- Römersiedlung Tegelberg
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Die Römersiedlung Tegelberg ist eine aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammende antike Ansiedlung am Tegelberg, unweit von Schloss Neuschwanstein bei Schwangau im Landkreis Ostallgäu, Bayern. Als bedeutendste antike Hinterlassenschaft wurden umfangreiche Reste der einstigen Ausmalung des Bades geborgen. Die wertvollen Fresken des Frigidariums (Kaltbad) wurden restauriert und sind seither eine Attraktion in der Archäologischen Staatssammlung München.
Inhaltsverzeichnis
Lage und Forschungsgeschichte
Die römische Siedlung am Tegelberg, in einigen Veröffentlichungen auch als besonders ausgedehnte Villa rustica (römischer Gutshof) gedeutet, lag im Bereich der heutigen Tegelbergbahn am Fuße des Richtung Nordosten zunächst sanft, dann immer steiler aufsteigenden, zu den Ammergauer Alpen gehörenden, 1164 Meter hohen Hornburg. Der 1164 Meter hohe Tegelberg liegt südöstlich. Hornburg und Tegelberg werden durch den Rautbach geteilt, der südlich der antiken Siedlung in den zunächst nördlich orientierten Lußbach abfließt, der in der Antike den Bannwaldsee speiste. Der heute über die Mühlberger Ach ebenfalls mit Lußbacher Wasser versorgte Forggensee ist ein Produkt der Neuzeit und wurde ab 1952 als Speicher aufgestaut. Im Südwesten des Tegelbergs lag die größtenteils unerforschte römische Siedlung Foetes (Füssen). Auf dem dortigen Schlossberg, den heute das gotische Hohe Schloss einnimmt, wurde in der Spätantike ein Kastell für eine Einheit der Legio III Italica errichtet, die an diesem wichtigen Punkt die Via Claudia Augusta von Verona nach Augsburg sicherte. Die römischen Häuser am Tegelberg waren auf zahlreichen Terrassen und Podien des sanft auslaufenden Hornburghanges erbaut worden.
Die Füssener Region war in der Antike ländlich besiedelt. Im heutigen Forggensee lag an dessen nördlichem Ende ein römischer Brandopferplatz[1][2] und in der Gegend sind einige römische Gutshöfe bekannt. So wurde am ehemaligen Weg von Brunnen nach Forggen, das ebenfalls in den Fluten des Sees verschwand, 1974 eine solche Anlage mit Brandgräbern in Ufernähe freigespült.[3] Es wurde vermutet, dass es sich bei einem nahebei noch gut erkennbaren, festen Straßendamm um eine in Vergessenheit geratene Römerstraße handeln könnte, die vielleicht eine Verbindung von der Römersiedlung am Tegelberg zur Via Claudia Augusta und deren Handelsstation bei Osterreinen herstellte. Die Menschen waren offenbar in erster Linie durch das am Tegelberg anstehende Erz angelockt worden, da das gewählte Areal keine sonstigen wohnlichen Vorzüge aufweist. Die klimatischen Bedingungen sind, wie der ab 1966 leitende Ausgräber und ehemalige Landeskonservator Günther Krahe betonte, problematisch. Gerade im Winter erhellt die Sonne nur für wenige Nachmittagsstunden das Gebiet.[4]
In den Jahren 1934/35 wurden erstmals antike Mauern (Haus 3) an diesem Platz wahrgenommen. 1966 stießen Bagger beim Bau der Tegelbergbahn-Talstation auf Haus 1. Die 1967 aufgedeckten Thermen (Haus 2) wurden bis 1968 restauriert und der Öffentlichkeit vor Ort im Bereich des heutigen Parkplatzes zugänglich gemacht. Im Zuges des Baues einer Sommerrodelbahn waren Ausgräber 1996 erneut im Gebiet und konnten 1998 Haus 1, ein Wirtschaftsgebäude mit dazugehörendem Innenhof und drei Darren, für die Zukunft konservieren. 1996 hatte sich die Gemeinde Schwangau auch dazu entschlossen, die den Umwelteinflüssen ausgesetzte Badeanlage mit einem Schutzhaus zu überdachen.
Befunde
Die um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. errichteten Gebäude am Tegelberg sind noch in der Antike teilweise von einer abgegangenen Mure mit Geröll und Lehm überdeckt worden, was am Badegebäude für einen sehr guten Erhaltungszustand der zumindest in Abschnitten auf voller Höhe rekonstruierbaren Fresken sorgte. Auch aus einem etwas westlich der kleinen Therme gelegenen, fast quadratischen Wohnhaus (Haus 1), das teilweise beheizbar war, konnten Wandmalereien unter anderen mit einem Fasan, in voller Frische geborgen werden. Dieses Haus wurde durch den Bau der Seilbahntalstation jedoch zerstört.[5] Uneins ist sich die Forschung bei der Deutung des Gesamtbestandes der Gebäude; neben einer Siedlung wurde auch eine besonders ausgedehnte Villa rustica vermutet, die sich um den Erzabbau gekümmert haben könnte. Im 3. Jahrhundert wurde das Gebiet entweder im Zuge der teilweisen Zerstörungen durch die Mure wieder verlassen oder ging erst in einem der am Ende dieses Jahrhunderts stattfindenden germanischen Angriffe unter. Erzschürfungen fanden am Tegelberg noch bis ins Mittelalter statt.
Wohnhaus (Haus 1)
Das rund 15 × 15 Meter große, beim Seilbahnbau im Juni 1966 entdeckte und anschließend unter der Leitung des Augsburger Landesamtes für Denkmalpflege ergrabene Haus 1 ist als Wohngebäude gedeutet worden. Der Bau war an drei Seiten, im Osten, Norden und zum großen Teil auch im Westen von einem rund 2,5 Meter breiten Umgang umschlossen, der offensichtlich als Portikus angesprochen werden muss. Zugänge zu diesem Umgang befanden sich an der Südostecke und besonders prominent in der Mitte der Nordfront. Nahe der südwestlichen Hausecke mündet der Portikus an einem über den rechten Winkel der Südwestecke erbauten, hypokaustierten Raum. Daran schlossen sich in der Flucht der südlichen Fassade im Inneren des Hauses das rund 2 × 2,5 Meter große Praefurnium und ein rund 2 × 4 Meter großer nicht heizbarer Raum an, der einen Eingang von östlichen Portikus her besaß. Das größte ebenfalls erwärmbare Zimmer des Hauses umfasste rund 4 × 8,5 Meter und folgte mit seiner Längsseite der Innenwand des westlichen Portikus. Diesem Raum östlich gegenüber befanden sich zwei fast gleich große unbeheizbare Räume, die beide Zugänge vom Portikus her hatten. Die große Menge erhaltener Reste von Wandmalereien aus diesem Haus hat ihren Ursprung in der bereits antiken Überdeckung des Areals durch Murenabgang. Einige Teile der hochwertigen restaurierten Fresken sind in der Archäologischen Staatssammlung München ausgestellt.[6] Haus 2, das Bad, liegt fast in derselben Flucht, nur leicht aus der Achse gedreht, rund 20 Meter östlich.
Badegebäude (Haus 2)
Von 1967 bis 68 wurde ein Badehaus am Tegelberg aufgedeckt, das nicht zum Reihentyp gehört. Die Badeanlagen sind kompakt, in einem ohne Apsis rund 12,4 × 13,8 Meter großen Gebäude untergebracht, das in ungefährer Nord-Südausrichtung steht und somit den antiken Regeln entspricht. Betreten wurde die Anlage von Norden. Dort befand sich der rund 12,5 × 2 Meter große Eingangsportikus. Westlich dieses Raumes konnte von Norden her ein fast quadratischer Verteilerflur, der gleichzeitig als Apodyterion (An- und Auskleidebereich) diente, betreten werden. Dort fand sich als Deckengemälde der Raub des Ganymed. Westlich des Verteilers lag hinter einem Brüstungsmäuerchen das über zwei Stufen erreichbare, nur 90 cm tiefe und 2,3 × 2,75 Meter große Frigidarium. Dieses konnte mit seinen Fresken in der Archäologischen Staatssammlung München vollständig rekonstruiert werden. Daher ist bekannt, dass es ein Tonnengewölbe sowie ein kleines Rundbogenfenster nach Westen hin besaß, aus dem man bis zum Füssener Schlossberg blicken konnte. Im Osten befand sich der größte Raum, ein ebenfalls fast quadratisches Caldarium (Warmbad), und im Süden war das rechteckige Tepidarium (Laubad) untergebracht. An dieses wiederum schloss sich östlich das Sudatorium (Schwitzbad) an, das mit einer halbrunden Apsis ausgestattet war, die aus der südlichen Rückwand des Gebäudes hinaustrat. Weiter östlich folgte eine Heißwasserbadewanne mit Boiler sowie im Anschluss daran das Praefurnium, der Heizraum. Dieser war unter anderem durch einen dort aufgefundenen Felsbrocken zertrümmert worden. Da das Gebäude schon in der Antike durch die Mure zerstört wurde, sind bereits damals die meisten wertvollen Metallgegenstände wie Rohre und Wasserboiler entfernt worden. Einige erhaltene bleierne Abflussrohre, die Wasser aus der mit roter Farbe verputzten Außenwand leiteten, wurden nach der Grabung von den Archäologen entfernt, um sie vor Diebstahl zu schützen. Nur im Caldarium wurde ein gut verstecktes, 90 cm langes Rohr belassen, das bis zum Bau des Schutzhauses 1996 auftretendes Oberflächenwasser ableitete. Die Forschung geht davon aus, dass die Therme in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstand. Grund für die Annahme war der Fund einer Münze aus der Regierungszeit des Kaisers Antoninus Pius (138–161 n. Chr.).[7]
Erhaltung in situ und Teilrekonstruktion als Anastilosis
Die in Teilen erhaltene Hypokaustheizung im Apodyterium und die auf stabilen Hypokaustpfeilern stehende Badewanne mit ihren an den Schmalseiten noch erhaltenen Tubuli mussten aufgrund ihres guten Befundes während der Grabung unter Planen geschützt werden, da hier besondere Erhaltungsmaßnahmen notwendig waren. Sie sollten wie der größte Teil des Bauwerks in situ (vor Ort) für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Zu den großen konservatorischen Schwierigkeiten gehörte es, dass die teilweise sehr witterungsanfälligen Befunde in den 1960er Jahren nicht mit einem Schutzbau überdeckt werden konnten, da die Gondeln der Seilbahn zu nahe über dem Bad hinwegschwebten und auch der TÜV einschränkende Auflagen machte. So ließ er den länglichen Eingangsportikus wieder zuschütten. Trotz intensiver Behandlung mit Duracon führen die strengen Witterungsverhältnisse am Tegelberg immer wieder zu einem mehr oder minder schweren Substanzverlust.[8]
Die aufgesammelten Putzbrocken der Fresken wurden in über 700 Obstkisten nach München transportiert. Es konnte während der mehrjährigen Restaurierung festgestellt werden, dass das Bad zweimal ausgemalt worden ist. Die letzte, heute sichtbare Putzschicht ist eierschalendünn. Dominierend ist ein mitteldunkler Blauton, die Gebäudestruktur sowie die Wandaufteilung wird hauptsächlich durch eine breite rote Linienführung hervorgehoben. Die so unterteilten Flächen sind mit geometrischen Mustern, Pflanzen, Tieren, Göttern und Badedienern geschmückt. In Form einer Teilrekonstruktion sind die für den bayerischen Raum einzigartig gut erhaltenen Fresken seither als Anastilosis wichtiger Teil der römischen Abteilung in der Archäologische Staatssammlung.[9]
Wirtschaftsgebäude (Haus 3)
Bereits 1935 hatte Hans Popp Haus 3 als erstes Steingebäude am Tegelberg ergraben.[10] Doch erst 1998 wurden die von neuem freigelegten Fundamente dieses landwirtschaftlichen Bauwerks konserviert. Der gesamte aufgedeckte Komplex umfasste ein rechteckiges Einraumhaus (VII), das mit seiner Stirnwand seitlich an einen rechteckigen, ummauerten und offenen Innenhof anstieß. Neben dem Haus befand sich mittig in der Breitseite der Hofmauer ein großer, scheunenartiger Zugang. Im Innenhof selber waren an dessen Rückwand in der linken (IV) und rechten Ecke (I) sowie in der Mitte (III) je eine Darre, wahrscheinlich zur Trocknung von Flachs, eingebaut.
Denkmalschutz
Die hier behandelten antiken Bauten und weiteren erwähnten Anlagen sind geschützt als eingetragene Bodendenkmale im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind erlaubnispflichtig, Zufallsfunde sind den Denkmalbehörden anzuzeigen.
Literatur
- Wolfgang Czysz, Lothar Bakker: Die Römer in Bayern. Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3806210586, S. 514.
- Wolfgang Czysz u.a.: Römerbad und Rodelbahn. Römische Gebäude am Fuß des Tegelbergs bei Schwangau (Landkreis Ostallgäu, Schwaben). Das Archäologische Jahr in Bayern 1999. S. 59ff..
- Joachim von Elbe: Die Römer in Deutschland. RV, Reise- u. Verkehrsverlag 1977, S. 255.
- Günther Krahe: Eine römische Siedlung am Alpenrand bei Schwangau. Neue Ausgrabungen in Bayern. In: Probleme der Zeit. Zeitschrift für Wissenschaft und Kultur. München 1970, S. 23–27.
- Günther Krahe: Die Restaurierung der römischen Villa von Holheim im Ries und des römischen Badegebäudes bei Schwangau im Allgäu. In: Konservierte Geschichte? Antike Bauten und ihre Erhaltung. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0450-0, S. 164 ff.
- Günther Krahe, Gisela Zahlhaas: Das Römerbad in Schwangau. Michael Laßleben Verlag, Kallmünz 1981.
- Günther Krahe, Gisela Zahlhaas: Römische Wandmalereien in Schwangau. Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege, Materialhefte zur Bayrischen Vorgeschichte Band 43. Fundinventare und Ausgrabungsbefunde. Michael Laßleben Verlag, Kallmünz 1984, ISBN 3-7847-5043-5.
- Hans Popp: Römische Siedlungsreste bei Schwangau. In: Jahrbuch Alt-Füssen. Band 12, 1936/37.
- Walter Sölter (Hrsg.): Das römische Germanien aus der Luft. 2. Auflage. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach 1983, ISBN 3-7857-0298-1, S. 34ff.
Weblinks
- Grabungsergebnisse mit Bildern auf den Seiten der Tegelbergbahn.
Einzelnachweise
- ↑ Werner Zanier (Hrsg.): Der spätlatène- und römerzeitliche Brandopferplatz im Forggensee. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-10752-4.
- ↑ Roland Gschlößl: Im Schmelztiegel der Religionen – Göttertausch bei Kelten, Römern und Germanen. Philipp von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3805336551, S. 137.
- ↑ Villa rustica und Grabfunde nordöstlich von Brunnen im Forggensee, Gemeinde Schwangau. In: Zeitschrift des Historischen Vereins Schwaben. Band 70, Kommissions-Verlag Bücher Seitz, Augsburg 1976, S. 51.
- ↑ Günther Krahe: Die Restaurierung der römischen Villa von Holheim im Ries und des römischen Badegebäudes bei Schwangau im Allgäu. In: Konservierte Geschichte? Antike Bauten und ihre Erhaltung. Konrad Theiss, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0450-0, S. 165.
- ↑ Günther Krahe in: Walter Sölter (Hrsg.): Das römische Germanien aus der Luft. 2. Auflage. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach 1983, ISBN 3-7857-0298-1, S. 34.
- ↑ Mitteilungen der Freunde der Bayerischen Vor- und Frühgeschichte. Nr. 1, Januar 1976.
- ↑ Fasti archaeologici. Associazione Internazionale di Archeologia Classica, Sansoni Editore, Florenz 1984. S. 1048.
- ↑ Günther Krahe: Die Restaurierung der römischen Villa von Holheim im Ries und des römischen Badegebäudes bei Schwangau im Allgäu. In: Konservierte Geschichte? Antike Bauten und ihre Erhaltung. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0450-0, S. 164–170, hier S. 167.
- ↑ Günther Krahe: Die Restaurierung der römischen Villa von Holheim im Ries und des römischen Badegebäudes bei Schwangau im Allgäu. In: Konservierte Geschichte? Antike Bauten und ihre Erhaltung. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0450-0, S. 164–170, hier S. 167–170.
- ↑ Wolfgang Czysz, Lothar Bakker: Die Römer in Bayern. Konrad Theiß Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3806210586. S. 514.
47.568510.756511Koordinaten: 47° 34′ 7″ N, 10° 45′ 23″ OKategorien:- Archäologischer Fundplatz in Bayern
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