Abzeichen in den Konzentrationslagern

Abzeichen in den Konzentrationslagern
Niederländische Juden, die mit einem gelben Stern und N markiert wurden, auf dem Apellplatz im KZ Buchenwald

Die Kennzeichnung der Häftlinge in den Konzentrationslagern diente zur Gruppierung und Stigmatisierung der Gefangenen in den Konzentrationslagern während der Zeit des Nationalsozialismus. Sie erleichterte dem Wachpersonal die Erkennung der von der SS verwendeten Gruppierung der Häftlinge nach Ländern, „Rasse“, Vorverurteilungen etc. Die Häftlingsnummer ersetzte im Lager den Namen der gefangenen Personen.

Inhaltsverzeichnis

Kurzbeschreibung

Die Kennzeichnung geschah mit Hilfe von farbigen Stoff-Dreiecken, deren Spitze nach unten zeigte. Aufgrund dieser Form wurden die Abzeichen auch „Winkel“ genannt. Sie wurden auf die gestreifte KZ-Häftlingskleidung genäht (Jacken und Hemd), damit die Wächter schnell den Grund ihrer Inhaftierung erkennen konnten.

Weitere Differenzierungen wurden nach Nationalitäten und den Aufgaben als Funktionshäftling (beispielsweise Kapos, Stubenältester bzw. Block- oder Barackenältester) vorgenommen. In den ersten KZ-Jahren und zum Teil auch später wurden die Häftlingsnummern auch auf der Kleidung angebracht.

Kennzeichen für Schutzhäftlinge in den Konzentrationslagern; Lehrmaterial für SS-Wachmannschaften

Die Form wurde wegen der Ähnlichkeit mit den Gefahrenschildern in Deutschland gewählt. Zusätzlich zur Farbkodierung mussten einige Häftlingsgruppen einen Buchstaben in ihr Dreieck setzen, um ihr Herkunftsland anzuzeigen. Ein rotes Dreieck mit einem „F“ zum Beispiel wies auf einen politischen Gefangenen aus Frankreich hin.

Die üblichsten „Winkel“ waren:

Doppelte Dreiecke:

  • zwei gelbe Winkel, die aufeinander gesetzt waren und so den Judenstern bildeten
  • ein roter Winkel auf einem gelben – ein Jude, der als politischer Häftling inhaftiert war

Es gab verschiedene Markierungen, die von einem Häftling gleichzeitig getragen wurden, gelegentlich sogar mehr als sechs: so die Anfangsbuchstaben des Herkunftslandes:

Form und Farbe der Markierung von Lagerhäftlingen in den Konzentrationslagern

Politisch Kriminell Emigrant
Bibelforscher Homosexuell Asozial
Einfache Winkel
Wiederholte Insassen
Angehörige von Strafbataillonen
Markierungen für Juden
Spezielle Markierungen
„Jüd. Rasseschänder

„Rasseschänderin“

Fluchtgefahr

Häftlingsnummer

Die anwendbaren Markierungen wurden in folgender Reihenfolge getragen: Häftlingsnummer, Streifen für wiederholte Insassen, Winkel oder Stern, Mitglied eines Strafbataillons, Fluchtverdächtiger

Pole: „P“ auf einem roten Winkel

Tscheche: „T“ auf einem roten Winkel

Wehrmachtsangehöriger: Umgedrehter roter Winkel

Besonderer Häftling: Braunes Armband

Häftlingshierarchie anhand der Abzeichen

Die Abzeichen drückten ihre Träger sehr schnell in eine Kategorie, die zu einer regelrechten Lagerhierarchie führte. Verschiedene Häftlingsgruppen genossen unter den Aufsehern und ihren Mithäftlingen verschiedenes Ansehen.

  • Rot – politischer Gefangener: benutzt für politische Häftlinge, die in der Frühphase des Lagers den Hauptteil der Häftlinge bildeten und auch später wichtige Schlüsselpositionen, wie z. B. in der Häftlingsverwaltung (Blockälteste, Stubenälteste, Kapos), besetzten. Hierzu zählten Sozialdemokraten, Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschaftsvertreter, Journalisten oder sonstige „politisch aktive“ Personen. Auch nahezu alle inhaftierten Geistlichen wurden von den Nationalsozialisten als „Staatsfeinde“ eingestuft und mussten den roten Winkel tragen; bis Ende 1944 durften sie allerdings – mit wenigen Ausnahmen – keine leitenden Funktionen in der Häftlingshierarchie innehaben. Politische Gefangene wurden von ihren Mithäftlingen (wenn man gewöhnliche Kriminelle ausschließt, welche oft als Kapos fungierten) besonders respektiert.
  • Violett – Bibelforscher: Im Jahr 1933 wurden die Zeugen Jehovas in Deutschland verboten, weil sie sich dem Nationalsozialismus verweigerten, insbesondere dem Kriegsdienst.[2] Sie galten als „Sendboten des jüdischen Bolschewismus“ und waren den Nationalsozialisten auch wegen der internationalen Verbreitung mit dem Zentrum in den USA ein Dorn im Auge. Sie waren bei der Lagerleitung aufgrund ihrer Fügsamkeit als Dienstpersonal sehr beliebt. Religiöse Häftlinge genossen auch unter ihren Mithäftlingen hohes Ansehen.
  • Grün – gewöhnlicher Krimineller: Speziell ab Mitte der 30er Jahre wurden verstärkt auch kriminelle Häftlinge ins Lager eingewiesen. Oft wurde ihnen die Rolle des Vorarbeiters (Kapo) zugewiesen. Oftmals bediente sich die SS der Spitzeldienste von kriminellen Häftlingen.[3]
  • Blau – Emigranten.
  • Zwei gelbe Winkel, die aufeinander gesetzt waren und so den Davidstern bildeten – ein Jude: Juden gehörten zu den verachteten Gefangenen und mussten unter ihren Mitgefangenen leiden.
  • Schwarz – „Asoziale“: Sie standen am unteren Ende der Häftlingshierarchie und wurden selbst von einem Teil der Häftlinge gemieden.
    • Als solche galten zum einen „deutschblütige" Angehörige (ASR - Arbeitsscheu Reich) sozial auffälliger Randgruppen wie Landstreicher, jenische Landfahrer, „Arbeitsscheue“, Prostituierte oder Alkoholiker. Ihnen gemeinsam war in den Augen der Volkshygieniker, den „Auswurf des deutschen Volkes“ zu bilden, der den „Volkskörper“ schädige wie eine Krankheit.[4]
    • Als „fremdrassig“ und kollektiv asozial galten zum anderen Zigeuner einschließlich sog. „Zigeunermischlinge“ – gemeint waren Roma und Sinti, ferner ebenfalls als „fremdrassig“ eingestufte Menschen schwarzer Hautfarbe.[5] Ihnen gemeinsam war in den Augen der Rasseideologen und Volkshygieniker, dass sie von außen in den „Volkskörper“ eindringen und ihn schädigen würden.
  • Rosa – homosexuell: Homosexuelle Häftlinge wurden als eigene Häftlingsgruppe gekennzeichnet und waren üblicherweise in einer eigenen Häftlingsbaracke untergebracht. Dies war die niedrigste Stufe in der Lagerhierarchie, die von anderen Gefangenen verachtet und schikaniert wurden.

Durch dieses Einteilungssystem konnten die Bewacher teils die Häftlinge besser kontrollieren, teils auch unliebsamen Häftlingen durch das Aufnähen eines bestimmten Winkels das Leben sehr schwer machen. In den drei untersten Kategorien – Juden, „Asoziale“ und Homosexuelle – gab es insbesondere dokumentierte Versuche von Häftlingen, einen anderen Winkel zu erhalten.

Diese Lagerhierarchie ist als weitere Perversion des NS-Staates zu sehen, nicht als „Besserstellung“ einiger. In KZs wurden auch viele religiöse und politische Gefangene gequält und ermordet. Die Kategorisierung war eher ein Kontrollinstrument, um eine große Gemeinschaftsbildung der Gefangenen zu verhindern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit den Angehörigen der letzten beiden „Kasten“, mit Homosexuellen und „Asozialen“, vielfach weiter diffamatorisch verfahren. Die erst 1970 offiziell aufgelöste Landfahrerzentrale in Bayern war eine direkte Weiterführung der SS-Zigeunerzentrale, und es gibt Homosexuelle, die direkt im Anschluss an die Lagerhaft weiter inhaftiert wurden.

Häftlingsnummern

Jeder Häftling erhielt bei der Aufnahme in ein KZ-Stammlager eine Registrierungsnummer (Häftlingsnummer). Ab sofort hatte er im Lager keinen Namen mehr, sondern wurde mit dieser Nummer genannt und musste sich jedem ihm Vorgesetzten mit dieser Nummer melden (bei abgenommener Kappe und in strammer Hab-acht-Haltung).

Im Normalfall wurden die Häftlingsnummern an der Kleidung angebracht. Nur im Konzentrationslager Auschwitz wurden Häftlinge auch tätowiert. Einerseits um Verwechslungen von entkleideten Leichen auszuschließen und andererseits um geflohene Häftlinge leichter zu identifizieren. Normalerweise wurde die Häftlingsnummer auf den linken Unterarm tätowiert. Als Ausnahmen gelten Kinder, die im Lager geboren wurden. Da auf ihren Unterarmen nicht ausreichend Platz für eine Tätowierung war, wurden sie stattdessen auf anderen Stellen (z. B. Oberschenkel) tätowiert.

Die Nummern der so erfassten Häftlinge wurden in einer Buchhaltung in jedem Lager erfasst und bei den zwei täglichen Appellen vor und nach dem Ausrücken zu Arbeitskommandos wurden Veränderungen (Tod, Übergang ins Revier, Entlassungen) anhand dieser Nummern kontrolliert. Sie dienten auch zur In-Rechnung-Stellung der Sklavenarbeit an daran beteiligte Firmen, Kleinbetrieben oder Behörden.

Anhand der Nummern in den verschieden Lagerbuchhaltungen war in der Nachkriegszeit teilweise eine Verfolgung einzelner Gefangenentransporte zwischen den Konzentrationslagern auch dann möglich, wenn die Häftlinge später getötet wurden oder als vermisst gegolten hatten. Besonders bei Gefangenentransporten aus den besetzten Ländern Europas war dies oft die einzige Möglichkeit, Todesort und wahrscheinlichen Todeszeitpunkt enger zu bestimmen.

Zum Teil enthielten die Nummern-Serien einzelner KZ-Lager Zusätze für einzelne Opfergruppen. Bei einer Verlegung in ein anderes Stammlager wurden zum Teil neue Nummern vergeben.

Siehe auch

Literatur

  • Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, ISBN 345302978X
  • Christa Schikorra: Kontinuitäten der Ausgrenzung. "Asoziale" Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Berlin, Metropol, 2001
  • Helga Amesberger; Katrin Auer; Brigitte Halbmayr: Sexualisierte Gewalt. Weibliche Erfahrungen in NS-Konzentrationslagern, Mandelbaum Verlag (2005), ISBN 385476118X

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe dazu Sommer, Robert: Der Sonderbau - Die Errichtung von Bordellen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Berlin, 2006, S. 24, Fußnote 107: „In das Schema der sozialen Abweichung reiht Sofsky auch die sexuelle Abweichung ein. Im Falle von lesischer Liebe mag das im Kategoriesystem der SS funktionieren, weil sie laut der Naziideologie faktisch nicht existierte. Frauen hatten laut ihrer Ideologie, keine selbstständige Sexualität. Lesbische Liebe war damit in ihren Augen asoziales Verhalten. Somit wurde das Problem der sexuellen Präferenz zum sozialen Problem. Im Falle der homosexuellen Männer, die den rosa Winkel bekamen, bezog sich ihre Klassifizierung direkt auf sexuelle Abweichung.“ Sommer nimmt dabei bezug auf Sofsky, Wolfgang: Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager, Frankfurt/Main, 1997, 137 ff.
  2. Homosexuelle und Gemeinschaftsfremde, Wolgang Benz In: Dachauer Hefte, Nr. 14, Nov. 1998 S.6 ff.
  3. Das Konzentrationslager Dachau 1933-1945, Bayerische Landeszentrale für politische Bildung 1994, S. 8.
  4. Asoziale - die verachteten Verfolgten, Wolgang Ayaß In: Dachauer Hefte, Nr. 14, November 1998 S.50 ff.
  5. Julia Okpara-Hofmann: Schwarze Häftlinge und Kriegshäftlinge in deutschen Konzentrationslagern. http://www.bpb.de/themen/9S1ESR,1,0,Schwarze_H%E4ftlinge_und_Kriegsh%E4ftlinge_in_deutschen_Konzentrationslagern.html, ff, Aufruf vom 2. Januar 2007

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