Deutscher Bund für Mutterschutz und Sexualreform

Deutscher Bund für Mutterschutz und Sexualreform

Der Bund für Mutterschutz und Sexualreform (Mutterschutzbund) war ein 1904/05 gegründeter deutscher Verein mit dem Ziel, die Stellung der Frau als Mutter in rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zu verbessern.

Inhaltsverzeichnis

Zweck und Ziel

Im § 1 der Satzung des Bundes für Mutterschutz und Sexualreform (Mutterschutzbund) heißt es:

„Zweck des Bundes ist es, die Stellung der Frau als Mutter in rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zu verbessern, insbesondere unverheiratete Mütter und deren Kinder vor wirtschaftlicher und sittlicher Gefährdung zu bewahren und herrschende Vorurteile gegen sie zu beseitigen…“[1]

Der Bund setzte sich insbesondere für unverheiratete Frauen und deren Kinder ein und vertrat eine Sexualreform, die gegen die herrschende „Lüge und Heuchelei“ in Fragen des sexuellen Lebens gerichtet war. Die sowohl praktisch-caritative wie sozial-ethische Arbeit hatte das Ziel, die Stellung der Frau zu verbessern und eine „Gesundung“ der sexuellen Beziehungen herbeizuführen. Im Jahr 1912 unterhielt der Verein insgesamt 36 Heime für ledige Mütter.

Gründung

Am 12. November 1904 wurde in Leipzig ein Bund für Mutterschutz gegründet. Deren Erstunterzeichner waren die Dichterin Ruth Bré (Elisabeth Bouness), die bald nach der Gründung wieder ausschied, der Arzt und Lebensreformer Friedrich Landmann aus Eisenach und der Münchener Gutsbesitzer Heinrich Meyer. Zu den Initiatorinnen gehörte auch die Feministin und Pazifistin Helene Stöcker, die den Bund in besonderer Weise prägte.

Wenig später wurde beschlossen, den Bund erneut in Berlin mit Unterstützung bekannter Persönlichkeiten zu gründen. Der Bund erhielt wieder den Namen Bund für Mutterschutz. Den Gründungsaufruf unterzeichneten zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie der Nationalökonom und Bodenreformer Adolf Damaschke, der Philosoph Christian von Ehrenfels, der Gynäkologe Alfred Hegar, der freisinnige Politiker Friedrich Naumann, der Nationalökonom und Soziologe Werner Sombart, der Nationalökonom und Soziologe Max Weber und der Arzt, Philosoph und Eugeniker Ludwig Woltmann.[2] Die 73-jährige Frauenrechtlerin Hedwig Dohm wurde Mitglied der Gründungsversammlung. Am 26. Februar 1905 kam es dann in Berlin zur beschlossenen Neugründung. In den Bundesvorstand wurden folgende Mitglieder gewählt:

Am 26. Mai 1905 gründete sich die Berliner Ortsgruppe. Die in Berlin ansässigen Mitglieder des Bundesvorstandes waren zugleich Mitglieder des Vorstandes der Berliner Ortsgruppe.

Seit 1908 nannte sich der Bund Deutscher Bund für Mutterschutz und Sexualreform. Entgegen der vorherrschenden Meinung in der Sekundärliteratur schreibt hierzu Gudrun Hamelmann, dass sich der Mutterschutzbund erst seit der Generalversammlung den Namen Bund für Mutterschutz und Sexualreform gegeben hatte, um mit dem Namenszusatz Sexualreform die schon bisher praktizierte Sexualreform zu unterstreichen.[3].

Mitgliedschaft

Der Bund verkörperte den radikalen Teil der bürgerlichen Frauenbewegung. Es engagierte sich aber beispielsweise auch Henriette Fürth als eine Vertreterin der proletarischen, an der SPD orientierten Frauenbewegung. Im Unterschied zu allen damaligen Frauenorganisationen hatte der Mutterschutzbund zahlreiche männliche Mitglieder (etwa ein Drittel der Mitglieder).

Zu den Mitgliedern zählten zahlreiche bekannte Frauenärzte und Sozialwissenschaftler sowie viele Hebammen. Auch viele Pfarrer, insbesondere der freireligiösen Bewegung, aber auch christlicher Orientierung, wirkten neben den vor allem freidenkerisch geprägten Mitgliederm.

Dem Bund für Mutterschutz gehörten unter anderem folgende Mitglieder an, die teilweise auch Vorstandsfunktionen ausübten:

Zu den Mitgliedern gehörte auch der SPD-Vorsitzende August Bebel, der 1906 dem Bund beitrat. Und die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Grete Meisel-Heß (1879-1922), welche 1908 beitrat und auch in der „neuen Generation“ veröffentlichte.

Mutterschutzbund im Weimarer Kartell

Der Mutterschutzbund beteiligte sich am Weimarer Kartell, zu dem mehrere freidenkerische und freigeistige Organisationen zusammenfanden. Helene Stöcker, die ebenfalls beim Monistenkongress teilnahm, enge Kontakt zum Deutschen Monistenbund hielt und regelmäßig in monistischen Zeitschriften schrieb, begründete die Teilnahme am Weimarer Kartell 1912 im Vereinsorgan des Mutterschutzbundes: „Wenn wir Sexualreformer wirklich Erfolge erzielen wollen, so bedarf es, wie eines politischen Großblocks der Linken, so auch eines Kulturblocks der freiheitlichen Kulturbestrebungen“.[5]

Zeitschriften des Mutterschutzbundes

  • Mutterschutz (1905-1907)
  • Die neue Generation (1908-1932)

Literatur

  • Horst Groschopp: Dissidenten. Freidenkerei und Kultur in Deutschland, Dietz Verlag, Berlin 1997 ISBN 3-320-01936-8
  • Gudrun Hamelmann: Helene Stöcker, der „Bund für Mutterschutz“ und „Die Neue Generation“, Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1992. ISBN 3-89228-945-X
  • Frank Simon-Ritz: Die Organisation einer Weltanschauung. Die freigeistige Bewegung im Wilhelminischen Deutschland, Gütersloh 1997 ISBN 3-579-02604-6 (Religiöse Kulturen der Moderne; Bd. 5; Diss. Univ. Bielefeld 1994/1995, Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie)
  • Nowacki B., Der Bund für Mutterschutz (1905-1933), Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaft, Heft 48, Husum Matthiesen

Einzelnachweise

  1. Deutschlandradio Berlin: 100 Jahre Mutterschutzbund.
  2. Rolf Groschopp, Dissidenten, 1997, S. 231
  3. Gudrun Hamelmann: Helene Stöcker. 1992, S. 49.
  4. Michael Schwartz, Sozialistische Eugenik, 1995, S. 66 ff.
  5. Frank Simon-Ritz, Die Organisation einer Weltanschauung, 1997, S. 162

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