Detlef Kobjela

Detlef Kobjela

Detlef Kobjela (* 7. April 1944 in Willmersdorf bei Cottbus) ist ein sorbischer Komponist und Musikwissenschaftler. Seit den 70er Jahren prägt er mit seinen Kompositionen und seiner musikwissenschaftlichen Arbeiten maßgeblich die sorbische Musiklandschaft in der Nieder- und Oberlausitz und leistet damit bis heute einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung der sorbischen Musikkultur.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend 1944-1963

Detlef Kobjela ist das erstgeborene Kind Ewald Kobjelas und seiner damaligen Frau, Elfriede. Ewald Kobjela war Bäckermeister in Willmersdorf bei Cottbus und betrieb neben der Bäckerei einen Kolonialwarenladen und die Poststelle des Dorfes. Aufgrund des Vaters ausgeprägten Liebe zur Musik erhielt sein Sohn, Detlef, seit seinem fünften Lebensjahr Klavierunterricht – zunächst von seinem Onkel, Werner Neumann, der in Cottbus Musiklehrer war. Ab der sechsten Klasse nahm er kontinuierlich Unterricht an der Volksmusikschule Cottbus (heute Konservatorium Cottbus) in den Fächern Klavier, Violine, Musiktheorie und Musikgeschichte. Seit seinem zehnten Lebensjahr half Kobjela ebenfalls seinem Vater in der Bäckerei und im Kolonialwarenladen, bevor er mit 14 Jahren auf die damalige Sorbische Oberschule (heute Niedersorbisches Gymnasium) in Cottbus wechselte. Aus unklaren Gründen unterbrach Kobjela ab der zehnten Klasse den Unterricht an der Musikschule. Jedoch blieb sein musikalisches Interesse ungetrübt. Der junge Kobjela, welcher von seinen Klassenkameraden „Mozart“ genannt wurde, leitete seit dieser Zeit den Schulchor als Assistent des damaligen Musiklehrers, wie auch selbstständig bei Proben und Auftritten.

1962 absolvierte Kobjela sein Abitur an der Sorbischen Oberschule und begann eine Buchhalterlehre in Cottbus, nachdem ihm die Aussicht auf ein Lehrerstudium für Mathematik und Physik vom Direktor der Sorbischen Oberschule versagt wurde. Jedoch unterbrach er diese Lehre nach einem Jahr aufgrund einer Annonce in der Zeitung, nach welcher an der Humboldt-Universität zu Berlin Studenten für die Pädagogikfächer Musik und Deutsch gesucht wurden. 1963 bewarb er sich und bestand die Aufnahmeprüfung.

Studium und Armeezeit 1963-1969

Kobjela hatte nie vor, nach dem Studium dauerhaft als Lehrer zu arbeiten. Sein Lehrplan erlaubte ihm zudem, mehr seinen Neigungen entsprechende Fächer zu belegen: Musikwissenschaft und Komposition, Partiturspiel, Instrumentalunterricht. Er wechselte des Weiteren vom Violine auf die Bratsche. 1967 schloss er sein Studium in den Fächern Musikpädagogik, Germanistik und Musikwissenschaft ab. Gegenstand seiner Diplomarbeit waren „Formale Spezifika des sorbischen Volksliedes“. Bereits in seinem letzten Studienjahr wurde ihm eine Stelle als Musikdramaturg im Sorbischen Nationalensemble (SNE) in Bautzen angeboten. Er nahm das Angebot an, hatte jedoch sich dazu verpflichtet, zunächst hauptberuflich als Lehrer für Deutsch und Musik an der damals zur „Sorbischen Erweiterten Oberschule“ umbenannten Schulstätte seiner Jugend zu unterrichten. Doch bereits nach einem Jahr erhielt Detlef Kobjela seinen Einberufungsbefehl zum Wehrdienst in der NVA, welchen er in den Jahren 1968/69 bei der Bereitschaftspolizei in Cottbus leistete. In dieser Zeit wurden ihm als einfachen Gefreiten unvorhergesehen die Aufgaben des aus dem Dienst geschiedenen Kulturoffiziers übertragen. Diese Aufgaben bestanden zum Großteil in der Leitung mehrerer Soldaten – Gesangsvereine.

Musiklehrer, Dramaturg, Kritiker in Cottbus/Bautzen 1969–1980

1967 bis 1980 lebte Detlef Kobjela in Cottbus. Nach seinem Wehrdienst pendelte er wöchentlich nach Bautzen für seine Arbeit als Musikdramaturg im Sorbischen Nationalensemble. Des Weiteren wirkte er bis 1981 als Musiklehrer an der Sorbischen Erweiterten Oberschule in Cottbus, sowie von 1970 bis zur Wende 1990 als Wissenschaftlicher Sekretär des „Arbeiterkreises Sorbischer Musikschaffender im Verbande der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR“. Neben dieser Position, in der er maßgeblich an der Organisation und Beförderung sorbischer Musik beteiligt war, wurde er in Cottbus auch als Kritiker sehr geachtet. Er schrieb zahlreiche Rezensionen u.a. über Konzerte des Cottbuser Theaters. 1977 musste der Komponist sich einer 12-Fingerdarm-Operation unterziehen. Als Konsequenz dieses Eingriffes fror Kobjela bis 1980 die meisten seiner Projekte ein, um mehr Ruhe zu erlangen und arbeitete überwiegend nur noch freiberuflich.

Bautzen 1980 bis heute

1980 übernahm Detlef Kobjela den Posten des Chefmusikdramaturgen am Sorbischen Nationalensemble und zog nach Bautzen. Von 1990 bis 1995 war er schließlich Intendant des Ensembles. Seit seinem Ausscheiden lebt er als freiberuflicher Komponist in Bautzen. Im Dezember 2001 musste an Kobjela ein operativer Eingriff vollzogen werden. Durch Komplikationen fiel er in ein mehrwöchiges Koma aufgrund eines multiresistenten Virus, der ihn während der Operation befallen hatte. Die medizinische Behandlung war jedoch erfolgreich. Als Folge dieser „Leidensgeschichte“, wie Kobjela es nennt, lebt er seitdem mit einem Nierenschaden und muss wöchentlich zur Dialyse. Jedoch hält ihn dies auch noch heute nicht davon ab, weiter als Komponist und Musikwissenschaftler für die sorbische Kultur zu wirken.

Werk

Seit 1968 tritt Kobjela als Komponist hervor. Sein Schaffen umfasst nahezu alle musikalischen Gattungen, darunter auch Filmmusik sowie zahlreiche Lieder und Chormusik.

Kobjela verknüpft Strukturen zeitgenössischer Musik mit den Musiktraditionen seiner sorbischen Heimat. In dem der Trauer gewidmeten Werk „Nänia (Nenia)“ erzeugen Zitate aus Mozarts Requiem und dem altslawischen Choral „Ow stracha dźeń“ (O Tag der Angst) ein überaus reizvolles Spannungsverhältnis. In jüngster Zeit erschloss Kobjela sich mit Gitarre, Akkordeon und Orgel neue Klangwelten. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildet nach wie vor sein Liedschaffen.

Die Werke von Detlef Kobjela werden vor allem in seiner sorbischen Heimat (Ober- und Niederlausitz, Cottbus, Bautzen) aufgeführt, u. a. in dem Dorf Horno in der Zeit vor seiner Abbaggerung, jedoch finden sie zunehmend vor allem im Ausland Interesse (Italien, Finnland, Schweiz).

I. Sinfonik

  • Adagietto - f. Bläser (UA 1974)
  • Episoden - f. Orchester (UA 1976)
  • Concertino - f. Oboe und Streichorchester (UA 1979)
  • Krabat (Ein musikalisches Märchen) - sinfonische Suite in 5. Sätzen f. großes Orchester (UA 1980)
  • Kantilene - f. Klarinette u. Orchester (UA 1982)
  • Ballade - f. Oboe, Violoncello u. Orchester (UA 1985)
  • Reflexionen - f. Viola, Violoncello u. Orchester (UA 1986)
  • Tranquillo („Śišyna – Die Stille“) - f. Streichquartett u. Orchester (UA 1989)
  • Koło Sostenuto - f. Streichorchester (UA 1990)
  • Nenia - f. Viola u. Streichorchester (UA 1991)
  • Heiligabendnah (Festliche Weihnachtsmusik) - f. Streich-Orchester u. Chembalo (UA 1993)
  • Thronberg – Suite aus „Das Jahr der Könige“ - f. Orchester (UA 2001)
  • Reminiszenzen - f. Streicher (UA 2005)
  • Fastoso - f. Blechbläser (UA 2005)

II. Musiktheater

  • „Fantasia Na Lubinje“ („Das Jahr Der Könige“) - Balletoper f. Ballett, Alt-Solo, Chorsoli(4), Chöre, Orchester (UA 1998)
  • „Lessing Goes Opera oder Die Liebenden Von Ephesos“ - Musikalische Komödie im alten Styl f. 6 Solisten, 6 Chorsolisten, Chöre, Orchester (UA 2000)
  • „Spreewaldoperette - Wandas Strümpfe“ - Operette f. Soli, Chöre Orchester (UA 2005)

III. Kammermusik

  • Duo - f. Violine u. Viola (1971)
  • Sätze(3) - f. Streichquartett (1972)
  • Sonatine - f. Violoncello u. Klavier (1973)
  • Illustrationen - f. Violoncello – Solo (1982)
  • Intermezzo - f. Streichquartett (1984)
  • Cowanje (Träumerei) - nach einer Balletszene bearbeitet von Liana Bertok f. Klavier (1987)
  • Legende (Erinnerung an einen Freund) - f. Streichquartett (1988)
  • Tranquillo - bearb. Von Liana Bertok nach dem gleichnamigen sinfonischen Stück f. Klavierquintett (1991)
  • Sacro - f. Streichquartett (1991)
  • Initialen (12) - f. Violoncello – Solo (1994)
  • Divertimento - f. Violine, Gitarre und Akkordeon (1996)
  • Barkarole - f. Flöte u. Gitarre (1996)
  • Intrada Rusticale - f. Klarinette u. Horn (1996)
  • Präludien (3) -f. Klarinettenquartett (1997)
  • Zastaničko (Ständchen) - f. 3 kl. Sorb. Fiedeln, 2 gr. Sorb. Fiedeln, Dudelsack u. Tarakawa (1997)
  • Gronka (Sprüche) - f. gr. Sorb. Fiedel (1997)
  • Klavierstücke (3) (1997)
  • Aria - f. Klarinette u. Orgel (2002) Fassung f. Violine u. Orgel (2006)
  • Poem - f. Violine, Klarinette u. Klavier (2003)
  • Inquieto - f. Flöte, Violine u. Klavier (2004)
  • Elegie - f. Orgel (2005)
  • Dialog - f. Marimbaphon (2006)
  • Kwasne Hrončka (Hochzeitsständchen) - f. sorbische Volksmusikanten (2007)

IV. Kunstlieder

23 Kunstlieder, darunter die vier Zyklen:

  • Dein Lieben kam zu mir - f. Bariton und Klavier (1976)
  • Drei Lieder auf Texte von Mina Witkojc - f. Sopran, Bariton u. Streichsextett. Klavierfassung von Liana Bertok (1976)
  • Gesänge (Spiwanja) - f. Bariton, Violoncello u. Klavier (1978)
  • Śichej Spiwani (Stille Gesänge) auf Texte von Irmgard Kuhlee - f. Bariton u. Klavier (1997)

V. Konzertante Orchestermusik

12 Balletszenen, Tänze u.ä. mit Klavierauszügen für Tanzensemble und Orchester, darunter:

  • Spremberger Suite (Grodkojska swita) (1976)
  • Zalubowany Wowčer (Der verliebte Schäfer) (1980)
  • Rybarske Cowanje (Fischertraum) (1985)
  • Chodojty (Hexen) (1991)

VI. Bühnenmusik

10 Gesangs- und Tanzszenen mit Klavierauszügen für Tanzensemble u.a., darunter:

  • Swjedźeński Nastup (Festpolonaise) - f. Chor, Sprecher(in) u. Orchester (1976)
  • Zastupowe Wuzněśe (Fastnachtsausklang) - f. Frauenchor u. Orchester (1983)
  • Zwony (Glocken) - f. Sprecher(in), Chöre, Trumscheit u. Orchester (1989)
  • Dolnoserbska Swajźba (Wendische Hochzeit) - f. Soli, Chöre u. Orchester (1997)
  • Nalětniny (Frühlingsfest) - f. Soli, Chöre u. Orchester (2002)

VII. Vokalzyklen (Chorsuiten)

9 Zyklen, darunter:

  • Doma Rědnje Jo (Zuhause ist es schön) - f. Chöre und Klavier (2000)

VIII. Chöre

15 Chorlieder, darunter:

  • Ich träumte die Glocken Schlagen - f. Sprecher, Chorvokalise u. Klavier oder Orchester (1989)
  • Bohu budź chwała (Ehre sei Gott) - Choral f. 4-st. gem. Chor mit Orgel- oder Streicherbegleitung (2005)

IX. Lieder

25 ein- bis dreistimmige Lieder für Singstimme(n) oder Chor mit Klavier-, Gitarren-, Akkordeon- oder Flötenbegleitung, darunter:

  • Pojźćo młode (1970)
  • Při dźiwej Jabłučinje (1972)
  • Jahodkarka (1973)
  • Rědnosć Domownje (1974)
  • Der Seemann liebt sein Hamburg (1999)
  • Domowina (Heimat) (2001)

X. Sonstiges

33 Tanzbilder, Volksliedbearbeitungen, Lieder, Instrumentalstücke oder Filmmusiken, darunter:

  • La valse mediterrane - f. Klavier (1966)
  • Perečko, Belave (Die weiße Feder) - slowak. Tanzbild f. Volksmusikantengruppe (1981)
  • Musik zum Dokumentarfilm „Domowina“ (1982)
  • Musik zum Animationsfilm „Der Wassermann als Braschka“ (1988)
  • Maientanzszene - f. Klarinette, Trompete, Akkordeon, Perkussion u. Kontrabass (1991)
  • Wjacorne zacuśe (Abendempfindung) - Volksliedbearb. f. 3-st. gemischten Chor a cappella (1996)
  • Són wo jědlence (Der Traum vom Tannenbaum)- Musik zum Märchenspiel von Wórša Wićazowa - „Jělenka“ (Lied vom Tannenbaum) f. Klavier u. Gesang (2002)

Literatur

Kobjela ist auch als Musikwissenschaftler hervorgetreten.

  • Detlef Kobjela, Werner Meschkank: Vom Regenzauberlied bis zur wendischen Pop-Ballade - Ein Beitrag zur Musikgeschichte der Lausitz unter besonderer Darstellung der niedersorbischen Musikgeschichte. Potsdam 2000.

Weblinks

Quelle

Persönliche Interviews mit dem Komponisten, geführt am 20. Dezember 2009, 9. Februar 2010, 23. Februar 2010, 8. Juni 2010, 17. Juni 2010, 13. Juli 2010, 25. Juli 2010.


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