Stadtkirche (Tuttlingen)

Stadtkirche (Tuttlingen)
Fassade der Stadtkirche

Die evangelische Stadtkirche ist eine im 19. Jahrhundert erbaute Kirche in Tuttlingen im Landkreis Tuttlingen in Baden-Württemberg.

Mit einem klassizistischen Grundentwurf, einer Jugendstilfassade, einem neoromanischen Glockenturm und einem am Profanbau der deutschen Renaissance orientierten historistischen Giebel vereinigt sie Architekturelemente vom Beginn des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem beispielhaften eklektischen Gesamtbild.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Vorgängerbau, die Peter- und Paulskirche, musste nach dem Stadtbrand 1803 abgerissen werden. Eine provisorische Bretterkirche stürzte während eines Sturmes ein. Baubeginn für die jetzige Stadtkirche war im Jahr 1815.

Erbaut wurde sie nach Entwürfen des Bauinspektors Carl Christian Nieffer (* 1787, Schüler des Stuttgarter Hofbaumeisters Nikolaus Friedrich von Thouret). Die Einweihung fand am 300. Jahrestag des Thesenanschlags der Reformation – am 31. Oktober 1817 - statt.

Mit dem während der Industrialisierung erworbenen neuen Wohlstand der Bürger wuchs der Wunsch nach einer prächtigeren und modernen Kirche. 1868 wurde der Turm erhöht. Er sollte den Turm der geplanten katholischen St. Galluskirche weiterhin übertreffen. An der Nordfassade zur Poststraße (heute: Bahnhofstraße) wurde ein mächtiger Giebel errichtet. Vier Pilaster - durch Rundbogen verbunden - und Kapitelle, auf denen die Evangelisten Matthäus (mit Engel) und Johannes (mit Adler) sowie die beiden früheren Kirchenpatrone Petrus (mit Schlüssel) und Paulus (mit Schwert) stehen, wurden aufgesetzt. Im Giebeldreieck befindet sich Christus. Christus, Petrus und Matthäus sind ein Werk der Stuttgarter Bildhauer Lindenberger und Rühle, Paulus und Johannes wurden vom Tuttlinger Bildhauer Christian Teufel geschaffen.

Nachdem in den 1960er Jahren Überlegungen bis hin zu Profanierung und Abriss angestellt worden waren, wurde die Stadtkirche 1974 bis 1978 restauriert. Der Tuttlinger Bildhauer Roland Martin entwarf dazu Altar, Kanzelpult und Taufgerät neu. Der Nordteil des Gotteshauses wurde für Vorraum und Nebenräume räumlich abgetrennt, der Saal mithin verkleinert, die Orgel verlegt, die obere Empore entfernt, neues Gestühl und Bodenheizung eingebracht.

Architektur

Der Bau ist eine Hallenkirche. Architektonisch steht Nieffers klassizistischer Entwurf Schinkels Neuer Wache in Berlin nahe. Das Dach ist eine charakteristische Tuttlinger Haube. 1868 wurde der Turm in neoromanischem Stil auf 68 Meter Höhe aufgestockt, nachdem die katholische Gemeinde ihre Galluskirche mit einem spitzen hohen Turm in Planung gegeben hatte.

Ausstattung

1893 malte Rudolf Yelin d.Ä. (1864–1940) die Bilder an der Kanzelwand Gebetskampf Jesu in Gethsemane und Christi Himmelfahrt, sowie darunter die friesartigen Bilder Jesus als Kinderfreund und Kreuztragung. Die Altarwand wurde vom Reutlinger Künstler Fritz Hummel mittels einer aufgemalten Renaissance-Architektur gegliedert. Der Stuttgarter Oberbaurat Heinrich Dolmetsch erneuerte 1903 Innenraum und Fassade im Jugendstil. Tür- und Fensterrahmen und Kirchenbänke erhielten holzgeschnitzte Verzierungen im Jugendstil, ebenso die Brüstungen der beiden Emporen, die Kanzel, und das neue Orgelgehäuse.

Orgel

Die Orgel der Stadtkirche wurde 1978 durch die Orgelbaufirma Peter Mönch (Überlingen) in dem historischen Gehäuse der Vorgängerorgel von 1903 erbaut, und 2006 um ein Röhrenglockenspiel und elektrische Setzerkombinationen erweitert. Das Instrument hat 46 Register (2980 Pfeifen). Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch.[1]

I Hauptwerk C–g3

1. Praestant 16'
2. Principal 8'
3. Koppelflöte 8'
4. Octave 4'
5. Blockflöte 4'
6. Salicional 8'
7. Superoctave 2'
8. Mixtur V 2'
9. Trompete 8'
10. Clairon 4'
Tremulant
II Brustwerk C–g3
11. Offenflöte 8'
12. Principal 4'
13. Rohrflöte 4'
14. Nasard 22/3'
15. Octave 2'
16. Nachthorn 2'
17. Terzflöte 13/5'
18. Sifflöte 11/3'
19. Superoctave 1'
20. None 8/9'
21. Cymbel IV 2/3'
22. Cromorne 8'
Tremulant
III Schwellwerk C–g3
23. Stillpommer 16'
24. Harfoctave 8'
25. Gemshorn 8'
26. Schwebung 8'
27. Schwiegel 4'
28. Schweizerpfeife 4'
29. Doublette 2'
30. Scharff IV-V 11/3'
31. Dulcian 16'
32. Hornoboe 8'
33. Schalmei 4'
Tremulant
Pedal C–f1
34. Untersatz 32'
35. Großprincipal 16'
36. Subbaß 16'
37. Großoctave 8'
38. Gemsbaß 8'
39. Choralbaß 4'
40. Hohlflöte 4'
41. Nachthorn 2'
42. Baßzink III 51/3'
43. Rauschwerk IV 22/3'
44. Posaune 16'
45. Trompete 8'
46. Trompete 4'
Tremulant

Veranstaltungen

Die Stadtkirche prägt vor allem mit Orgel- und Oratorienkonzerten der Kantorei das kulturelle Leben Tuttlingens bis heute.

„Symbol protestantischen Selbstbewußtseins“

Umgeben von einem katholisch geprägten Umland war es für die mehrheitlich evangelischen Tuttlinger nach dem Stadtbrand 1803 wichtig, mit einem angemessenen Kirchbau ein Symbol für den Protestantismus im südlichen Württemberg zu setzen.

Einzelnachweise

  1. Zur [http(:)//moench-orgelbau(.)de/disposition,moench-orgel-098,a,3 Disposition]

Weblinks

 Commons: Stadtkirche Tuttlingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
47.9838318.817075

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