Umgekehrte Diskriminierung

Umgekehrte Diskriminierung

Umgekehrte Diskriminierung (engl. Reverse Discrimination) bezeichnet die Diskriminierung von Mitgliedern einer als bevorteilt erachteten zugunsten einer als benachteiligt erachteten Gruppe.

Inhaltsverzeichnis

Verwendung

Europäische Union

2007 berichtete The Times über die Kritik eines ehemaligen Vizepräsidenten des britischen „Royal College of Surgeons“ an der Quotenpolitik des National Health Service:[1]

„It is time that someone spoke up concerning the reverse discrimination with respect to merit awards [...] In the politically correct environment in which we live, there is now definitely reverse discrimination.”
(deutsch: „Es wird Zeit, dass jemand die umgekehrte Diskriminierung bei der Vergabe von Preisen zur Sprache bringt [...] In der politisch korrekten Umgebung, in der wir leben, findet heute definitiv eine umgekehrte Diskriminierung statt.”

Vereinigte Staaten

In den USA wird der Ausdruck „Reverse Discrimination“ unter anderem bei Diskussionen um Minderheitenquoten für staatliche Bildungseinrichtungen verwendet. Quoten für die gleichmäßige Verteilung von Schülern verschiedener ethnischer Zugehörigkeit auf die Schulen eines Bezirks gelten mittlerweile als verfassungswidrig.[2] Manche Städte verwenden nach wie vor ethnische Quoten für die Vergabe öffentlicher Aufträge. So legte die Stadt Chicago fest, dass die Mittel für Bauaufträge zu einem Viertel an Betriebe vergeben werden müssen, deren Eigentümer Angehörige von Minderheiten sind.[3] 2009 klagten Feuerwehrleute erfolgreich gegen die Stadt New Haven (Connecticut), die Ergebnisse eines Beförderungstests verworfen hatte, nachdem sechzehn weiße und drei hispanische, aber kein afroamerikanischer Bewerber den Test bestanden hatten.[4][5]

Indien

In Indien findet der Begriff bei Protesten gegen Quotenregelungen für politische Gremien und die Vergabe von Arbeits- und Aubildungsplätzen vielfach Verwendung.[6][7]

Kritik am Begriff

Kritisiert wird an diesem Begriff, dass er für eine moderne Spielart des Rassismus benutzt werde. In einer empirischen US-amerikanischen Untersuchung hoben Bonilla-Silva und Forman hervor, dass weiße Studierende institutionellen Rassismus selten wahrnähmen und daher positive Diskriminierung (Affirmative Action) zu Unrecht als unfair und als umgekehrte Diskriminierung ansähen:[8]

„Color-blind racism allows Whites to appear ‘not racist (“I believe in equality”), preserve their privileged status (“Discrimination ended in the sixties!”), blame Blacks for their lower status (“If you guys just work hard!”), and criticize any institutional approach – such as affirmative action – that attempts to ameliorate racial inequality (“Reverse discrimination!”)."
(deutsch: „Farbenblinder Rassismus erlaubt es Weißen, nichtrassistisch zu erscheinen („Ich glaube an die Gleichheit“), ihren privilegierten Status zu erhalten („Diskriminierung endete in den Sechzigern“), Schwarzen die Schuld für ihren niedrigeren Status zu geben („Wenn ihr nur hart genug arbeitet“) und jeden institutionellen Ansatz - wie affirmative Maßnahmen - zu kritisieren, der Ungleichheit zwischen ethnischen Gruppen verringern soll („Umgekehrte Diskriminierung!“).“)

Einzelnachweise

  1. Sarah-Kate Templeton: Doctor's Revolt at Anti-White Bias', in: The Times, 18. November 2007
  2. Urteil zum Fall Parents involved in Community Schools vs. Seattle School District No. 1
  3. Chicago Municipal Code, Ch. 2-92, Ch. 2-92-430, Ch. 2-91-445.
  4. Urteil zum Fall Ricci v. DeStefano
  5. High court backs firefighters in reverse discrimination suit, bei: CNN, 29.Juni 2009
  6. Devanesan Nesiah: „Discrimination With Reason? The Policy of Reservations in the United States, India and Malaysia”, Oxford University Press, 1997
  7. Excess reservation will cause reverse discrimination, cautions Supreme Court, in: The Hindu, 24. Oktober 2006
  8. Eduardo Bonilla-Silva, Tyrone A. Forman: “I am not a racist but . . .”: mapping White college students’ racial ideology in the USA., in: Discourse & Society, Vol. 11, London, Thousand Oaks, CA and New Delhi, 2000, S. 79 pdf-Datei (30. Mai 2009)

Literatur

  • Andreas Lach: Umgekehrte Diskriminierungen im Gemeinschaftsrecht. Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zum Merkmal des grenzüberschreitenden Bezugs unter besonderer Berücksichtigung der Unionsbürgerschaft - Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der Grundfreiheiten Peter Lang, 2008, ISBN 978-3-631-57517-8
  • R. Kent Greenawalt: Discrimination and Reverse Discrimination. 1983, ISBN 0394335775
  • Jeffrey Scott Mio: Key words in multicultural interventions. A dictionary. Greenwood Publishing Group, 1999, S. 223 f., ISBN 0313295476

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