Teeschlösschen

Teeschlösschen
Ansicht von der Orangerie aus

Das Teeschlösschen in Gotha (Thüringen) ist ein neogotisches Lustschlösschen in Form einer Kapelle im Schlosspark östlich des Schlosses Friedenstein aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zwischen Oktober 1780 und März 1781 ließ Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) östlich unterhalb der Festungsanlagen des Schlosses Friedenstein im „Garten der Herzogin“ ein Gartenhaus für seine Frau Charlotte Amalie (1751–1827) errichten. Baumeister Carl Christoph Besser (1726–1800) nahm sich vermutlich das 1778 nach einer Idee Goethes errichtete Kloster der Herzogin Luise im Weimarer Park zum Vorbild, als er direkt oberhalb der Orangerie einen Bau im Stil der Neogotik schuf, der zunächst als Kloster, Kapelle oder Eremitage bezeichnet wurde.

In Hirschfelds Gartenkalender auf das Jahr 1782[1] ist ein Kupferstich mit einer Ansicht der Kapelle der Herzogin enthalten, die als "Wohngebäude im altgotischen Stil" beschrieben ist. Das Bild zeigt eine schlichte, einstöckige und einschiffige Kapelle mit Satteldach und kleinem Dachreiter, der von einem Kreuz geziert wird. 1783 ließ die herzogliche Kammer das Gebäude, das schnell zum Lieblingsaufenthalt der Herzogin avanciert war, offiziell zur Sommerwohnung Charlotte Amalies ausbauen. Die Baumaßnahmen umfassten u.a. eine Erweiterung des Gebäudes um 6,50 Meter nach Westen sowie den Ausbau des Dachgeschosses. In den Jahren 1799/1800 erhielt der direkt am Leinakanal gelegene Bau seinen kreuzförmigen Grundriss durch einen zweigeschossigen Anbau nach Osten sowie die Hallen nach Norden und Süden. 1812 erfolgte schließlich mit dem chorähnlichen Anbau nach Osten die letzte Erweiterung des Gebäudes, das damit seine heutige Gestalt bekam. Ob die die heute offizielle Bezeichnung Teeschlösschen bereits zu Zeiten der Herzogin Charlotte Amalie im Gothaer Volksmund aufkam, ist bislang nicht bekannt.

Im Jahre 1821 schenkte Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg seiner Gemahlin Karoline Amalie das Teeschlösschen (zusammen mit dem Winterpalais und dem Schloss Friedrichsthal), das die Herzogin bis zu ihrem Tod 1848 gelegentlich nutzte. Unter ihrem Schwiegersohn Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha diente das Teeschlösschen ab 1839 als Kapelle für die englische Verwandtschaft des Herzogshauses, wenn sich diese am Gothaer Hof aufhielt. Während dieser Zeit wurde das Gebäude daher vielfach auch offiziell als Englische Kapelle erwähnt. Direkt neben dem Teeschlösschen wurde 1845 zur Erinnerung an den Gotha-Besuch Königin Victorias und ihres Prinzgemahls Albert, des jüngeren Bruders Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha, eine Buche gepflanzt. Der im Volksmund als Albertsbuche bekannte Baum fiel rund 100 Jahre später einem Sturm zum Opfer.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs rissen 1914 die freundschaftlichen Beziehungen des gothaischen Hofes zum englischen Königshaus (da der regierende Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha, ein gebürtiger Engländer, auf Seiten Deutschlands kämpfte) und gab es keine Besuche der englischen Verwandtschaft in Gotha mehr, sodass das Teeschlösschen fortan nicht mehr als Kapelle genutzt wurde.

1920 begannen in dem nunmehr der Stadt Gotha gehörenden Gebäude die sogenannten Duncker-Kurse der "Arbeitshochschule". Die Lehrgänge boten Qualifizierungsmöglickeiten in Raumlehre, Buchführung, "materialistischer Geschichtsauffassung", Naturwissenschaft, Religion, Kirche, Schule, mündlichem und schriftlichem Ausdruck sowie in Staatslehre.

Über Jahrzehnte ein städtischer Kindergarten, ist das Teeschlösschen an dem nach Moses Mendelssohn benannten Mendelssohnweg 1 im Schlosspark seit den 1990er-Jahren eine christliche Kindertagesstätte. Diese wird von der Evangelisch-Lutherischen Stadtkirchengemeinde betrieben, das Gebäude selbst ist nach wie vor im städtischen Besitz.

Der ursprüngliche Bau Bessers von 1780/81 ist bis heute im Baukörper des Teeschlösschens erhalten. 2006 konnte bei restauratorischen Untersuchungen die originale Farbfassung von Bessers Kapelle hinter dem südlichen Hallenanbau dokumentiert werden.[2]

Sonstiges

Direkt unterhalb (östlich) des Teeschlösschens fließt der im Jahre 1369 fertiggestellte Leinakanal entlang, der Gotha über Jahrhunderte mit Wasser versorgte. Wohl aus diesem Grund wurde 1933 in die Umfassungsmauer die alte Sandsteintafel von der 1895 abgerissenen Bergmühle eingelassen, welche an die Erbauung des Leinakanals erinnert. Die heute stark verwitterte, aber noch immer lesbare lateinische Inschrift der Tafel (links des Eingangs zum Teeschlösschen) lautet: ANNO DOMINI MCCCLXIX LANDGR(AVIUS) BALTHASAR INTRODUXIT AQUAM LINAM IN GOTAM. (Im Jahre des Herrn 1369 führte Landgraf Balthasar das Leinawasser nach Gotha.)

Literatur

  • Hopf, Udo / Lass, Heiko: Merkur-Tempel, Teeschlösschen und die Gartenarchitekturen im Gothaer Park, in: Im Reich der Göttin Freiheit. Gothas fürstliche Gärten in fünf Jahrhunderten, Gotha, 2007, ISBN 978-3-89807-106-2

Einzelnachweise

  1. Gartenkalender auf das Jahr 1782. Hrsg. von Christian Kay Lorenz Hirschfeld. Kiel und Dessau, 1781. S. 152 und Kupfertafel No. 5.
  2. Dokumentation der Farbuntersuchung am Teeschlösschen, Barbara Ginskey, 2006/07

Weblinks


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