Wu-Yi Hsiang

Wu-Yi Hsiang

Wu-Yi Hsiang (* 1937 in China) ist ein chinesisch-US-amerikanischer Mathematiker, der sich überwiegend mit Geometrie beschäftigt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hsiang studierte an der National University of Taiwan (Bachelor 1959) und ging nach dem Wehrdienst in die USA, wo er 1964 an der Princeton University bei John Coleman Moore promovierte (On the Classification of Differentiable Actions of the Classical Groups on Pi-Manifolds). 1968 wurde er Professor an der University of California, Berkeley, wo er fast dreißig Jahre blieb. Er emeritierte in Berkeley und ging 1997 an die Hongkong University of Science and Technology. 1965 bis 1967 und 1968/69 war er am Institute for Advanced Study.

1974 war er Invited Speaker auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Vancouver (Local and global characteristic class theory in topological transformation groups).

Sein Bruder Wu-Chung Hsiang ist ebenfalls ein bekannter Mathematiker.

Werk

Hsiang beschäftigte sich mit klassischer Geometrie, Differentialtopologie, Differentialgeometrie, Transformationsgruppen und in den 2000er Jahren mit Anwendungen der Differentialgeometrie in der Himmelsmechanik zum Beispiel beim Dreikörperproblem.

In seinem Buch von 2001 kündigte Hsiang einen neuen Beweis des Kissing-Number Problems in drei Dimensionen an (das maximal 12 Kugeln eine Zentralkugel berühren, alle Kugeln von gleicher Größe).[1] Er behauptete auch 1992, das Kusszahl Problem in 4 Dimensionen gelöst zu haben (24 Kugeln).[2]

Keplervermutung

Hsiang wurde bekannt, als er um 1990 (als er seine Preprints verschickte) behauptete, die Keplersche Vermutung mit „elementaren“ geometrischen und analytischen Methoden (Vektoralgebra und sphärischer Trigonometrie) bewiesen zu haben (und darüber hinaus eine andere, verwandte Vermutung, die Dodekaeder-Vermutung[3]). Sein Beweis von rund 100 Seiten, den er 1993 im International Journal of Mathematics veröffentlichte[4], stieß anfangs auf ein positives Echo. Er hielt sogar einen Plenarvortrag auf der gemeinsamen Versammlung der American Mathematical Society und der Mathematical Association of America im Januar 1993. Bei näherer Betrachtung kamen aber Zweifel auf, die dadurch befördert wurden, dass der Referee-Prozess nur vier Monate dauerte, ungewöhnlich für eine so umfangreiche Arbeit. [5]. Unter anderem kritisierte ihn der angesehene Spezialist Gabor Fejes-Toth in Mathematical Reviews. Hsiangs Beweis wurde in Budapest über ein Jahr geprüft bzw. es wurde versucht, viele der nur angedeuteten Details zu vervollständigen und Fehler zu korrigieren. Ein solches Vorgehen war an sich nicht ungewöhnlich, auch beispielsweise der Beweis der Fermatvermutung durch Andrew Wiles bedurfte mehrerer Anläufe im Rahmen eines kritischen Reviews. Der Mathematiker Karoly Bezdek arbeitete dabei eng mit Hsiang zusammen. Bezdek gab 1997 aber auf und veröffentlichte sogar ein Gegenbeispiel zu einem von Hsiangs zentralen Sätzen [6]. Schließlich setzte sich bei der Mehrzahl der beteiligten Mathematiker die Überzeugung durch, Hsiangs Beweis wäre falsch. Ein entsprechender offener Brief wurde schon 1994 im Mathematical Intelligencer von John Horton Conway, Thomas Hales, Doug Muder[7], Neil Sloane veröffentlicht[8], gefolgt von einer scharfen Kritik durch Hales[9]. Hales bat Hsiang detailliert um Aufklärung von Lücken in dessen Beweis, worauf Hsiang gereizt reagierte und eine scharfe Erwiderung im Mathematical Intelligencer veröffentlichte, in der er sich über fabrizierte Gegenbeispiele empörte[10]. Hinzu kam, dass ihn Hales, der für Science schreibende Barry Cipra[11] und Ian Stewart[12], der Hsiangs Beweis kurz zuvor noch vielversprechend fand[13], öffentlich auf offensichtlich falsche elementare geometrische Behauptungen in Hsiangs Preprint hinwiesen, die in späteren Versionen dann eliminiert wurden.[14]. Hsiang selbst blieb von der grundsätzlichen Gültigkeit seines Beweises überzeugt. Ende 2001 veröffentlichte er in Buchform eine detailliertere Version seines Beweises.

Pikant war, dass Hales selbst zu der Zeit als Hsiang seine ersten Ankündigungen machte an einem eigenen Beweis der Keplervermutung arbeitete, für den er dann im Zeitraum 1992 bis 2002 vorbereitende Publikationen veröffentlichte. Der Beweis beruhte wesentlich auf der Verwendung umfangreicher Computerrechnungen, und war zunächst selbst in Übersichts-Form über 200 Seiten lang. Er war später ebenfalls umstritten - ein unabhängiges Team von Mathematikern, die als Referenten vom Herausgeber der Annals of Mathematics Robert MacPherson eingesetzt waren, musste 2003 nach vier Jahren intensiver Überprüfung eingestehen, nur zu „99 %“ sicher zu sein, dass der Beweis korrekt sei, und dass ihnen die Energie für weiteres Prüfen – eine im Übrigen undankbare Aufgabe - fehlen würde. Der Aufsatz wurde trotzdem 2005 in den Annals veröffentlicht.[15] Ursprünglich wollte man noch mit einem Vermerk auf die gescheiterte vollständige Überprüfung hinweisen, der dann aber wegfiel [16]. Hales [17] kündigte daraufhin ein eigenes langwieriges Computer-gestütztes Überprüfungsprojekt an.

Computer-gestützte Beweise waren damals schon nicht neu, sie waren zum Beispiel beim Vierfarbenproblem und den Feigenbaum-Vermutungen geführt worden. Die Diskussion über ihre Einschätzung hält aber an, ebenso wie die durch die Diskussion um Hsiangs und Hales Beweise aufgeworfene Frage der Akzeptanz mathematischer Beweise.[18]

Schriften

  • Cohomology theory of topological transformation groups, Springer, Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete, 1975
  • Least Action Principle of Crystal Formation of Dense Packing Type and the Proof of Kepler's Conjecture, World Scientific 2001
  • Lectures on Lie groups, World Scientific 2000

Literatur

Weblinks

Verweise

  1. der ursprüngliche Beweis von Bartel Leendert van der Waerden und Schütte von 1953 erscheint vielen Mathematikern als zu kompliziert
  2. Bewiesen von Oleg Musin 2003
  3. Bewiesen 1998 von Thomas Hales und seinem damaligen Vordiplom-Studenten Sean McLaughlin, der dafür 1999 den Frank and Bennie Morgan Prize erhielt. McLaughlin war sogar eigentlich Musikstudent (Klarinette).
  4. Hsiang, On the sphere packing problem and proof of the Kepler Conjecture, International Journal of Mathematics, Bd.4, S.739-831
  5. Die Zeitschrift wurde zudem durch Kollegen aus Berkeley herausgegeben. Der Bulletin of the American Mathematical Society, an den er sein Manuskript zuerst schickte, verweigerten den Abdruck da ihnen zu viele Details fehlten.
  6. Bezdek „Isoperimetric Inequalities and the Dodecaedral Conjecture, International Journal of Mathematics, Bd.8, 1997, S.759
  7. Muder fand 1988, 1993 eine Reihe von bis dahin besten oberen Grenzen für die Dichte von Kugelpackungen in drei Dimensionen
  8. Conway u.a. „The Kepler Conjecture“, Math.Intelligencer, Bd.16, Frühjahr 1994, S.5
  9. Hales „The status of the Kepler Conjecture“, Mathematical Intelligencer Bd.16, 1994, Nr.3, S.47
  10. Hsiang, A Rejoinder of Hales´s Article, Mathematical Intelligencer, Bd.17, 1995, Nr.1, S.35-42
  11. Cipra "Gaps in a Sphere Packing Proof?", Science, Bd. 259, 1993, S.895
  12. Stewart „Has the sphere packing problem been solved ?“, New Scientist, 2. Mai 1992
  13. Zum Beispiel im Artikel „Mathematik“ im Yearbook der Encyclopedia Britannica 1992
  14. Nach dem Review des Buches von Szpiro durch Frank Morgan (Notices AMS 2005) ist die Frage, ob der Beweis von Hsiang nicht doch noch vervollständigt werden kann, nach wie vor offen, da gefundene Fehler bisher „repariert“ werden konnten. Ebenso äußerten sich andere Mathematiker wie Bezdek und Conway nach Szpiro, Keplers Conjecture, 2003, S.155
  15. Hales „A proof of the Kepler Conjecture“, Annals of Mathematics, Bd.162, 2005, S.1063-1183, Hales, Samuel Ferguson A formulation of the Kepler conjecture“, Discrete and computational geometry, Bd. 36, 2006, S.21-69
  16. über das Ringen um dessen Formulierung: Steven Krantz Mathematical Apocrypha Redux, Mathematical Association of America, 2005, S.78f
  17. der auch ein verbessertes und kürzeres Manuskript nachgeschoben hatte, nachdem sich die Prüfer über den „Work in Progress“ Charakter der Unterlagen beschwerten. Nach eigenen Aussagen fehlte ihm und seinem damaligen Studenten Ferguson damals die Energie und der Wille, sich weiter mit dem Problem zu beschäftigen.
  18. zum Beispiel Bonnie Gold, Roger Simons (Herausgeber) „Proofs and other dilemmas: Mathematics and Philosophy“, Mathematical Association of America 2008

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