Differenzgeschäft

Differenzgeschäft

Differenzgeschäfte haben zwar die Lieferung von Finanzinstrumenten wie Devisen, Wertpapieren oder auch Waren zum Gegenstand, doch sind sich beide Vertragsparteien bei Vertragsabschluss einig, dass am Erfüllungstag lediglich die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem am Erfüllungstag aktuellen Preis an den gewinnenden Teil gezahlt werden soll.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Gesetzgeber und Rechtsprechung haben die rein spekulative Wirkung von Differenzgeschäften früh erkannt. Bereits das Reichsoberhandelsgericht war 1872 der Auffassung, dass „reine“ Differenzgeschäfte, bei denen die Parteien schon bei Vertragsabschluss die Effektiverfüllung ausschließen, als Glücksspiel zu qualifizieren seien und Klagen auf Erfüllung abzuweisen wären[1]. Für Spiele und Wetten galt seit langem, dass aus ihnen keine einklagbare Verbindlichkeit resultiere (Naturalobligation). Das seit 1861 geltende Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch enthielt keine ausdrücklichen Regelungen über die Wirksamkeit von Termingeschäften. Ab 1. Juli 1896 klassifizierte § 764 BGB die „reinen“ Differenzgeschäfte als Spiel und entzog ihnen damit über den Spieleinwand die rechtliche Verbindlichkeit; „Spielschulden sind Ehrenschulden“. Dabei wurden jedoch die Bestimmungen des Börsengesetzes ignoriert, die die Gültigkeit von Börsentermingeschäften bestätigten. Sinn und Zweck des § 764 BGB war die Verhinderung volkswirtschaftlich sinnloser Differenzspekulation, die ohne Beziehung zum tatsächlichen Güterumsatz des Wirtschaftlslebens nur aus den Marktschwankungen Gewinn erzielen will[2]. Die Bestimmung des § 764 BGB wurde im Juni 2002 aufgehoben, sodass es lediglich noch bei § 762 BGB verbleibt. Diese Bestimmung stellt klar, dass bei Spiel- oder Wettschulden keine einklagbare Verbindlichkeit entsteht.

Arten von Differenzgeschäften

Im Hinblick auf die Erkennbarkeit der Transaktion wird zwischen offenen und verdeckten Differenzgeschäften unterschieden. Das offene oder „reine“ Differenzgeschäft liegt vor, wenn die effektive Lieferung vertraglich ausgeschlossen ist[3]. Nur dieses wird von der Regelung des § 764 Satz 1, § 762 BGB erfasst[4], weil es einen bewussten, objektiven und für jedermann erkennbaren Verzicht auf den gegenseitigen effektiven Leistungsaustausch enthält.

Bei verdeckten Differenzgeschäften ist es indes nicht üblich, die wirkliche Absicht der Vertragspartner vertraglich zum Ausdruck zu bringen. Es liegt nach Auffassung des BGH[5] insbesondere dann vor, wenn die Parteien zunächst nur ein die Spekulation eröffnendes Geschäft schließen, die tatsächliche Erfüllung dieses Geschäfts durch die Parteien aber nicht erfolgen soll, sondern sofort oder in einem günstiger erscheinenden späteren Zeitpunkt ein Gegengeschäft auf denselben Termin abgeschlossen und im Ergebnis nur die Differenz der Preise aus beiden Geschäften ausgeglichen werden soll. Die Voraussetzungen hierfür sind erfüllt, wenn der Käufer - im Einvernehmen mit seinem Vertragspartner - keine unbeschränkte Verfügungsbefugnis über die Waren oder Wertpapiere anstrebt und zu ihrer Bezahlung weder eigenes Kapital noch vor Abschluss des Geschäfts vertraglich fest vereinbarte Kreditmittel, sondern den Erlös aus einem von vornherein beabsichtigten Gegengeschäft einsetzen will. Voraussetzung eines verdeckten Differenzgeschäfts sei dem BGH zufolge ferner, dass das Gegengeschäft mit dem Vertragspartner des Erstgeschäfts geschlossen wird und mit dem Erstgeschäft im Wesentlichen übereinstimmt. Bei Devisen reicht ein Gegengeschäft in anderer Währung mit annähernd demselben Volumen aus. Indizien für ein verdecktes Differenzgeschäft können sein:

  • ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Vermögen des Bankkunden und dem Umfang des geschlossenen Geschäfts;
  • die Überlassung eines (Sicherheits-)Betrages, der nicht den Wert des Erstgeschäfts, sondern allenfalls einen Verlust in Höhe der Differenz zwischen Erst- und Gegengeschäft abdeckt;
  • das Fehlen einer Beziehung der erworbenen Waren oder Wertpapiere zum Geschäfts- oder Berufskreis des Käufers;
  • der Charakter der Waren, Wertpapiere oder Devisen als typische Spekulationsobjekte;
  • der häufige An- und Verkauf derselben Waren, Wertpapiere oder Devisen bei fortgesetzter Unterlassung effektiver Erfüllung.

Es liegt also an den Begleitumständen und Beweisanzeichen, ob eine Transaktion als verdecktes Differenzgeschäft eingeordnet wird. Verdeckte Differenzgeschäfte fallen erst durch extensive Auslegung unter die Regelungsnorm das § 762 BGB.

Die bankaufsichtsrechtliche Perspektive übernimmt die zivilrechtliche Sichtweise. Ein erkennbares Abzielen auf nicht physische Erfüllung bei einem Differenzgeschäft ist danach gegeben, wenn die vertragliche Vereinbarung die Zahlung eines Differenzausgleichs statt einer physischen Erfüllung vorsieht (offenes Differenzgeschäft). Ein Abzielen auf nicht physische Erfüllung kann sich in Einzelfällen aber auch aus den Umständen der Vertragsschließung ergeben (verdecktes Differenzgeschäft)[6].

Rechtsfolgen

Wenn Differenzgeschäfte in den Schutzbereich des WpHG fallen, ist ein Spiel- und Differenzeinwand nicht möglich. § 37e WpHG sieht nämlich vor, dass der der Spiel- und Differenzeinwand bei verbindlichen Derivaten im Sinne des § 2 Abs. 2 WpHG und Optionsgeschäften ausgeschlossen ist. Da finanzielle Differenzgeschäfte in § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG ausdrücklich erwähnt sind, werden auch sie vom Ausschluss des Spiel- und Differenzeinwands erfasst. Nach 37e Satz 2 WpHG kann der Spiel- oder Wetteinwand nach § 762 BGB nicht geltend gemacht werden, wenn bei Finanztermingeschäften mindestens ein Vertragspartner ein Unternehmen ist, das Finanztermingeschäfte mit Erlaubnis betreibt. Aus dieser Vorschrift folgt, dass diese Transaktionen durchaus bloße Spiel- oder Differenzgeschäfte sein können; andernfalls hätte es des § 37e WpHG nicht bedurft. Die Begriffe Spiel oder Wette und Differenzgeschäft sind deshalb nach der Konzeption des Gesetzes keine Gegensätze, sondern miteinander vereinbar.

Der Spiel- und Differenzeinwand des § 762 BGB ist nur noch bei jenen Geschäften möglich, bei denen weder die Vertragspartner noch der Basiswert in den Schutzbereich des WpHG fallen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Max Weber/Horst Baier, Wissenschaft als Beruf, 1917/1992, S. 30
  2. BGHZ 58, 1, 2
  3. so bereits das Reichsgericht im Jahre 1896: RGZ 34, 83, 264
  4. Martin Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 543
  5. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2001, Az: XI ZR 363/00
  6. BAFin, Merkblatt: Hinweise zur Erlaubnispflicht von Geschäften im Zusammenhang mit Stromhandelsaktivitäten vom 13. Februar 2009

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