Villa Rustica (Holheim)

Villa Rustica (Holheim)

Die Villa Rustica bei Holheim ist ein kleinerer römischer Gutshof, der in den Jahren 1975 bis 1981 freigelegt wurde. Sie befindet sich in Sichtweite der bereits im Mittelpaläolithikum bewohnten Ofnethöhlen bei Holheim, einem Stadtteil von Nördlingen im Landkreis Donau-Ries, Bayern. Die Fundamente der Anlage wurden schrittweise freigelegt, konserviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Forschungsgeschichte

Gesamtansicht der Villenanlage. 1: Haupthaus; 2: heizbares Bad; 3–7: Wirtschaftsgebäude; 8: Hofmauer; 9: Verbindungsmauer.

Der Gutshof war im Maienbachtal, nahe dem südwestlichen Fuß eines fast zwei Kilometer langen Höhenrückens aus Kalkstein errichtet worden. Dieses Felsmassiv liegt am Kraterrand des Nördlinger Rieses und hatte auf seiner Hochfläche gegenüber der im Tal liegenden römischen Villa eine ungefähr 400 v. Chr. errichtete Befestigung getragen, deren verflachte Wälle durch moderne Steinbrüche weitgehend zerstört wurden. Das Ries galt in der Antike als Kornkammer der römischen Provinz Raetia, was sich auch an der Zahl von über 70 bezeugten Villae Rusticae in dieser Region belegen lässt.

Bereits im 19. Jahrhundert wurde römisches Fundgut unterhalb der Ofnethöhlen entdeckt.[1] Im Zuge der Flurbereinigung konnte 1975/76 zunächst das Haupthaus der Villa freigelegt und das Gelände für weitere archäologische Grabungen gesichert werden. In den darauffolgenden Jahren wurden bis 1981 die weiteren Gebäude aufgedeckt und auf Beschluss der Stadt Nördlingen konserviert. Heute gilt die Holheimer Villa Rustica als gründlich erforscht.

Befund

Neben dem Hauptgebäude konnten auf der Flur Ofnet fünf weitere Bauwerke, darunter ein Bad und Teile der Umfassungsmauer, aufgedeckt werden. Meist errichteten Veteranen der römischen Armee nach ihrer ehrenvollen Entlassung Anlagen dieser Art. Die ehemaligen Soldaten trugen mit ihrer bäuerlichen Arbeit wesentlich zur Aufrechterhaltung des Wohlstandes und der Sicherheit ihrer Provinzen bei, da nicht nur die Zivilbevölkerung, sondern insbesondere die Armee dort ihre Vorräte einkaufte. Ein ausgegrabener Mühlstein zeigt, dass die Bewohner der Villa ihr Getreide selbst gemahlen haben. Nach dem Befund ist die Holheimer Villa im 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden und ging bei einer Brandkatastrophe unter. Wie Hinterlassenschaften aus den Brandschichten des Haupthauses zeigen, geschah dies in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit den Alamannenstürmen (ca. 233 – 259/260 n. Chr.). Danach wurde der Ort nie wieder aufgebaut.

Haupthaus

Das Holheimer Haupthaus.

Das Haupthaus besaß nicht die typischen, die Hauptfassade des Bauwerks betonenden Risaliten; es wirkt sehr bescheiden und zählt zu den nach ihm benannten, heute international bekannten Höfen vom Typ Holheim.[2][3][4] Jochen Garbsch glaubte zunächst, dass es sich bei dem später als Wohnhaus identifizierten Gebäude um Teile eines Wirtschaftsbaues handelte,[5] da die Holheimer Villa nicht in das damals bekannte, gängige Bauschema passte. Die Fundamente mit rechteckigem Grundriss zeigen einen nicht überdachten Innenhof, an den zwei seitliche Raumfolgen über Eck angrenzten. Für die einfache Bauweise bezeichnend ist das Fehlen einer Hypokaustheizung und eines Kellers. Wie die Funde zeigen, besaß der Bau jedoch Glasfenster und hatte ein Schindeldach. Von der Villa aus konnten alle Nebengebäude eingesehen werden, da sie über ihnen, auf einem sanft abfallenden Hang, errichtet worden war. Der talwärts gerichtete Teil des Gebäudes war zweigeschossig.

Fundverbleib

Funde aus der Villa können im Stadtmuseum Nördlingen besichtigt werden.

Denkmalschutz

Die antiken Bauten und weiteren Anlagen sind Bodendenkmäler nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Literatur

  • Rainer Christlein, Otto Braasch: Das unterirdische Bayern – 7000 Jahre Geschichte und Archäologie im Luftbild. 3. Auflage. Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-8062-0855-7, S. 202.
  • Wolfgang Czysz, Lothar Bakker: Die Römer in Bayern. Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3806210586.
  • Wolfgang Czysz, Andrea Faber u.a.: Der römische Gutshof von Nördlingen-Holheim, Landkreis Donau-Ries. In: Berichte der bayerischen Bodendenkmalpflege 45/46. Hrsg. vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Verlag Rudolf Habelt, Bonn 2004/05, S. 45–172.
  • Jochen Garbsch: Holheim – Römischer Gutshof (villa rustica). In: Das römische Germanien aus der Luft. 2. Auflage. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach 1983, ISBN 3-7857-0298-1, S. 37.
  • Günther Krahe, Hans Frei: Archäologische Wanderungen im Ries. Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayern. Schwaben 2. Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 380620568X, S. 131 ff.
  • Günther Krahe. In: Das archäologische Jahr in Bayern 1981. Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3806203059.
  • Günther Krahe. In: Die Restaurierung der römischen Villa von Holheim im Ries und des römischen Badegebäudes bei Schwangau im Allgäu. In: Konservierte Geschichte? Antike Bauten und ihre Erhaltung Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3806204500. S. 164–170.

Einzelnachweise

  1. Dietwulf Baatz: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Band 41. Nördlingen, Bopfingen, Oettingen, Harburg. Teil 2: Exkursionen. Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979. ISBN 3-8053-0310-6. S. 62.
  2. Wolfgang Czysz, Lothar Bakker: Die Römer in Bayern. Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3806210586. S. 221.
  3. Lorenzo Dal Ri, Stefano Di Stefano: Littamum: Una Mansio nel Noricum/Eine Mansio im Noricum, British Archaeological Reports, 2005, ISBN 1841717290, S. 272.
  4. Balácai közlemények, Ausgabe 9. Herausgegeben von Veszprém Megyei Múzeumi Igazgatóság. Veszprém 2004, S. 167
  5. Jochen Garbsch: Holheim – Römischer Gutshof (villa rustica). In: Das römische Germanien aus der Luft. 2. Auflage. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach 1983, ISBN 3-7857-0298-1, S. 37.
48.81710.448

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