Umweltkostenrechnung

Umweltkostenrechnung

Umweltkostenrechnung ist ein in den 1990ern entwickeltes Konzept, das der Planung, dem Management und dem Operationscontrolling in Unternehmen dient. [1] Seitdem wurden zahlreiche konzeptionelle Ansätze, die bspw. auf Prozesskostenrechnung oder dem Konzept „variable Kosten“ basieren, entwickelt, um eine breitere Anwendung zu ermöglichen. [2] [3]

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbestimmung

Die konventionelle Kostenrechnung dient der Ermittlung, Dokumentierung und Analyse aller in einem vordefinierten System (z. B. der gesamten Organisation oder einer Abteilung) anfallenden Kosten und der Zuordnung dieser zu Einheiten, Aktivitäten, Prozessen oder Produkten. Sie untersucht Deckungsbeiträge einzelner Produkte sowie Einnahmen und Ausgaben der Gesamtorganisation. Die Umweltkostenrechnung hingegen beschäftigt sich mit der Erfassung von direkten und indirekten Kosten von betrieblichen Umwelteinwirkungen mit vertretbarem Aufwand, der verursachungsgerechten Verrechnung und der Berücksichtigung deren Auswirkung auf das Erreichen der betrieblichen Ziele. Unter betrieblichen Umweltkosten werden hier Kosten verstanden, die durch die Umwelteinwirkungen der Organisation verursacht werden. Sie bestehen aus Umweltschutzkosten (nachsorgender u. integrierter Umweltschutz), Reststoffentstehungskosten (Einkauf, Transport u, Bearbeitung problematischer Stoffe) und Produktkosten.[4]

Bei der Umweltkostenrechnung handelt es sich sowohl um interne Umweltkosten (innerhalb des Betriebes) als auch externe Umweltkosten (außerhalb des Betriebes), die keinen engen zeitlichen Bezug zur verursachenden Aktivität aufweisen müssen. Obwohl häufig nur Kosten betrachtet werden, die betriebsintern durch die tatsächliche, allgemein bekannte und messbare Belastung der Umwelt (z. B. Abwasserabgabengesetz) oder die Reduzierung von Umwelteinwirkungen (z. B. CO2-Offsetting) entstehen, umfasst das moderne Verständnis von Umweltkosten auch alle emissions und reststoffbedingten Materialflusskosten, inkl. Einkaufs, Personal, Abschreibungs und Entsorgungskosten. [5]

Einordnung in das Nachhaltigkeitsmanagement

Durch die Umweltkostenrechnung gewinnen Unternehmen oder einzelne Abteilungen einen Einblick über die genaue Höhe der umweltinduzierten Kosten und sind dadurch in der Lage, diese Kosten mit den entsprechenden Erträgen bzw. Leistungen zu vergleichen. Durch die Ansätze der Umweltkostenrechnung lassen sich Kostensenkungspotentiale bei gleichzeitiger Umweltentlastung ermitteln. Diese Informationen unterstützen die Unternehmensführung bei Entscheidungen über zukünftige Aktivitäten eines Betriebes bzw. einer Abteilung. Des Weiteren können in vielen Fällen die Öko- Effektivität als auch die Öko-Effizienz eines Betriebes erhöht werden. [6]

Grenzen und Schwächen

Eine Umweltkostenrechnung auf Basis der herkömmlichen Kostenrechnung ist vergangenheitsbezogen und macht keine Aussagen über die zukünftige Entwicklung. [7] Wie die konventionelle Kostenrechnung weist sie zudem das Problem der plausiblen Allokation von Gemeinkosten auf die Kostenstellen und Kostenträger auf. Aus Umweltsicht ist die unzureichende Berücksichtigung externer Kosten zu bemängeln. Umweltaspekte, die keine unmittelbaren finanziellen Konsequenzen für das Unternehmen haben, bleiben i. d. R. unberücksichtigt.

Praxisbeispiele

Neumarkter Lammsbräu

Die Neumarkter Lammsbräu als mittelständische Brauerei (ca. 80 Mitarbeitende) erstellt seit Anfang der neunziger Jahre betriebliche Stoff- und Energiebilanzen zur Optimierung der betrieblichen Ressourceneffizienz. 1996 wurde ein Umweltcontrolling-System eingeführt,um betriebliche Stoff- und Energieströme mit den jeweiligen Kostenströmen zu verbinden. Die Vollkosten der Neumarkter Lammsbräu lagen bei rund 8 Mio. Euro, davon 5,8 Prozent „primäre Umweltkosten“. Als primäre Umweltkosten werden Kosten bezeichnet, deren Entstehung unmittelbar dem betrieblichen Unternehmensziel „Umweltschutz“ zuzuordnen sind. Die „primären Umweltkosten“ teilen sich in Umweltentlastungskosten (Kosten, die zur Vermeidung und/oder Verminderung des betrieblichen Ressourcenverbrauchs anfallen) und Umweltbelastungskosten (Kosten bezeichnet, die aufgrund der Nutzung der Umwelt für den betrieblichen Leistungserstellungsprozess anfallen) auf. Zusätzlich wurde ein Ansatz entwickelt, mit dem gezeigt werden soll, in welcher Höhe externe Kosten durch die Einführung einer ökologischen Unternehmenspolitik vermieden werden. [8] Informationen zu Umweltkostenaktivitäten bei Neumarkter Lammsbräu werden jährlich im Öko- Controlling Bericht veröffentlicht. [9]

Ontario Hydro

Die Ontario Hydro ist einer der größten Stromversorger Nordamerikas mit acht Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen, zwölf Kernkraftwerken und 69 Wasserkraftwerken. Bereits seit 1974 strebt das Unternehmen die Quantifizierung und Bewertung externer Effekte an. Als Monetarisierungsansätze stehen die „Willingness to pay“ und die „Willingness to accept“ im Zentrum. Von 1992 bis 1999 setzten Mitarbeiter der Ontario Hydro ein eigenes Kostenrechnungssystem ein, um externe Kosten in die Unternehmenssonderrechnung zu integrieren: das sogenannte „Full Cost Accounting“ (FCA).

Beim Full Cost Accounting (FCA) werden die internen und externen (Umwelt-)Kosten mit den Umweltwirkungen verbunden. Von den möglichen externen Effekte wurden die fünf Kategorien: Sterblichkeit, Krankheitsfolgen, Krebsfälle, Ernteausfälle, Gebäudeschäden für das Unternehmen als entscheidungsrelevant eingestuft und in das Modell des FCA integriert. Die Ontario Hydro gewann die Einsicht, dass momentane potentielle externe Kosten in naher Zukunft zu internen Kosten werden können. Das FCA wurde in ein Gesamtunternehmenskonzept eingebunden, um diese Aspekte in der strategischen Ausrichtung zu berücksichtigen. Methodische Probleme bei Erfassung, Quantifizierung und der ökonomischen Bewertung von Umweltschäden konnten durch das FCA jedoch nicht gelöst werden. [10]

Siehe auch

Literatur

  • Bundesumweltministerium (BMU) & Umweltbundesamt (UBA) (Hrsg.): Leitfaden Betriebliches Umweltkostenmanagement. Berlin: BMU/UBA, 2003 UBA Berlin
  • Bundesumweltministerium (BMU) & Umweltbundesamt (UBA) (Hrsg.): Handbuch Umweltkostenrechnung. München: Vahlen, 1996
  • Bundesumweltministerium (BMU); econsense (Hrsg.); Schaltegger, S.; Herzig, C.; Kleiber, O.; Klinke, T.; Müller, J. (Autoren): Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen. Von der Idee zur Praxis: Managementansätze zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Sustainability. 3. Aufl. Berlin/Lüneburg: BMU, econsense, Centre for Sustainability Management, 2007 CSM Lüneburg (1,6 MB)
  • Letmathe, P. : Umweltbezogene Kostenrechnung. München: Vahlen, 1998
  • Loew, Fichter, Müller, Schulz, Ströberl: Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich. Vergleichende Beurteilung von Ansätzen der Umweltkostenrechnung auf ihre Eignung für die betriebliche Praxis und ihren Beitrag für eine ökologische Unternehmensführung. Berlin: Umweltbundesamt, 2003 UBA Berlin (1,34 MB)
  • Fichter, K., Loew T.; Seidel, E.: Betriebliche Umweltkostenrechnung: Methoden und praxisgerechte Weiterentwicklung. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, 1997 ISBN 978-3-540-62597-1
  • Fresner, J., Bürki, T., Sittig, H., Ressourceneffizienz in der Produktion - Kosten senken durch Cleaner Production, ISBN 978-3-939707-48-6, Symposion Publishing, 2009
  • Rikhardsson, P.; Bennett, M.; Bouma, J.; Schaltegger, S. (Hrsg.): Implementing Environmental Management Accounting: Status and Challenges. Dordrecht: Springer, 2005
  • Seidel, E.: Ökologisches Controlling – Zur Konzeption einer ökologisch Verpflichteten von und in Unternehmen. In: Wunderer, R. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre als Management- u. Führungslehre. Stuttgart, 1995
  • Schaltegger, S.; Burritt, R.: Contemporary Environmental Accounting: Issues, Concept and Practice. Sheffield: Greenleaf, 2000 ISBN 1-87471-934-9
  • Schaltegger,S.; Bennett, M.; Burritt, R.; Jasch, C. (Hrsg.): Environmental Management Accounting for Cleaner Production. Dordrecht: Springer, 2008 ISBN 978-1-4020-8912-1
  • Schaltegger, Stefan; Burritt, Roger; Petersen, Holger: An Introduction to Corporate Environmental Management. Striving for Sustainability. Sheffield: Greenleaf, 2003 ISBN 1-874719-65-9
  • Schaltegger, S.; Bennett, M.; Burritt, R. (Hrsg.): Sustainability Accounting and Reporting. Dordrecht: Springer, 2006

Weblinks

Quellen

  1. Seidel, E.: Ökologisches Controlling – Zur Konzeption einer ökologisch Verpflichteten von und in Unternehmen. In: Wunderer, R. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre als Management- u. Führungslehre. Stuttgart, 1995, S. 354-371
  2. Schaltegger, S. & Burritt, R.: Contemporary Environmental Accounting: Issues, Concept and Practice. Sheffield: Greenleaf, 2000
  3. Burritt, R., Hahn, T., Schaltegger, S.: Towards a Framework of EMA. In: Bennett, M., Bouma, J., Wolters T. (Eds.): Environmental Management Accounting: Informational and Institutional Developments. Dordrecht NL: Kluwer Academic Publishers, 2002, 21-35.
  4. Fichter, K., Loew T.; Seidel, E.: Betriebliche Umweltkostenrechnung: Methoden und praxisgerechte Weiterentwicklung. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, 1997, S.122ff
  5. Bundesumweltministerium (BMU); econsense (Hrsg.); Schaltegger, S.; Herzig, C.; Kleiber, O.; Klinke, T.; Müller, J. (Autoren): Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen. Von der Idee zur Praxis: Managementansätze zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Sustainability. 3. Aufl. Berlin/Lüneburg: BMU, econsense, Centre for Sustainability Management, 2007, S.135 CSM Lüneburg (1,6 MB)
  6. Schaltegger, S. & Burritt, R.: Contemporary Environmental Accounting: Issues, Concept and Practice. Sheffield: Greenleaf, 2000 ISBN 1874719357
  7. Schaltegger, S.; Hahn, T. & Burritt, R.: Environmental Management Accounting - Overview and Main Approaches, in: Seifert, E. & Kreeb, M. (Eds.): Information, Organization and Environmental Management Accounting, Rotterdam: Kluwer, 2001
  8. Loew, Fichter, Müller, Schulz, Ströberl: Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich. Vergleichende Beurteilung von Ansätzen der Umweltkostenrechnung auf ihre Eignung für die betriebliche Praxis und ihren Beitrag für eine ökologische Unternehmensführung. Berlin: Umweltbundesamt, 2003 S.150 UBA Berlin (1,34 MB)
  9. http://www.lammsbraeu.de/index.php?id=161
  10. Loew, Fichter, Müller, Schulz, Ströberl: Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich. Vergleichende Beurteilung von Ansätzen der Umweltkostenrechnung auf ihre Eignung für die betriebliche Praxis und ihren Beitrag für eine ökologische Unternehmensführung. Berlin: Umweltbundesamt, 2003 S.148 UBA Berlin (1,34 MB)

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