- Der Deserteur
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Der Deserteur (Le déserteur) ist ein Chanson, das von dem französischen Schriftsteller Boris Vian im Februar 1954 geschrieben wurde, die Melodie stammt von Harold Berg. Neben Boris Vian selbst haben zahlreiche Künstler dieses Lied gesungen, darunter Marcel Mouloudji, Serge Reggiani, Richard Anthony, Dan Bigras, Leny Escudero, Dédé Fortin und Joan Baez. Übertragungen ins Deutsche gibt es von Hans Diebstahler,[1] Erich Aurich[2] und Wolf Biermann[3], der mit seiner Version von 1983 (Album "Im Hamburger Federbett") Jahresbester der Liederbestenliste wurde. Als das Lied zum ersten Mal im Radio gespielt wurde, war Paul Faber, ein Mitglied des Rates des Départements Seine, so schockiert über den Text des Liedes, dass er dessen Zensierung verlangte. Als Antwort darauf verfasste Boris Vian den berühmten offenen Brief Lettre ouverte à Monsieur Faber.
Inhaltsverzeichnis
Form
Der Text des Chanson Der Deserteur besteht aus 12 Strophen aus jeweils 4 Versen mit umarmenden Reimen. Die insgesamt 22 Reime bestehen aus 6 sog. armen Reimen (rime pauvre), das bedeutet, die letzten beiden betonten Laute zweier Zeilen haben einen (nasalen) Vokal als gemeinsames Phonem: président - temps.
Darüber hinaus gibt es 14 rimes suffisantes (ausreichende Reime), hier reimen sich nicht nur die Vokale, sondern auch die jeweils darauf folgenden Konsonanten: recevoir – soir.
Selten werden in der französischen Lyrik sog. reiche Reime benutzt (rimes riches), mindestens ein Konsonant und der darauf folgende Vokal sind gleich: ensemble - ressemble.
Der erste und der letzte Vers einer Strophe bestehen aus sechs Versfüßen und enden mit einem maskulinen Reim. Dagegen steht am Ende der inneren beiden Verse mit je sieben Versfüßen ein femininer Reim.
Auffällig an der Melodie des Chanson ist, dass sie zwar einige sich wiederholende Elemente enthält, aber keinen Refrain im eigentlichen Sinne hat. Der heitere Rhythmus, der bisweilen der Marschmusik von Soldaten ähnelt, steht im krassen Gegensatz zum Inhalt des Gedichts.
Inhalt
Ein Soldat richtet in einem Brief an den Herrn Präsidenten (historisch René Coty) ein teils polemisches, teils familienhistorisches, teils dialektisch-kritisches Argument für das geplante Nichtbefolgen eines militärischen Einberufungsbefehls. Er baut so eine gewisse Spannung auf. Sie entlädt sich, indem er auch andere auffordert, seinem Beispiel zu folgen. Vian verteidigte sich zu Lebzeiten gegen die Bezeichnung des Liedes als Protestlied.
„Ich habe kein antimilitaristisches Chanson verfasst, es handelt sich lediglich um ein für Zivilpersonen bestimmtes Chanson.“
– Vian
In einer frühen Version fehlte der pazifistische Charakter, den er auf Anregung eines Freundes hin einbrachte. Auftritte von Vian und anderen Interpreten wurden vielfach von Nationalisten gestört oder untergraben. In Folge der verstärkten Popularität des Nationalistischen Politikers Jean-Marie Le Pen um 1956 und dem Einzug der Union zur Verteidigung der Kaufleute und Handwerker verschärften sich die Reibungen und führten zu mehreren Eklats und schließlich auch zur Zensur durch die französischen Behörden 1955. Zuvor wurde das Lied in der internationalen Presse diskutiert und am 27. August 1955 im belgischen Fernsehen ausgestrahlt.
Kontext
Der Deserteur ist eins der Chansons, die dem Genre poésie engagée bzw. chanson engagée zuzuordnen sind. Diese Lieder lösten zahlreiche gewaltlose bzw. antimilitaristische Bewegungen in der französischen Bevölkerung aus, die noch immer nicht die Gräuel des Zweiten Weltkriegs verdaut hatte. Zudem machte die Tatsache, dass Der Deserteur in einer Zeit veröffentlicht wurde, in der der Algerienkrieg gerade begonnen hatte, dieses Chanson zum Protestlied einer ganzen Generation. Die "Kampagne gegen die Wehrpflicht" setzte das Lied noch 1990 bei ihren Aktionen ein.
Literatur
- Boris Vian: Der Deserteur. Chansons, Satiren und Erzählungen. Wagenbach Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-8031-2400-X.
- Philippe Boggio: Boris Vian. Biographie. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-13972-3.
- Pierre Saka: La chanson française à travers ses succès. Larousse, París 1996, ISBN 2-03-508399-0.
Weblinks
Quellen
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