Des Hohen Lied

Des Hohen Lied

Die Hávamál (Háv), des Hohen Lied oder die Sprüche des Hohen, heißt eine Sammlung von insgesamt 164 eddischen Strophen, die zu der Lieder-Edda gerechnet werden. Ein großer Teil der Gedichte befasst sich, wie die Grímnismál, fast ausschließlich mit Óðinn, der hier der Hohe genannt wird, ein Name, mit dem auch einer aus der Göttertrinität der Æsir in Snorris mythologischer Schrift, Gylfaginning, bezeichnet wird. Bis auf einige kurze mythologische Skizzen enthält die Hávamál ausschließlich eddische Wissensdichtung.

Die Strophen der Hávamál sind nur im Codex Regius überliefert und sind Óðinn als dem "Hohen" in den Mund gelegt. Diese Methode schafft einen fiktiven Rahmen für die sonst eher lose verbundenen Segmente und Strophen der Dichtung. Háv 1-79 (80) werden von der Forschung als Das Alte Sittengedicht bezeichnet. Sie enthalten ethische Anweisungen, Regeln und Lehren für den täglichen Gebrauch. Die folgenden Strophen (Háv 81-95) geben Ratschläge in Liebesangelegenheiten, die dann in den sogenannten Óðinns-Beispielen (Háv 96-102 und 103-110) anhand von dessen Biographie konkretisiert werden. Háv 112-137, die Lehren an Loddfáfnir (Loddfáfnismál), listen eine weitere Reihe von Verhaltensweisen auf, die einem jungen Mann gleichen Namens gewidmet sind. An die Loddfáfnir-Lehren schließt der bekannteste Teil der Hávamál (Háv 138-141) an, der das Runengedicht Óðinns (Rúnatal þáttr Óðinn) genannt wird, und der das Selbstopfer Óðinns enthält. Nach einer Überleitung (Háv 142-145) folgen, die Dichtung beschließend, die sogenannten Zauberlieder (Ljóðatal) in Háv 146-164. Diese 18 Strophen beziehen sich auf magische Formeln, die nur angedeutet, nicht aber mitgeteilt werden.

Die ältere Forschung sah in der Hávamál ein unzusammenhängendes Konglomerat von mehr oder weniger kohärenten Strophen und Liedern, die ein späterer Kompilator in die heute vorliegende Form gefasst hat. Betont wurde insbesondere das hohe Alter des Alten Sittengedichts, während man den Rest der Sammlung immer wieder neu bearbeitete, um deren ursprüngliche Gestalt wiederzugewinnen. Hermann Schneider erkannte bereits, dass es sich um eine wohlüberlegte Sammlung handelt, die dann von einer zweiten Hand ergänzt und in eine Endgestalt gebracht worden sei.[1] Zu ähnlichen Ansichten kam auch Ivar Lundquist.[2] Klaus von See glaubte, zeigen zu können, dass die Hávamál von einem einzigen Redaktor nach einem von Anfang an wirksamen Kompositionsplan einheitlich konzipiert worden sei. Es handele sich insgesamt um eine Rede Odins im Sinne einer Steigerung der Lehre und Selbstoffenbarung.[3] Seine Beweisführung ist aber auf Widerspruch gestoßen.[4]

Auch für das angeblich als früh eingeschätzte Alte Sittengedicht konnten inzwischen teils unmittelbare, teils wahrscheinlich über die Hugsvinnsmál vermittelte lateinische Einflüsse aus den Disticha Catonis nachgewiesen werden, so dass der angeblich unverfälschte germanische Charakter dieser Strophen verworfen werden muss. So kann auch die Hávamál heute als Produkt des 13. Jahrhunderts gewertet werden, das dem Hochmittelalter näher steht als dem germanischen Altertum.[5]

Havamal ist auch der Name eines Liedes des Pagan Metal-Projekts Falkenbach. Der Titel des Albums Heralding - The Fireblade (2005) orientiert sich am Hávamál in englischer Sprache. Falkenbachs erste Veröffentlichung, die Demo Havamal (1989) hat ebenfalls diesen Titel.

Einzelnachweise

  1. Hermann Schneider: Eine Uredda. Untersuchungen und Texte zur Frühgeschichte der eddischen Götterdichtung. Halle 1948.
  2. Ivar Lundquist: Zur Urgestalt der Hávamál. Lund 1956.
  3. Klaus von See: Die Gestalt des Hávamál. Eine Studie zur eddischen Spruchdichtung. Frankfurt a. M. 1972.
  4. Siegfried Beyschlag: „Zur Gestalt der Hávamál. Zu einer Studie Klaus von Sees“. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Band 103 (1974) S. 1-19.
  5. Klaus von See: „Disticha Catonis und Havamál.“ In: Klaus von See: Edda, Saga, Skaldendichtung. Heidelberg 1981 S. 27-44.

Literatur

  • Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd 1. Text. Hrsg. von Gustav Neckel, 5. verbesserte Auflage von Hans Kuhn. Germanische Bibliothek. Reihe 4, Bd 9. Texte. Carl Winter, Heidelberg 1936, 1962, 1983. ISBN 3-533-03080-6 (Háv.17-44)
  • Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd 2. Kommentierendes Glossar - Kurzes Wörterbuch. Hrsg. von Hans Kuhn. Heidelberg 1936, 1968.
  • Die Edda. Die ältere und jüngere Edda und die mythischen Erzählungen der Skalden. Übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Karl Simrock. Cotta, Stuttgart 1851,1896 (10.Aufl.), Phaidon, Essen 1987, Weltbild, Augsburg 1987, Saur, München 1991 (Mikrofich). ISBN 3-888-51112-7, ISBN 3-598-52753-5 (Háv.41-62)
  • Die Edda. Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Ins Deutsche übertragen von Felix Genzmer. Diederichs, Düsseldorf 1981, München 1997, Weltbild u.a. 2006 (Háv.154-207). ISBN 3-424-01380-3, ISBN 3-7205-2759-X
  • Heinz Klingenberg: Hávamál. in: Festschrift für S. Gutenbrunner. Winter, Heidelberg 1972, 117-144. ISBN 3-533-02170-X

Weblinks


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