- Gattung (Musik)
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Der Begriff Gattung bezeichnet in der Musiklehre:
- seit der Antike die Tongeschlechter Diatonik, Chromatik und Enharmonik.
- seit dem 18. Jahrhundert die „Kunstformen“ wie Motette, Madrigal, Streichquartett, Oper etc.
„Gattung“ und „Form“ sind zwei sich häufig überschneidende Begriffe, die im alltäglichen Sprachgebrauch auch unscharf-synonym gebraucht werden. Allgemeine Formen sind beispielsweise Liedform und Rondoform; die Disziplin der musikalischen Formenlehre versucht, diese zu klassifizieren.
Die Lehre von den musikalischen Gattungen betrachtet im Gegensatz dazu die Kriterien Besetzung, Text, Funktion, Aufführungsort und Satzstruktur.
Weitere Kriterien zur systematischen Klassifikation von Musik sind:
- Epochen wie z. B. Renaissance, Barock, Wiener Klassik usw.
- Stil bzw. Genre
Gattung und Funktion der Musik
Oft überschneiden sich Bezeichnungen für Aufführungsrahmen mit den Bezeichnungen für das dort Aufgeführte: Kammermusik war einst Musik in der aristokratischen „Kammer“, scheint sich seit dem späten 18. Jahrhundert aber eher durch Besetzung, Stil etc. zu definieren. Der Begriff Opéra comique bezeichnet ein Pariser Theaterinstitut des 19. Jahrhunderts und zugleich eine Operngattung, die dort aufgeführt wurde. Das Menuett ist ein Gesellschaftstanz und zugleich ein Satz in der klassischen Sinfonie.
Gattung und Aufführungsrahmen entsprechen sich so und sind dann nur bedingt trennbar: Gattungen sind oft eng an funktionale Zusammenhänge gebunden, Musik ist dann Gebrauchsmusik. Die Bindung an bestimmte Gattungstypen brachte für den Komponisten stets Beschränkungen seiner kompositorischen Möglichkeiten mit sich, z. B. bei Kirchensonaten oder zunächst bei der Gestaltung der geistlichen Oratorien, die nicht allzu opernhaft sein durften. Seit dem späten 18. Jahrhundert wurde Kammermusik jedoch - quasi gattungsübergreifend - auch im bürgerlichen Konzertsaal spielbar, und die Opéra comique konnte auch in deutschen (Provinz-)Theatern reproduziert werden. Dieser räumlichen Emanzipation entspricht oft die Emanzipation von ihrer Funktion, wie etwa bei Tanzmusik, die zum Sinfoniesatz wird.
Eine solche Emanzipation von der Funktionsmusik macht die Gattung rein bzw. „absolut“ (vgl. Absolute Musik). Sie bewahrt etwas (wie die aristokratische Kammer als Aura) und löst es zugleich aus seinem ursprünglichen Zusammenhang. Absolutheit zielt dem ästhetischen Anspruch nach auf Kunst als von der Wirklichkeit losgelöster „Gegenwelt“. Sie kann eine ungeschönte Betrachtung der historischen Fakten im 20. Jahrhundert behindern und steht seit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts unter Ideologieverdacht.
Komponisten des 20. Jahrhunderts haben sich von allzu engen Gattungsbegriffen gelöst und haben hybride Mischformen im Rahmen klassischer Gattungen (wie z. B. die Kammersinfonie) oder im Rahmen der Künste (z. B. Performance als Mischform von Tanz/Theater und Musik) gefunden. In radikalen Experimenten negierte John Cage den Gattungs- und Werkbegriff vollständig.
Siehe auch
Kategorien:- Musikalische Gattung
- Klassische Musik
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