Die Stimmen von Marrakesch

Die Stimmen von Marrakesch

Die Stimmen von Marrakesch sind Aufzeichnungen nach einer Reise von Elias Canetti aus dem Jahr 1968.

Canetti führt den Leser als Ich-Erzähler in die marokkanische Großstadt Marrakesch, die er in den 1950er Jahren in Begleitung eines Filmteams bereist hat, wobei er (der in London lebte), vor den Einheimischen als Engländer auftritt, sich gegenüber den Einwohnern der Mellah, des jüdischen Viertels, aber auch als Jude zu erkennen gibt.

Canettis Buch ist kein Reisebericht im üblichen Sinne, sondern (wie der Untertitel bereits andeutet) eine Sammlung von Erinnerungsstücken, die zu Skizzen geronnen sind, Momentaufnahmen, mit denen er den Charme der Stadt einzufangen, zumindest blitzlichtartig zu beleuchten versucht.

Die einzelnen Abschnitte sind grundsätzlich unabhängig voneinander, auch wenn gelegentlich Verweise oder Übergänge eingebaut werden, die das Buch im Inneren zusammenhalten sollen.

Inhalt

  • Begegnungen mit Kamelen

Canetti besucht mit seinem Freund einen Kamelmarkt und entdeckt in den Kamelen viel Menschliches. Erschüttert wird er über die Tatsache, dass diese Kamele zur Schlachtung geführt werden.


Auf dem Markt erzählt Canetti die Eindrücke von den Waren, ihrer Düfte und Farben und beschreibt das Feilschen mit den Händlern.


  • Die Rufe der Blinden

In den immer wiederkehrenden fordernden Bittrufen der Blinden, in Verbindung mit dem versprochenen Segen Allahs, erkennt Canetti einen tieferen Sinn des Lebens.


  • Der Speichel des Marabu

Der Marabu ist ein heiliger Mann, der die ihm gespendeten Münzen in den Mund nimmt, sie kaut und mit viel Speichel wieder ausspuckt.


  • Stille im Haus und Leere der Dächer

Canetti beschreibt einen Platz, den man braucht, um sich zurückziehen zu können. Auf dem flachen Dach des Hauses seines Freundes blickt er zuerst in die Ferne, als er aber die Nachbarhäuser betrachten möchte, wird sein Freund unruhig. Denn es gilt als verpönt, in die Nachbarhäuser zu sehen.


  • Die Frau am Gitter

Auf einem Spaziergang trifft er auf eine unverschleierte Frau, die vom ersten Stock herunter, liebliche Koseworte an ihn richtet. Fasziniert bleibt er lange stehen, schaut zu ihr hinauf, bis er schließlich einen Jungen auf Französisch fragt, ob sie verrückt sei, was der Junge auch bestätigt.


  • Besuch in der Mellah

In diesem längeren Abschnitt besucht Canetti die Mellah, das jüdische Viertel. Zuerst trifft er auf kleine Läden mit feinen Stoffen, aber je weiter er geht, desto ärmer wird sein Umfeld. Schließlich gelangt er auf einen kleinen Platz, den er als Mittelpunkt der Mellah bezeichnet und mit dem er sich stark identifiziert. Nachdem er eine Schule besucht hat, in der der Lehrer das Können seiner Schüler demonstriert hatte, wird er von einem seltsamen Führer durch den Friedhof der Juden geführt und dabei von vielen Bettlern bedrängt.


  • Die Familie Dahan


  • Erzähler und Schreiber

In diesem kurzen Kapitel beschreibt Canetti Erzähler, die auf der Straße Menschen um sich herum versammeln und mit ihren mächtigen Worten sehr gekonnt unterhalten. Canetti bewundert sie sehr und sieht zu ihnen auf. Etwas weiter abseits befinden sich die Schreiber, welche mit ihrem vor sich liegenden Schreibzeug auf Kundschaft warten. Bei einem der Schreiber sitzt eine ganze Familie.


  • Die Brotwahl
  • Die Verleumdung
  • Die Lust des Esels
  • "Scheherezade"
  • Der Unsichtbare

Zeugnisse

"Die Stimmen von Marrakesch" ist jenes Buch, durch das Canetti dem Leser so etwas wie ein vertrauter Freund wird und in dem aus allen Schilderungen von orientalischer Großstadtmisere am Rande menschlichen Daseins eine Art Freude an allem Menschlichen (...) erstrahlt. François Bondy

"Klassisch möchte man den Weltbezug dieser Prosa nennen, weil ihr Autor mit so unbeirrbarer Kraft auf die Menschen, Tiere und Gegenstände von Marrakesch blickt, ohne dass die Subjektivität des Schauenden sich je in den Vordergrund drängte." Rudolf Hartung

"So behutsam und scheu Canetti vorangeht, der Leser wird Zeuge eines Erkenntnisprozesses. Ein Vorgang ohne jede intellektuelle Strapazierung ... Es bleibt, was immer Canetti in Marrakesch erlebt und beobachtet, reine erzählerische Vergegenwärtigung, sinnlich nah und greifbar." Eberhard Horst


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