Karl Kleist

Karl Kleist

Karl Kleist (* 31. Januar 1879 in Mülhausen (Elsass); † 26. Dezember 1960 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Neurologe und Psychiater.

Er stand in der Tradition von Carl Wernicke, dessen neurologische und psychiatrische Schule er gemeinsam mit Karl Leonhard weiter führte. Eingehende Arbeiten zur Klassifikation der psychischen Erkrankungen, Hirnpathologie und endogenen Psychosen. Kleist prägte den Begriff der zykloiden Psychosen. Seine Hauptpublikation ist auf dem Gebiet der Neurologie: Lokalisation von Funktion in der Hirnrinde des Menschen inkl. Hirnkarten in seinem berühmten Werk 'Gehirnpathologie' (1934a). Seine Arbeit gründet sich auf die Untersuchung einiger hundert Fälle von Schussverletzungen des Ersten Weltkriegs, deren Funktionsausfälle Kleist während der Lebenszeit der Patienten genauestens untersuchte und analysierte. Nach deren Tod, wenn sie in eine Autopsie eingewilligt hatten, untersuchte er die Gehirne makroskopisch und mikroskopisch (Zytoarchitektonik). Nun konnte er Funktionsausfall und Hirnläsion genau zuordnen. Auf diese Weise entstanden minutiöse Hirnkarten mit detaillierter Lokalisation der Funktion, die noch heute ihre Gültigkeit haben (Gehirnpathologie, 1934a).

Der Begriff der Koinopsyche geht auf Kleist zurück.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Kleist absolvierte sein Medizinstudium von 1897 bis 1902 in Straßburg, Heidelberg, Berlin und München. Danach wurde er 1903 Assistent an der Universitätsnervenklinik Halle, wo er Schüler von Carl Wernicke war, der 1905 [auf einer Radtour im Thüringerwald] tödlich verunglückte. Er blieb in Halle bis 1908 und wechselte dann 1909 zur Psychiatrischen und Nervenklinik Erlangen bei Gustav Specht. Kleist erstellte seine Habilitation zum Thema „Weitere Untersuchungen an Geisteskranken mit psychomotorischen Störungen“.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er 1914 Militärarzt. In seiner Tätigkeit konnte er wichtige Erfahrungen mit Hirnverletzten sammeln und später die oben beschriebenen Funktionen in der Großhirnrinde zuordnen (Gehirnpathologie, 1934a). Kleist wurde 1916 Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Rostock und gleichzeitig Direktor der Anstalt Gehlsheim. 1920 wechselte er zur Nervenklinik der Stadt und Universität Frankfurt am Main, wo er ebenfalls als Direktor arbeitete.

In der Zeit des Nationalsozialismus trat Kleist 1940 der NSDAP bei, 1942 wurde er Mitglied des NS-Ärztebundes. Im Zweiten Weltkrieg war er Oberstarzt und Beratender Militärpsychiater im Wehrkreis IX in Frankfurt. Kleist wurde 1950 emeritiert, blieb aber bis 1960 Leiter der Frankfurter Forschungsstelle für Gehirnpathologie und Psychopathologie und war weiterhin wissenschaftlich tätig.

Publikationen

  • Kleist K (1911) Die klinische Stellung der Motilitätspsychosen (Vortr auf der Versamml des Vereins bayrischer Psychiater, München 6.-7. Juni 1911) Z Gesamte Neurol Psychiat Referate 3, pp. 914-977
  • Kleist K (1926) Über zykloide Degenerationspsychosen, besonders Verwirrtheits- und Motilitätspsychosen. Arch Psychiat 78: 100-115
  • Kleist K (1928) Über zykloide, paranoide und epileptoide Psychosen und über die Frage der Degenerationspsychosen. Schweiz Arch Neurol Psychiat 23: 3-37
  • Kleist K (1934a) Gehirnpathologie, Johann Ambrosius Barth-Verlag Leipzig
  • Kleist K (1934b) Kriegsverletzungen des Gehirns in ihrer Bedeutung für die Hirnlokalisation und Hirnpathologie. Johann Ambrosius Barth-Verlag, Leipzig
  • Kleist K (1953) Die Gliederung der neuropsychischen Erkrankungen. Monatsschr Psychiat Neurol 125: 526-554

Literatur

  • Bartsch JM, Neumärker K, Franzek E, Beckman H (2000) Karl Kleist, 1879-1960, Am J Psychiatry 157:5
  • Angst J, Mameros A (2001) "Bipolarity from ancient to modern times: conception, birth and rebirth". J Affect Disord 67 (1-3): 3-19
  • Fish FJ, Stanton JB (1962) Translator's preface. In: Kleist K, Sensory Aphasia and Amusia. The Myeloarchitectonic Basis. Oxford: Pergamon Press

Weblinks


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