Zykloide Psychosen

Zykloide Psychosen

Der Begriff zykloide Psychosen wurde erstmals 1928 von Karl Kleist verwendet.[1] Bereits aus dem Titel seiner Arbeit geht hervor, dass die Theorien von Bénédict Augustin Morel über das von diesem 1860 vorgelegte Konzept der Degeneration hierbei eine maßgebliche Rolle spielten.[2] Sinn des Begriffs der zykloiden Psychosen ist die Abgrenzung dieser Gruppe von Erkrankungen von dem bis dahin als ungünstig angesehenen Ausgang der schizophrenen Psychose (Längsschnittdiagnostik), obwohl die Symptomatik der zykloiden Psychosen eher der von untypischen Schizophrenien entspricht (Querschnittdiagnostik). Schizophrenien wurden seit 1899 infolge von Untersuchungen durch Emil Kraepelin wesentlich durch ihren ungünstigen Verlauf definiert.[3] Von dieser „Kraepelinschen Regel“ gibt es jedoch inzwischen zahlreiche Ausnahmen. Eine von diesen Ausnahmen stellt die Prognose von zykloiden Erkrankungen dar. Sie kann bei dieser Gruppe von Erkrankungen nach Kleist gewöhnlich günstig gestellt werden. Solche Mischzustände zwischen Schizophrenien und affektiven Psychosen waren jedoch auch Kraepelin bereits 1920 bekannt.[4]

Bereits Karl Ludwig Kahlbaum hat 1863 das Konzept der „Vesania typica circularis“ vorgelegt und 1884 die Bezeichnung „cyklisches Irresein“ verwendet.[5] [6] Mit zykloid ist der Wechsel von Erkrankungsphasen gemeint sowohl zwischen gewöhnlich mehrjährigem symptomfreiem Intervall und der Erkrankung selbst, aber insbesondere auch der bei solchen Kranken oftmals auftretende Wechsel zwischen depressiven und manischen Phasen. Diese einander entgegengesetzt erscheinenden Phasen hat Karl Leonhard 1957 als „bipolar“ beschrieben, wobei er hierbei drei verschiedene Untergruppen bipolarer seelischer Reaktionsweisen voneinander unterschied:[7]

  • Angst-Glück-Psychose
  • Erregt-gehemmte Verwirrtheitspsychose
  • Akinetisch-hyperkinetische Motilitätspsychose

Leonhard rechnete die zykloiden Psychosen zu den endogenen Psychosen. Treten nur manische oder nur depressive Phasen auf, so wird die Erkrankung als „unipolar“ bezeichnet.[8]

Synonym

Die Bezeichnung „zykloide Psychose“ ist weitgehend synonym mit „schizoaffektive Psychose“ und in diesem Sinne vor allem in der amerikanischen Psychiatrie gebraucht. Abweichend von dem durch Leonhard vertretenen Konzept werden diese Psychosen jedoch dort nicht als in sich typische Gruppen angesehen, sondern als etwas, was sowohl Symptome der Schizophrenie als auch der affektiven Psychosen besitzt.[9]

Einzelnachweise

  1. Kleist, Karl: Über zykloide, paranoide und epileptoide Psychosen und über die Frage der Degenerationspsychosen. Arch. Neurol. Psychiatr. 23-27
  2. Morel, Bénédict Augustin: Traité des maladies mentales. Masson, Paris 1860
  3. Kraepelin, Emil: Die Diagnose und Prognose der Dementia praecox. [1899 e] Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie, Bd. 56, 1899, S. 254-263 [Autorreferat]
  4. Kraepelin, Emil: Die Erscheinungsformen des Irreseins. Z. Gesamt. Neurol. Psychiatrie 40:405-406
  5. Kahlbaum, Karl Ludwig: Die Gruppierung der psychischen Krankheiten und die Einteilung der Seelenstörungen. Kafemann, Danzig 1863
  6. Kahlbaum, Karl Ludwig: Über cyclisches Irresein. Allg. Z. Psychiatrie 40:405-406
  7. Leonhard, Karl: Aufteilung der endogenen Psychosen. Akademie-Verlag, Berlin 1957
  8. Marneros, Andreas et al.: Unipolar and bipolar schizoaffective disorders. A comparative study. Bd. I und II, Eur. Arch. Psychiatr. Neurol. Sci. 1989
  9. Peters, Uwe Henrik: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. Urban & Schwarzenberg, München 31984; Stw. „Psychose, schizoaffektive“, Seite 455

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