Wissmann-Denkmal (Hamburg)

Wissmann-Denkmal (Hamburg)

Das Wissmann-Denkmal ist ein umstrittenes Kolonialdenkmal aus der deutschen Kaiserzeit. Das bronzene, auf einem Steinsockel arrangierte Figurenensemble mit einer Gesamthöhe von etwa 4,5 Metern wurde zu Ehren des 1905 verstorbenen Kolonialgouverneurs Hermann von Wissmann von dem Bildhauer Adolf Kürle geschaffen. Die Einweihung fand 1909 in Daressalam in der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) statt. Nach dem Verlust der deutschen Kolonien in der Folge des Ersten Weltkriegs gelangte es über Umwege nach Hamburg. Seit 1968 ist es, mit Unterbrechungen für Ausstellungszwecke, im Keller der Sternwarte Bergedorf eingelagert.

Inhaltsverzeichnis

Darstellung

Das Denkmal bestand aus drei Bronzefiguren, die auf einem 2,20 Meter hohen Granitsockel angeordnet waren. Oben befand sich das 2,6 Meter hohe Standbild Wissmanns in der aufrechten Pose eines Eroberers, in Uniform und mit Tropenhelm, gestützt auf ein niedergelassenes Schwert, in die Weite blickend. Am Fuß des Sockels und zu Füßen der Wissmann-Skulptur, zu dieser aufblickend, stand die 1,7 Meter hohe Figur eines Askari, in der typischen Uniform mit bebänderter Kappe. Sie hielt eine gesenkte Reichsflagge über die dritte Figur, einen erlegten Löwen. Auf der Vorderseite des Sockels war eine Tafel mit den Lebensdaten Wissmanns angebracht, auf der Rückseite befand sich eine Inschrift in deutscher Sprache, die die Taten und Eigenschaften Wissmanns rühmte. Auf der linken Seite war ein Text in Arabisch und auf der rechten eine Ansprache in Swahili in lateinischen Buchstaben eingelassen: „Unser Herr von früher, er hat die Küste beruhigt und uns auf den richtigen Weg gewiesen.“[1]

Die Interpretationen der Darstellung unterscheiden sich leicht. In den Assistenzfiguren des Askari und des Löwen, im Aufbau und in der Größe ist Wissmanns koloniale Macht über Mensch und Tier ausgedrückt. Die Haltung und der Blick des Askari verdeutlicht die Stellung des Dieners zum Herrn. Die gesenkte Reichsflagge aber deutet einen Beerdigungsritus an, die über den Sarg ausgebreitete Fahne militärische Ehren. Von seinen Verehrern wurde Wissmann Löwe von Afrika genannt. Die heute rassistisch und befremdlich anmutende Darstellung wurde in dem Projekt Afrika-Hamburg beschrieben: „In mythifizierender, wilhelminisch-pathetischer Bildsprache wird hier eine starke Hierarchie zwischen 'Schwarz' und 'Weiß' festgelegt. Die Konstruktion von 'Weiß-Sein' findet hier seinen Ausdruck in symbolischer, überhöhter und verdichteter Form.“[2]

Geschichte

Einweihung 1908

Das Denkmal wurde auf Initiative der Deutschen Kolonialgesellschaft geplant und errichtet. Zunächst war ein Felsblock mit Reliefmedaillon vorgesehen, da jedoch reichhaltig Spenden flossen, wurde das Konzept erweitert. Nach der Fertigung in Deutschland wurde es einschließlich des Sockels per Schiff nach Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) transportiert. Die Einweihung fand im Frühjahr 1909 in Daressalam vor der „kolonialen Gemeinschaft“ statt, anwesend waren Veteranen der Wissmann-Truppe, Askaris und arabische Würdenträger aus Deutsch-Ostafrika und Sansibar. Der Gouverneur Albrecht von Rechenberg hielt die Einweihungsrede.[1]

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Übergang der deutschen Kolonie an die englische Mandatsmacht wurde das Denkmal in Daressalam von den Engländern beschlagnahmt, demontiert und nach London gebracht. Dort wurde es zunächst als Anschlagsäule zweckentfremdet, anschließend als Kriegstrophäe im Imperial War Museum ausgestellt. Dem Auswärtigen Amt und der Kolonialzentralverwaltung des Reichsministeriums für Wiederaufbau gelang es 1921 mit der englischen und der französischen Regierung die Rückführung nach Deutschland auszuhandeln.

Man einigte sich schließlich auf den neuen Standort des Denkmals in Hamburg, um die besondere Bedeutung hervorzuheben, die die Stadt „in den Beziehungen des deutschen Mutterlandes zu den ehemaligen Kolonien gehabt hat, und die Tatsache, dass sich in Hamburg, dem größten deutschen Aus- und Einfuhrhafen, die Interessen für die überseeischen Länder konzentrierten.“[3] Im November 1922 wurde es mit einem neuem Sockel im Garten neben dem Kuppelbau der 1919 gegründeten Hamburger Universität, in dem zuvor neben dem Allgemeinen Vorlesungswesen auch das ehemalige Hamburgische Kolonialinstitut untergebracht war, aufgestellt. Die Einweihungsfeierlichkeiten waren umstritten, der damalige parteilose Hamburger Bürgermeister Arnold Diestel blieb dem Festakt fern, ebenso hochrangige Vertreter aus dem Reich. Die Kolonialinstitute bestimmten die Szene mit „kolonialrevisionistischen Reden und Symbolen“[1] und nannten das Monument „das allgemeine Kolonialdenkmal Deutschlands, das die Erinnerung an das Verlorene wach halten und an das Streben nach dem Wiedererwerb des überseeischen Kolonialgebiets mahnen soll.“ [4]

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Denkmal zur wichtigsten Kolonialweihestätte Deutschlands stilisiert. Wissmann galt als „der große Landsknechts- und Soldatenführer der kolonialen Kampfzeit der Deutschen in Afrika“, bei den zahlreichen nationalen Kolonialfeiern wurde es als Symbol für die Demütigung durch den Kolonialverlust und die „Kolonialschuldlüge“ hervorgehoben.[1] 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Denkmal durch einen nahen Bombentreffer beschädigt, die Figur des Wissmann stürzte vom Sockel. 1949 wurde es wieder aufgerichtet.

Im Jahr 1961 kam es zu den ersten Protesten gegen das Monument, als Studenten die Universitätsleitung aufforderten, die „kompromittierenden Requisiten wilhelminischen Kolonialismus“ zu entfernen, es wurden sowohl die künstlerische Minderwertigkeit wie die zweifelhafte Wirkung auf afrikanische Kommilitonen angeprangert.[2] Nach sechs Jahre andauernden Protesten wurde im Jahr 1967 die Wissmann-Figur zum ersten Mal vom Sockel gestürzt und anschließend wieder aufgestellt. Nachdem im Jahr 1968 in einer öffentlichen Aktion Studenten die Bronze abermals herunterzogen, verzichtete die Stadt Hamburg auf die Wiederaufstellung und lagerte das Denkmal im Keller der Sternwarte Bergedorf ein. Details des Denkmals, so das Schwert, auf das Wissmann sich stützte, sind verloren gegangen.

Zweimal wurde es seither wieder hervorgeholt: 1987 wurde es als satirisches Symbol der Kolonialabenteurerromantik in einer Ausstellung Männersache - Bilder, Welten, Objekte auf Kampnagel einbezogen. Die Wissmann-Figur lag dabei rücklings auf dem Boden, die Askari-Figur starrte an die Decke. In den Jahren 2004/2005 wurde es durch das Projekt Afrika-Hamburg als Diskussionsanregung über einen Zeitraum von vierzehn Monaten an den Hamburger Landungsbrücken aufgestellt. Parallel dazu war eine offene Website geschaltet, in der Diskussionsbeiträge eingetragen werden konnten. Begleitet wurde dies von Veranstaltungen, Kunstperformances und Schulaktionen. [5] Während dieser Ausstellungszeit wurde es durch Farbschmierereien um ein weiteres beschädigt. Seit November 2005 ist das Denkmal erneut eingelagert.[2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Winfried Speitkamp: Der Totenkult um die Kolonialheroen des Deutschen Kaiserreichs; in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 1, abgerufen am 18. August 2010
  2. a b c Projekt Afrika-Hamburg: Das Denkmal, abgerufen am 18. August 2010
  3. Komitee zur Wiederaufstellung der Denkmäler aus den Kolonien in einem Schreiben an den Hamburger Senat vom 19. April 1922, zitiert nach Manuel Sarrazin: Hamburgs Rolle in der deutschen Kolonialpolitik, abgerufen am 18. August 2010
  4. Hamburger Nachrichten vom 4. November 1922, zitiert nach: Manuel Sarrazin: Hamburgs Rolle in der deutschen Kolonialpolitik
  5. Jokinen: Kolonialdenkmäler und partizipative Plastik - Erinnerungskulturen, Mythen, Antithesen, Inversionen; in: Archiv The thing - Plattform für Kunst und Kritik, abgerufen am 18. August 2010

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