Spiegelmer

Spiegelmer
3D-Strukturmodell eines Spiegelmerfragments

Spiegelmere sind der Ribonukleinsäure (RNA) ähnliche Moleküle, die aus unnatürlichen L-Ribonukleotiden aufgebaut sind. Sie sind künstliche Oligonukleotide und verdanken ihren Namen der Tatsache, dass sie stereochemisch Spiegelbilder natürlicher Oligonukleotide sind. Spiegelmere stellen eine Form der Aptamere dar und können wie diese spezifische Moleküle, beispielsweise Proteine, über ihre dreidimensionale Struktur binden. Dank der Verwendung von L-Nukleotiden zeichnen sie sich durch eine hohe enzymatische Stabilität aus. Spiegelmere werden als potenzielle Arzneistoffe entwickelt und werden derzeit in klinischen Studien geprüft.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Chemische Eigenschaften

D- und L-Ribose

Spiegelmere sind als die stereochemischen Spiegelbilder (Enantiomere) natürlicher Oligonukleotide aus L-Nukleotiden aufgebaut. Nukleotide, aus denen Amptamere einschließlich Spiegelmere aufgebaut sind, also Adenosinmonophosphat (AMP), Guanosinmonophosphat (GMP), Cytidinmonophosphat (CMT) und Uridinmonophosphat (UMP), bestehen aus einem Phosphatrest, einer Nukleobase und einer Ribosegruppe als Träger der Chiralitätszentren. Durch Austausch der natürlichen D-Ribose gegen sein Enantiomer, die künstliche L-Ribose, entstehen L-Nukleotide, die Bausteine der Spiegelmere.

Biologische Eigenschaften

Wie andere Aptamere sind Spiegelmere in der Lage, Moleküle, wie Peptide, Proteine und niedermolekulare Stoffe, zu binden. Die Affinität von Spiegelmeren zu ihren Zielmolekülen liegt oft im pico- bis nanomolaren Bereich und ist somit der von Antikörpern vergleichbar. Spiegelmere selbst besitzen eine geringe Antigenität.[1] Im Gegensatz zu anderen Aptameren, die hydrolytisch durch Enzyme gespalten werden können, besitzen Spiegelmere eine hohe Stabilität im Blutserum.[2] Ungeachtet dessen werden sie auf Grund ihrer geringen molaren Masse, die unterhalb der Nierenschwelle liegt, innerhalb kurzer Zeit über die Nieren ausgeschieden. Modifizierte Spiegelmere mit einer höheren molaren Masse, beispielsweise pegylierte Spiegelmere, zeigen eine verlängerte Plasmahalbwertzeit.[1]

Herstellung

Im Gegensatz zu anderen Aptameren können Spiegelmere nicht mit Hilfe der konventionellen, als systematische Evolution von Liganden durch exponentielle Anreicherung (SELEX) bezeichneten Technik gewonnen werden, da L-Nukleinsäuren nicht mit Hilfe enzymatischer Verfahren, wie der der Polymerasekettenreaktion, amplifiziert werden können. Daher erfolgt die Selektion über den Umweg konventioneller D-Nukleinsäuren unter Verwendung von gespiegelten Zielmolekülen.

1. Spiegelung des Zielmoleküls

Im ersten Schritt wird künstlich ein Spiegelbild des Zielmoleküls erzeugt. Im Fall von Peptiden und kleineren Proteinen werden diese synthetisch unter Verwendung künstlicher D-Aminosäuren, den Enantiomeren der natürlichen Aminosäuren, mit Hilfe der Peptidsynthese hergestellt. Ist das Zielmolekül ein größeres Protein, so kann gegebenenfalls das Spiegelbild eines Epitops mit Hilfe der Peptidsynthese unter Verwendung von D-Aminosäuren hergestellt werden.

2. SELEX

Eine konventionelle aus bis zu 1016 verschiedenen Oligonukleotiden bestehende Molekülbibliothek dient als Ausgangspunkt für das anschließende SELEX-Verfahren. In Zyklen aus Selektion unter Verwendung des Spiegelbilds des Zielmoleküls, Separation, Amplifikation und gegebenenfalls Mutation werden die Oligonukleotide isoliert, welche das Spiegelbild des Zielmoleküls am besten binden.

3. Sequenzierung und Synthese

Mit Hilfe der DNA-Sequenzierung wird die Nukleinsäuresequenz der aus dem SELEX-Verfahren gewonnenen Oligonukleotide ermittelt. Diese Information wird zur künstlichen Synthese des Spiegelbild des Oligonukleotids, des Spiegelmers, unter Verwendung von L-Nukleotiden verwendet.

Verwendung

Spiegelmere, die beispielsweise gegen die Chemokine CCL2 und CXCL12, die Komplementkomponente C5a und Ghrelin gerichtet sind, stellen potenzielle Arzneistoffe dar. Sie befinden sich derzeit in der präklinischen oder klinischen Entwicklung. Auch eine Anwendung als Diagnostika ist möglich.[2]

Einzelnachweise

  1. a b Wlotzka B, Leva S, Eschgfäller B, et al.: In vivo properties of an anti-GnRH Spiegelmer: an example of an oligonucleotide-based therapeutic substance class. In: Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A.. 99, Nr. 13, Juni 2002, S. 8898–902. doi:10.1073/pnas.132067399. PMID 12070349. Volltext bei PMC: 124395.
  2. a b Klussmann S, Nolte A, Bald R, Erdmann VA, Fürste JP: Mirror-image RNA that binds D-adenosine. In: Nat. Biotechnol.. 14, Nr. 9, September 1996, S. 1112–5. doi:10.1038/nbt0996-1112. PMID 9631061.

Literatur

  • Vater A, Klussmann S: Toward third-generation aptamers: Spiegelmers and their therapeutic prospects. In: Curr Opin Drug Discov Devel. 6, Nr. 2, März 2003, S. 253–61. PMID 12669461.

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