Toccata und Fuge F-Dur BWV 540

Toccata und Fuge F-Dur BWV 540

Die Toccata und Fuge F-Dur BWV 540 ist ein Orgelwerk von Johann Sebastian Bach.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Entstehung des Werkes lässt sich nicht eindeutig bestimmen: Viele meinen, Bach habe zwei früher voneinander getrennt entstandenen Werke zu einem Gesamtkunstwerk zusammengefügt. Die Entstehung der Toccata wird daher auf die Zeit nach 1714, die der Fuge auf die Zeit vor 1731 geschätzt, beides Teile, die für die Förner-Orgel auf Neu-Augustusburg, der Residenz des Herzogtums Sachsen-Weißenfels bestimmt sind.

Partitur

Toccata

Förner-Orgel der Schlosskirche, Schloss Neu-Augustusburg 2009

Die Toccata startet mit einem ausgedehnten linearen Kanon über einem Orgelpunkt in F-Dur, worauf sich ein aus dem Material scheinbar improvisiertes Pedalsolo anschließt. Der Kanon wird mehrmalig variiert wiederholt in der Dominanttonart C-Dur. Dieses Mal sind die Hände umgeschaltet und die linke Hand führt die rechte. Wieder folgt ein langes Pedalsolo. Die zwei ausgedehnten Kanon-Schnörkel umfassen 108 Takte des Werkes, das Pedalsolo 60 Takte. Der Concerto-Satz weist eine siebenteilige Struktur auf. Die Kanoni und Pedalsoli erwirken den Beginn auf dem Grundton F hin zur Dominanttonart C-Dur, und der ganze Rest des Werks mit seiner concertante dreiteiligen Imitation, treffend auf die "Proto-Waltzer" bildet die harmonische Rückführung nach F-Dur. Das formale Modell ist einmalig in Bachs Oeuvre. Bach hat hier in die Musik sogar seinen Familiennamen mit eingebaut: an einer Stelle können sukkzessiv im Pedal auf dem ersten Schlag vier aufeinander folgender Takte die Töne B - A - C - H gehört werden. Zurecht drückt Hermann Keller seine Begeisterung wie folgt aus:

Zu Beginn der ausgedehnten linearen Konstruktion der zwei Kanonstimmen, die stolze Gelassenheit der Soli im Pedal, die durchdringenden Akkordtakte, der feurige Auftrieb des zweien Sujets, die dreisten Modulationsverschiebungen, die Innerlichkeit der drei Moll-Sätze, der prachtvolle Schluss mit seiner berühmten Umkehrung des Septimakkordes, wer würde davon nicht verzaubert?

Wegen der Größenordnung der Pedal-Parts mag das Werk konkret für die Förner-Orgel der Schlosskirche Neu-Augustusburg in Weißenfels komponiert worden sein, die schon damals einen Pedalumfang bis f1 hatte. Die Toccata F (als Präludium) ist im Verhältnis die größte aller Bach-Werke im Format einer Toccata und Fuge. Sie wird deshalb oft als Paradestück betrachtet in der völligen Vernachlässigung der darauffolgenden Fuge.

Die rhythmische Signatur der Toccata suggeriert einen Schreittanz oder eine Musette, obwohl die monumentale Takteinheit des Werks diese Charakterisierung gar nicht unterstützt. Genauso nicht die harmonische Abenteuerlichkeit: 45 Takte nach dem zweiten Pedalsolo gibt es in der Toccata einen Dominantseptimakkord, der trügerisch über die dritte Umkehrung der Zwischendominante in den Neapolitaner aufgelöst wird. Insbesondere der verdoppelte Grundton wird erkannt, die Linie in Gegenbewegung chromatisch nach außen zu bewegen. Im Bass gibt es einen absteigenden augmentierten Einklang, der absolut nicht abgewendet werden kann von der erwarteten V.Stufe. Den gewaltigen Trugschluss setzt Bach dreimal in diesem Stück um; es soll nicht idiomatisch werden bis Chopin und Tschaikowski. (siehe unten)

Fuge

Die Doppelfuge ist nicht sehr bekannt. Das erste Sujet in der Fuge ist chromatisch und schnörkelig verziert. Das zweite Sujet hat eine Menge an Modulationsverschiebungen und wird manchmal anfangs präsentiert als Gegen-Sujet des ersten Themas. Die Fuge ist Bachs einzige durchgehende Doppelfuge, in der zwei Sujets in separaten Teilen herausgestellt und dann miteinander kombiniert sind. Der Effekt wird gesteigert durch die ansteigende rhythmische Aktivität des zweiten Sujets und dem häufigeren Gebrauch von Modulationen im letzten Teil der Fuge.

Das Bravurstück der Toccata in F mit seinen Pedal-Soli und seiner Virtuosität am Manual bildet einen scharfen Kontrast zu der eher nüchternen Eröffnung der Fuge. Beides repräsentiert zwei verschiedenartige Aspekte des Italienischen Einflusses: die motorischen Rhythmen und das folgegebundene Durchgangswerk der Toccata bzw. der traditionelle alla breve-Kontrapunkt der Fuge mit seinen Chromatisierungen, seinen harmonischen Aufschiebungen und ununterbrochenen Reihen von Sujets und Beantwortungen. Diese Techniken sind sehr vergleichbar mit denen der Dorischen Toccata d-Moll BWV 538.

Die Arie F-Dur BWV 587 wird als Zwischenstück für diese Komposition vermutet, da es schwer vorstellbar scheint, dass Bachs Toccata, Adagio and Fuge in C-Dur BWV 564 die einzige 3-teilige seiner Orgelkompositionen ist.

d: V7 löst sich auf zu V42→♭II — Vergleiche mit Chopins Nocturne Op. 48 no. 1

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