon am 31. Oktober 1806, dass "dieses Individuum, wenn es sich gut aufführt, nach dem Abzug der Armee eine Pension und einen Wohnort in Frankreich erhalten soll" (zit. nach Revue contemporaine, 19. Jg. 1868, S. 459). David, der schon von Hardenberg das "Lohnschreiben" gewohnt war, ging auf das Angebot ein und attackierte heftig die preußische Monarchie, insbesondere die Königin Luise , von der überliefert ist, dass sie von den Angriffen des Telegraph schwer getroffen war.

David gilt als einer der ersten betont politischen (Meinungs-)Journalisten Deutschlands, zeichnete sich durch Witz und demokratische Überzeugungen aus, war aber zweifellos von den Franzosen gekauft. Dafür wurde er in Berlin so sehr attackiert, dass er zeitweise nur unter dem Schutz von Soldaten arbeiten konnte. Er gilt als Mitbegründer des Begriffs der Emanzipation, ein Wort, das er z.B. auf die Katholiken in Irland anwandte, die damals um ihre Anerkennung im protestantischen England kämpften.

Am 1. Januar 1807 wurde David mit dem Titel des „Fürstlich Isenburgischen Hofrats“ ausgezeichnet. Am 3. Dezember 1808 verließ er Berlin, ging zunächst mit den abrückenden Franzosen in die Festung Stettin, wo der "Telegraph" entgegen ausdrücklicher Ankündigungen nicht fortgesetzt wurde, und kam im Januar nach Erfurt, ins Hauptquartier des französischen Marschalls Davout. Napoleon schrieb in einem Brief an seinen Polizeiminister Fouché am 13. Januar 1809, Lange solle den "Telegraphen" noch eine Weile in Erfurt herausgeben und dann nach Düsseldorf umziehen, um von dort aus gegen die österreichischen Zeitungen in Wien und Preßburg zu agitieren. Der "Telegraph" erschien jedoch nicht mehr. Stattdessen soll David versucht haben, die Bamberger Zeitung, die damals von Hegel betreut wurde, als Sprachrohr der Franzosen zu nutzen. Über Davids weitere Tätigkeiten bis zum Tod 1813 ist wenig bekannt. Offenbar arbeitete er einige Zeit als "litterarischer Visiteur", also Zensor und Presse-Überwacher im Stab des französischen Marschalls Davout. Als solcher begleitete er die Franzosen offenbar nach Wien, wo er zeitweise als Chefredakteur der "Wiener Zeitung" im Gespräch war, und später nach Koblenz, wo er vom dortigen Journalisten Joseph von Görres verdächtigt wurde, "geheimer Oberer" des französischen Zensurwesens zu sein. Der französische Kriegsminister Henri Clarke d’Hunebourg hielt David für "wenig vertrauenerweckend" und unfähig. Im Frühjahr 1811 zog David im Gefolge von Davout nach Hamburg, wo er allerdings schon nach kurzer Zeit ausgewiesen wurde, weil er Schuldscheine gefälscht hatte und als Dokumente von Marschall Davout ausgab, um an Geld zu kommen. Eine unbekannte Frau meldete David daraufhin der französischen Geheimpolizei. Im Sommer 1811 lebte David in Offenbach, der Residenz des Fürsten Carl von Isenburg, und in Frankfurt/Main. Im "Allgemeinen Anzeiger der Deutschen" vom 15. September 1811 kündigte er seine Memoiren an, die jedoch allem Anschein nach nie erschienen sind. In einem dort abgedruckten "Prolog" behauptet David, er fühle seinen Tod herannahen. Der Nürnberger "Korrespondent von und für Deutschland" meldete unter dem Datum 3. März 1813 unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Quellen aus Berlin, David sei im weißrussischen Minsk gestorben. Das ist insofern plausibel, als tausende von zivilen Personen mit der Großen Armee den Russlandfeldzug mitmachten und viele davon im Winter 1812/13 auf dem Rückzug an Hunger, Kälte und Krankheiten starben. Beweise für Davids Tod in Minsk gibt es jedoch nicht.

Literatur

  • Alexander Daveson (d.i. S. A. David): Verzeichniss von Kunstsachen, welche zu haben sind, Braunschweig 1776
  • S. A. David: Über die Schweiz und die Schweizer, Berlin 1795.
  • Alexander Daveson (d.i. S. A. David): Ueber Lessings Denkmal. In: August von Hennings: Genius der Zeit. 1796 (darin persönliche Erinnerungen Davids an Lessing).
  • Karl Julius Lange (d.i. S. A. David): Gesandtenmord unter Karl V.: Ein Beitrag zur Geschichte des Völkerrechts im 16. Jahrhundert. Hamburg 1799.
  • Karl Julius Lange (d.i. S. A. David): Betrachtungen über die fünf Friedensschlüsse, Altona 1802.
  • Karl Julius Lange (d.i. S. A. David): Die Chronik. Ein Journal. Hamburg 1802.
  • Karl Julius Lange (d.i. S. A. David): Der nordische Merkur. Ein Journal historischen, politischen und litterarischen Inhalts. Berlin 1805.
  • Karl Julius Lange (d.i. S. A. David): Der Telegraph. Ein Journal der neuesten Kriegsbegebenheiten. Berlin 1806–1808.
  • Peter Jungblut: Verraten und verkauft. Das abenteuerliche Leben des Simson Alexander David. (In Vorbereitung, erscheint 2011)
  • Simson Alexander David. In: Manfred Asendorf, Rolf von Bockel (Hrsg.): Demokratische Wege. Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten. Ein Lexikon. J. B. Metzler, Stuttgart, Weimar 1997, S. 123–124. ISBN 3-476-01244-1 (Kurz-Biografie).
  • Johann Georg Meusel: Das gelehrte Deutschland oder Lexikon der jetzt lebenden deutschen Schriftsteller. Lemgo 1810 (dort biograf. Abriß).
  • Hans-Heinrich Ebeling: Die Juden in Braunschweig. Braunschweig 1987.
  • Ulrich Wyrwa: Juden in der Toskana und in Preußen im Vergleich. London 2003.
  • Aus Alexander Davesons Frühzeit. In: Michael. Bd. 2, 1973, S. 61 ff.

Belege

  1. so die Angabe in der Zeitschrift "Hamburg und Altona", Bd. 4/Heft 12, Jg. 1802, S. 224

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