Cranio-Sacral-Therapie

Cranio-Sacral-Therapie

Die Cranio-Sacral-Therapie (von englisch cranio-sacral therapy: „Schädel-Kreuzbein-Therapie“, auch Kraniosakraltherapie oder kraniosakrale Osteopathie) ist eine alternativmedizinische Behandlungsform, die sich aus der Osteopathie entwickelt hat. Es ist ein manuelles Verfahren, bei dem Handgriffe vorwiegend im Bereich des Schädels und des Kreuzbeins ausgeführt werden. Die behauptete Wirkungsweise ist aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht plausibel. Ein Nachweis für die Wirksamkeit des Verfahrens konnte nicht erbracht werden.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Cranio-Sacrale Therapie ist aus einer speziellen Form der Osteopathie heraus entstanden, die als „Osteopathy in the Cranial Field“ vom US-amerikanischen osteopathischen Arzt William Garner Sutherland D.O. begründet wurde.

Die heutige Ausprägung als von der Osteopathie losgelöste Therapieform erhielt sie im Wesentlichen durch den Osteopathen John E. Upledger (Craniosacral Therapy, 1983). Upledger reduzierte das Behandlungskonzept der „Osteopathy in the Cranial Field“ auf ein Konzept aus 10 Schritten und verband es mit der alternativen Psychotherapie der 1970er Jahre zum Konzept der „Somato Emotional Release“ (körperlich-seelische Lösung). Er postulierte dafür sogenannte „Energie-Zysten“, in denen sich ein Trauma im Gewebe fixiere.

Der Brite Franklyn Sills mischte dieses Konzept mit Ideen aus der Polarity-Psychotherapie; seine Synthese bezeichnet er als craniosacral biodynamics. Der kalifornische Osteopath Hugh Milne formulierte eine visionär-schamanistische Variante, die in ihren Grundsätzen sehr auf der Arbeit W.G. Sutherlands, dem Begründer der Craniosacraltherapie, beruht, jedoch auch biodynamische Arbeitsweisen mit einbezieht. Zu jedem dieser Konzepte gibt es privat geführte Ausbildungsinstitute, teilweise auch nationale und internationale Verbände[1] und Lehrmaterial.

Konzept

Die Cranio-Sacral-Therapie beruht unter anderem auf der Annahme, dass die rhythmischen Pulsationen der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) sich auf die äußeren Gewebe und Knochen übertragen und ertasten lassen. Die Einzelknochen der Schädelkalotte werden als gegeneinander beweglich angesehen.

Durch Berührung des Körpers will der Therapeut Informationen über mögliche Blockaden dieser Bewegung sammeln und dadurch auf Funktionseinschränkungen einwirken, sowie indirekt auch Membranen innerhalb des Schädels (Falx cerebri, Tentorium, Falx cerebelli) und die harte Hirnhaut (Dura mater) beeinflussen. Dieses Vorgehen soll einen angenommenen „Energiefluss“ verbessern und Selbstheilungskräfte aktivieren sowie Funktionseinschränkungen und seelische Traumata lösen.[2]

Kritik

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Bewegungen und Drücke des zerebrospinalen Liquors dynamisch auf die Druckverhältnisse im Körper reagieren. Dadurch kommt es zu charakteristischen puls- und atemsynchronen Änderungen sowie zu Schwankungen beim Husten oder beim Valsalva-Manöver.[3] Die Existenz einer im ganzen Körper wirksamen Liquorwelle sowie die Wirksamkeit der Cranio-Sacral-Therapie konnte nicht belegt werden.[4] Studien über die Wirksamkeit (siehe medizinische Wirksamkeit) oder Wirkweise der Cranio-Sacral-Therapie wurden in internationalen medizinischen Fachblättern aufgrund methodischer Mängel bisher als mangelhaft bewertet.[5][6]

In den bisherigen Untersuchungen gab es keine signifikante Übereinstimmung über einen festgestellten Rhythmus zwischen zwei Therapeuten, die gleichzeitig dieselbe Person berührten.[7][8][9][10][11] Auch die durch bildgebende Verfahren im Mikrobereich festgestellte Bewegung der Schädelnähte ist so gering, dass sie das Diskriminationsvermögen der feinen Tastsensoren einer menschlichen Hand deutlich unterschreitet.[12]

Quellen

  1. siehe Weblinks
  2. John E. Upledger, Jon D. Vredevoogd: Lehrbuch der Craniosacralen Therapie I. Karl F. Haug Verlag. Stuttgart 2003. ISBN 3-8304-7168-8
  3. Maier SE et al. „Brain and cerebrospinal fluid motion: real-time quantification with M-mode MR imaging“. Radiology. 1994 Nov;193(2):477-83. PMID 7972766 (Volltext)
  4. Hartman SE et al. „Craniosacral therapy is not medicine“. Phys Ther. 2002 Nov;82(11):1146-7. PMID 12405869
  5. Green C et al. „A systematic review of craniosacral therapy: biological plausibility, assessment reliability and clinical effectiveness“. Complement Ther Med. 1999 Dec;7(4):201-7. PMID 10709302
  6. Hartman SE. „Cranial osteopathy: its fate seems clear“. Chiropr Osteopat. 2006 Jun 8;14:10. PMID 16762070
  7. Wirth-Pattullo V et al. „Interrater reliability of craniosacral rate measurements and their relationship with subjects' and examiners' heart and respiratory rate measurements“. Phys Ther. 1994 Oct;74(10):908-16; discussion 917-20. PMID 8090842 (Volltext)
  8. Hanten WP et al. „Craniosacral rhythm: reliability and relationships with cardiac and respiratory rates“. J Orthop Sports Phys Ther. 1998 Mar;27(3):213-8. PMID 9513867
  9. Rogers JS et al. „Simultaneous palpation of the craniosacral rate at the head and feet: intrarater and interrater reliability and rate comparisons“. Phys Ther. 1998 Nov;78(11):1175-85. PMID 9806622 (Volltext)
  10. Sommerfeld P et al. „Inter- and intraexaminer reliability in palpation of the "primary respiratory mechanism" within the "cranial concept"“. Man Ther. 2004 Feb;9(1):22-9. PMID 14723858
  11. Moran RW et al. „Intraexaminer and interexaminer reliability for palpation of the cranial rhythmic impulse at the head and sacrum“. J Manipulative Physiol Ther. 2001 Mar-Apr;24(3):183-90. PMID 11313614
  12. Zeitschrift für Manuelle Medizin 3/2006

Literatur

  • William Garner Sutherland: The Cranial Bowl. 1939.
  • William Garner Sutherland, Editor: Ann Wales: Teachings in the Science of Osteopathy. 1990.
  • Hugh Milne: Aus der Mitte des Herzens lauschen. Zwei Bände.
  • Rebecca Lippincott Conrow, Howard A. Lippincott: A Manual of Cranial Technique. 1943.
  • Harold Ives Magoun: Osteopathy in the Cranial Field. Denver 1951.
  • Franklyn Sills: Craniosacral Biodynamics. Vol.1, Berkeley 2001; Vol. 2, Berkeley 2004.
  • John E. Upledger: Lehrbuch der Kraniosakral-Therapie. Heidelberg 1991 (Originalausgabe 1983).
  • John E. Upledger: Auf den Inneren Arzt hören - Eine Einführung in die KranioSacral-Arbeit. Basel 1994.

Weblinks


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