Würzburger Dolmetscherschule

Würzburger Dolmetscherschule
Würzburger Dolmetscherschule WDS (Außenansicht) am alten Standort im Bata-Haus, 1971-2011

Die Würzburger Dolmetscherschule (WDS) ist eine private, staatlich anerkannte Fachakademie und Berufsfachschule für Dolmetscher, Übersetzer und Fremdsprachenkorrespondenten sowie eine Berufsfachschule für Europasekretärinnen in Würzburg. Sie verfügt weiterhin über eine Abendakademie für Fremdsprachen- und Firmentrainings sowie ein Seminarzentrum für Managementassistenten.

Die Würzburger Dolmetscherschule hat heute etwa 350 Schüler und Studenten in Vollzeitausbildung sowie einen Dozentenstamm von etwa 50 muttersprachlichen und deutschen, staatlich genehmigten Lehrkräften.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung

Das Ausbildungsangebot wendet sich an Schüler mit mittlerer Reife sowie an Abiturienten. Für Abiturienten stehen drei Ausbildungen zur Verfügung:

  • staatlich geprüfter Übersetzer bzw. staatlich geprüfter Übersetzer/Dolmetscher (Dauer: 2-3 Jahre)
  • staatlich geprüfter Fremdsprachenkorrespondent (Dauer: ein Jahr)
  • International Diploma in Administration Management (Europasekretärin ESA) - Dauer 2 Jahre

Für Schüler mit mittlerer Reife werden folgende Ausbildungen angeboten:

  • staatlich geprüfter Fremdsprachenkorrespondent (Dauer: 2 Jahre)
  • staatlich geprüfter Euromanagementassistent (Dauer: 2 Jahre)
  • staatlich geprüfter Eurokorrespondent (Dauer: 1 Jahr)

Zahlreiche Ausbildungsgänge können in einem Modulsystem miteinander verknüpft werden und münden in unterschiedlichen Bachelor- und/oder Masterstudiengängen im In- und Ausland.

Vorgeschichte und Grundlagen

Die Zwischenkriegsjahre 1918-1939 legten die Grundlagen für einen anspruchsvollen und modernen Beruf - den des Dolmetschers. Der Völkerbund in Genf benötigte dringend Dolmetscher, weil nach Französisch nun auch Englisch zur offiziellen Konferenzsprache erklärt worden war und viele Regierungsvertreter der nach 1918 neu entstandenen Länder in Fremdsprachen nicht bewandert waren. In den USA und in der Sowjetunion entwickelte man das schnellere, aber auch anspruchsvollere Simultandolmetschen auf der Grundlage der entsprechenden neuen (Radio-)Technik, und in Deutschland entstanden ab 1930 erste private Fremdsprachen- und Dolmetscherschulen. Die Dolmetscher- und Übersetzerausbildung professionalisierte sich in jener Zeit reichsweit durch die Gründung einer nationalsozialistischen "Reichsfachschaft Dolmetscher", Dolmetscher-Lehrkompanien der Wehrmacht und einer "Reichsfachschule" mit zweijähriger Vollzeitausbildung in Berlin - mit kriegsrelevanten Sprachlehrheften auch zur Kriegsvorbereitung (Gefangenenverhöre, Quartiermachen)[1].

Bis 1933 gab es in Würzburg keine Fremdsprachenschule, sondern nur unabhängige Dozenten mit Privatunterricht. Erst 1933 ließen sich die „Vereinigten Sprachenschulen Deutschlands“ (Bénédict-Sprachschulen), die 1928 in Lausanne gegründet worden waren und mit ihrem Franchise-Konzept der "direkten Methode" rasch in zahlreichen deutschen Großstädten vertreten waren, auch in Würzburg nieder und institutionalisierten hier einen modernen, wirtschaftsbezogenen Fremdsprachenunterricht (Handelskorrespondenz). Nach dem Ende des 2. Weltkriegs stieg der Bedarf an Fremdsprachen durch die Anwesenheit amerikanischer Truppen erneut stark an. Zudem hatten die Nürnberger Prozesse 1945 das neue Simultandolmetschen ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gebracht und eine entsprechende Nachfrage erzeugt. Zur Qualitätssicherung wurde 1952 die "Staatliche Prüfung für Übersetzer und Dolmetscher" in Bayern eingeführt und der neue Standesverband DDB (Deutscher Dolmetscher Bund, ab 1954 BDÜ) in München gegründet, so dass der 30-jährige Prozess der Konsolidierung zum Abschluss kam und Voraussetzung für private Neugründungen von Dolmetscherschulen wurde.

Geschichte der Schule in der Schönbornstraße 5

Die Uehlein-Dolmetscherschule in Würzburg wurde von dem Übersetzer und Dolmetscher O. K. Uehlein 1954 gegründet, der anfangs Dolmetscher- und Übersetzernachwuchs für sein eigenes Übersetzerbüro heranbilden wollte und daher seine Schule bereits bundesweit bewarb. Ab 1964 firmierte die Schule bereits unter dem offiziellen Namen „Würzburger Dolmetscherschule“. Der Standort dieser Würzburger Dolmetscherschule, die bereits den Status einer staatlich genehmigten Ersatzschule hatte, war in der Schönbornstraße 5 in Würzburg. Zu dieser Würzburger Dolmetscherschule gehörte bis 1990 auch ein angeschlossenes Mädchen-Internat in der Eichhornstraße. Die Würzburger Dolmetscherschule bot neben der Sprachenausbildung ab Mitte der 60er Jahre auch ein ergänzendes naturwissenschaftliches (medizinisch-technische, biologisch-technische und chemisch-technische Assistenten) und ein betriebswirtschaftlich-kaufmännisches Ausbildungsprofil (Wirtschaftsassistenten) an. Auf der Basis dieses Fach-Knowhows entwickelten sich in den 70er Jahren die naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fachsprachenschwerpunkte in der Übersetzer- und Dolmetscherausbildung der Würzburger Dolmetscherschule.

Die Breitfeld-Sprachenschule (Leitung: Betsy Breitfeld, später Dr. Irene Steidle), die vermutlich eine personelle Fortsetzung des Bénédict-Standorts der "Vereinigten Sprachenschulen" in Würzburg seit 1933 war, wurde bereits 1950 kurz nach der Währungsreform in Würzburg (neu) gegründet und bot in den 60er Jahren lt. eigenen Anzeigen bis zu 14 verschiedene Sprachen für Interessenten im Raum Würzburg an. Sie verfügte über das Wissen um einen systematischen Fremdsprachenunterricht auf Anfängerniveau, wobei damals der Übersetzungsunterricht noch ein zentraler Bestandteil des klassischen Fremdsprachenunterrichts war.

Geschichte der Schule in der Herzogenstraße 8

Entstanden ist die heutige „Würzburger Dolmetscherschule“ 1971 als „Vereinigte Würzburger Dolmetscherschulen“ durch die Zusammenführung der breiten sprachlichen und fachsprachlichen Kompetenzen beider Sprachenschulen in Würzburg auf Initiative von Pierre Semidei. Erste Schulleiterin der "Vereinigten Würzburger Dolmetscherschulen" wurde von 1971-1987 Dr. Irene Steidle, die vor der Fusion die Breitfeld-Sprachenschule geführt hatte. Der neue Geschäftsführer Pierre Semidei hatte bereits 1966 die erste „Euro-Sprachenschule“ in Aschaffenburg gegründet und den Schulenverbund später zu einem der größten privaten Bildungsträger in Deutschland ausgebaut (Euro-Schulen-Organisation). Durch diese Fusion und zeitgleiche Schließung einer anderen Sprachenschule konnte sich die Würzburger Dolmetscherschule im Verlauf der folgenden Jahrzehnte zu einem "Kompetenzzentrum" für Fremdsprachenberufe in Unterfranken und darüber hinaus entwickeln. Über 1000 Ehemalige aus 4 Jahrzehnten stehen heute mit der WDS in Kontakt und garantieren eine enge Verbindung von Theorie und Praxis beruflicher Ausbildung.

Unter der Geschäftsführung von Pierre Semidei erhielt die WDS rasch die staatliche Anerkennung als Berufsfachschule (1. April 1973) und Fachakademie (1. August 1977) für Fremdsprachenberufe und konnte bis hin zur maßgeblichen Mitgestaltung der entsprechenden Lehrpläne (1996-1997 Berufsfachschule, 2000-2002 Fachakademie) am Ausbau des bayerischen Schulwesens mitwirken. Die betriebswirtschaftlich-kaufmännischen Wurzeln der "WDS" werden seit Anfang der 70er Jahre im Rahmen der Ausbildung zur dreisprachigen Europasekretärin (ESA) bis heute fortgeführt.

Standortarchitektur

Von 1971-2011 befand sich die Würzburger Dolmetscherschule in einem markanten, heute denkmalgeschützten Glas-Beton-Gebäude aus dem Jahre 1970-71 in der Herzogenstraße 8 in der Würzburger Innenstadt, das auch unter dem Namen Bata-Haus bekannt ist. Das international bekannte Architektenehepaar Walther und Beatriz Betz aus München, die seit 1965 auch in Würzburg tätig waren und hier Wohnhäuser, Schulen und Universitätsgebäude (Lesesaal der Naturwissenschaften) entwarfen, zeichneten für den Bau des Gebäudes verantwortlich. Bauherr war die Alte Leipziger Versicherungsgesellschaft. Das Gebäude wurde in der letzten vorhandenen Baulücke in der Herzogenstraße 8 / Eichhornstraße errichtet, da die weitere Umgebung nach dem Zerstörungen des Kriegs bereits vollständig wiederaufgebaut war. Äußerlich zeichnet sich das Gebäude durch eine markante "Brise-Soleil" aus Sichtbeton sowie große, durchgängige Glasflächen aus. Im Innern ruht das Gebäude auf wenigen Sichtbeton-Säulen, die sich durch alle Etagen ziehen und den äußeren Glas-Metall-Körper tragen. Rechtwinklige Grundrisse im Innern sind eher die Ausnahme. Das Gebäude in Würzburg mit einem Bata-Schuhgeschäft im Erdgeschoss erhielt den Namen "Bata-Haus" in Anlehnung an die Tradition ähnlich konzipierter Bata-Häuser des tschechischen Schuhmoden-Konzerns - das bekannteste Vorbild steht heute noch in Prag.[2] Ohne Zweifel ist das Gebäude ästhetisch von der Architektur Le Corbusiers inspiriert, aber eine extreme Aufheizung im Sommer konnte auch durch den Brise-Soleil nicht verhindert werden. Unter- und Erdgeschoss waren als Ladenfläche konzipiert, die restlichen Etagen ursprünglich als (teilbare) Wohn- und Büroräume. Gerade der gespürte französische Einfluss und die werbewirksame Auffälligkeit scheinen Pierre Semidei bei der Schulgründung für diese Standortentscheidung mit bewogen zu haben, denn die WDS wurde Erstbezieher in diesem Neubau und passte die Raumaufteilung den damaligen Schulbedürfnissen an. Die Farbgebung sah schwarze und leuchtendrote Metallfenster vor, die mit tiefblauen Vorhängen abgesetzt waren.[3]

Geschichte der Schule am Paradeplatz 4

Das stete Wachstum der Schule und veränderte technische Rahmenbedingungen der Fremdsprachenausbildung machten einen Standortwechsel dringlich. Seit März 2011 befindet sich die Würzburger Dolmetscherschule am Paradeplatz 4 (zwischen Residenz und Dom) in modernen Schulungsflächen auf über 2000 m².[4]

Die Würzburger Dolmetscherschule verfolgt dabei eine Doppelstrategie - Internationalisierung und Bachelorisierung einerseits, Berufsweltbezug andererseits. Dazu gehören seit 2006 die unterstützende Mitwirkung am Aufbau des Fachhochschul-Studiengangs "Fachübersetzer" (FH Würzburg), die Anbindung an Bachelor-Studiengänge im Ausland (insbesondere in England, USA und Australien), eine moderne technische Infrastruktur (CAT-Terminologiedatenbanken, integrierte Datenbank, Intranet, MacBook-Klassen mit WLAN) sowie ein stärkerer Berufsweltbezug der Ausbildungen (CareerDays, Förderung von Praktika). Die Würzburger Dolmetscherschule versteht sich heute mit ihrem vielfältigen Angebot als ein überregionales Fremdsprachenzentrum mit Schülern und Studenten aus dem gesamten Bundesgebiet und ist neben der Universität Würzburg ein internationales "Aushängeschild" der Stadt Würzburg. Die Teilnahme am europäischen Leonardo-Programm (internationaler Schüleraustausch mit Praktika) sowie Pläne für eine Teilnahme am europäischen Erasmus-Programm (internationaler Studentenaustausch) unterstreichen die zunehmende Internationalisierung.

Standortarchitektur

Am Paradeplatz spiegelt sich deutsche Geschichte symbolisch im Schnelldurchgang. Das Post-, Telegrafen- und Fernmeldeamt, später einfach "Paradepost" genannt, ist seit 1905 gegenüber der Domrückseite das dominierende Gebäude des Paradeplatzes. Um 1920 ist der Paradeplatz noch von Rosskastanien begrünt, und niedrige Verkaufspavillons beleben die Mitte des Platzes. Um 1928 werden diese Bäume gefällt, der Platz gepflastert und ein Ehrenmal für Gefallene des 1. Weltkriegs errichtet. 1935 wird zusätzlich eine Fliegerbombe auf einem Sockel mit der Inschrift "Luftschutz tut not" errichtet, und vor Kriegsende wurde ein großer Feuerlöschteich zum weiteren gestalterischen Element des Paradeplatzes. 2005 schließlich erhält der Paradeplatz wiederum ein Denkmal - das Mahnmal für die deportierten Sinti und Roma. Heute greift der Paradeplatz mit seinem alten Kopfsteinpflaster und den begrünten Baumbeständen wieder Akzente aus der Ära um 1928 auf. Durch die räumliche Nähe von Hochschule für Musik, Fakultäten der Universität Würzburg, Würzburger Dolmetscherschule, Grundschule und kirchlichen Einrichtungen der Dom-Schule entsteht am Paradeplatz erneut ein geistiges Zentrum zwischen Dom und Residenz.

Um 1955 wird das gesamte Ensemble am Paradeplatz nach den Zerstörungen vom März 1945 durch moderne Funktionsbauten (AOK-Gebäude, Mozart-Gymnasium, Paradepost) wiederaufgebaut. Für die neue "Paradepost" werden Teile der alten Arkadengänge aus dem frühen 20. Jahrhundert restauriert, aber mit einem modernen fünfgeschossigen Verwaltungsbau anstelle der zerstörten Bausubstanz kombiniert. Gerade dieses öffentliche, repräsentative Gebäude der "Paradepost" zieht sofort bekannte Künstler an. Die Bildhauer Fried Heuler ("Postreiter", um 1956), Julius Bausenwein ("Taubenbrunnen") und Lothar Forster (Skulptur "Kommunikation", 1987.[5]) verewigen sich am Gebäude der Paradepost. Das Grundthema "Kommunikation", anfangs durch Post und Telekommunikation symbolisiert, wird nach dem Einzug der Würzburger Dolmetscherschule inhaltlich neu interpretiert. Im gesamten Schulbereich der Würzburger Dolmetscherschule finden sich Wandzitate zu Sprachphilosophie und Übersetzen/Dolmetschen in vier Sprachen, die das Grundthema "Kommunikation" des Gebäudes in neuer Interpretation wieder aufgreifen.

Leitung

  • Dr. Irene Steidle (1971–1987)
  • Dr. Harms Kaufmann (1987-1992)
  • Dr. Klaus Götze (1992-1995)
  • Annette Sommer (1995–2010)
  • Dr. Jürgen Gude (2009– )

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [vgl. Richard Schneider, Diverse Artikel und Dokumente zur Geschichte der Dolmetscherausbildung 1933-1945, in: www.uepo.de (2004-2010); Winter, Miriam (2011), Das Dolmetschwesen im Dritten Reich, Germersheim (Masterarbeit)]
  2. [Ulrich Karl Pfannschmidt, Häuser und anderes. Gedanken zur Architektur Teil 12, in: nummerzweiundsechzig. Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Coburg, 2,2011, S. 27-29]
  3. ["Baubeschreibung zur Dokumentation von Gebäuden in der DBZ"; freundliche Mitteilung der Architektin Beatriz Betz, Mai 2011; cf. www.betz-architekten.de]
  4. „Würzburger Dolmetscherschule in neuen Räumen“, „Main-Post“-Artikel vom 22. März 2011
  5. [Dr. Eva-Suzanne Bayer, "Kommunikation", in: www.lothar-forster.de]

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