Doomsday-Argument

Doomsday-Argument

Das Doomsday-Argument, deutsch Weltuntergangsargument, ist eine mathematische Überlegung, welche beansprucht, eine Wahrscheinlichkeitsaussage über den Zeitpunkt des Endes der Menschheit anhand von lediglich einer Schätzung der Anzahl aller bisher geborenen Menschen treffen zu können.

Es wurde zuerst von dem Astrophysiker Brandon Carter in den 1980er Jahren vorgeschlagen und anschließend vom Philosophen John Leslie vertreten. Es wurde unabhängig davon von Richard Gott III und H.B. Nielsen vorgebracht. Ähnliche Theorien, die ein Ende der Welt von Populationsstatistiken ableiten, wurden früher schon von Heinz von Foerster und anderen vorgeschlagen.

Formulierung des Arguments nach Richard Gott

Nehmen wir unsere Position f = n/N auf der chronologischen Liste aller Menschen, die jemals geboren werden, mit n als der absoluten Position vom Beginn der Liste und N als der Gesamtzahl aller Menschen an.

Angenommen, dass wir uns mit gleicher Wahrscheinlichkeit (mit den anderen N Menschen) an jeder beliebigen Position n finden, können wir folgern, dass unsere Position f einer diskreten Gleichverteilung auf dem Intervall (0; 1] folgt, bevor wir unsere absolute Position erfahren.

Nehmen wir darüber hinaus an, dass unsere Position f auf (0; 1] gleichverteilt ist, auch wenn wir unsere absolute Position n erfahren.

Wir können nun mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% sagen, dass f = n/N sich in dem Intervall (0,05; 1] befindet. Mit anderen Worten: Wir sind zu 95% sicher, dass wir in den letzten 95 % aller Menschen liegen, die jemals geboren werden.

Gegeben unsere absolute Position n, impliziert das eine obere Grenze für N, durch Umordnen von

n / N > 0,05

zu

N < 20n.

Wenn wir annehmen, dass bis jetzt 60 Milliarden Menschen geboren wurden (Leslies Annahme), dann können wir mit 95% Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Gesamtzahl N aller Menschen, die jemals geboren werden, unterhalb von 20·60 = 1200 (Milliarden) liegt.

Aus den Annahmen, dass die Weltbevölkerung sich bei 10 Milliarden gleichzeitig lebenden Menschen stabilisiert und eine Lebenserwartung von 80 Jahren erreicht wird, kann man dann errechnen, wie lange es dauern wird, bis die verbleibenden 1140 Milliarden Menschen geboren worden sind: Mit 95% Wahrscheinlichkeit überdauert die Menschheit nicht mehr als weitere 9120 Jahre. Abhängig von der angenommenen zukünftigen Bevölkerungsentwicklung variiert das Ergebnis.

Bemerkungen

Die Gültigkeit des Doomsday-Arguments ist heftig umstritten. Vordergründig scheint es sich beim Doomsday-Argument um ein einfaches Rechenbeispiel zu handeln, eine mathematische Kalkulation. Dabei wird aber übersehen, dass der Rechnung eine philosophische Annahme, die sogenannte "self-sampling assumption" (deutsch etwa "Selbst-Stichproben-Annahme"), zugrunde liegt, die äußerst umstritten ist. Da es sich um eine philosophische Annahme handelt, wird sie, wie auch das gesamte Doomsday-Argument, nicht etwa unter Mathematikern, sondern unter Philosophen kontrovers diskutiert.

Die self-sampling assumption kann folgendermaßen formuliert werden:

"Observers should reason as if they were a random sample from the set of all observers in their reference class."[1]
Deutsche Übersetzung in etwa: "Beobachter sollen so schlussfolgern, als wären sie eine zufällige Stichprobe aus ihrer Referenzklasse."

Auch wenn man diese Annahme als gültig voraussetzt, bleibt immer noch die Frage nach der Referenzklasse offen: Nimmt man die Klasse aller Menschen, die je gelebt haben (wie im Rechenbeispiel oben im Artikel) oder doch die Klasse aller Lebewesen, aller Wissenschaftler, aller Menschen die im Jahr 2000 oder später geboren sind, etc. Je nach dem, welche Klasse man zugrunde legt, ändern sich die berechneten Wahrscheinlichkeiten erheblich. Die Aussage der self-sampling assumption kann ihrer Natur nach weder "bewiesen" noch "widerlegt" werden. Von kritischen Forschern wurden aber zahlreiche Gedankenexperimente konstruiert, in welchen die Anwendung der self-sampling assumption zu intuitiv unglaubwürdigen Ergebnissen führt.

Weitere Bemerkungen:

  • Eine präzise Formulierung des Arguments bedarf einer Bayesschen Interpretation der Wahrscheinlichkeit, die etwa von Vertretern eines objektiven Wahrscheinlichkeitsbegriffes abgelehnt wird.
  • Das Argument nimmt kein vorheriges Wissen über die Distribution von N an. Dies ist eine vernünftige Annahme für eine prinzipielle Argumentation.
  • Das Argument macht eine implizite Annahme, dass N begrenzt ist. Lässt man physikalische Argumente wie z.B. den Wärmetod des Universums beiseite, könnte es im Prinzip unendlich viele Menschen geben. Es ist nicht klar, wie das Argument in diesem Fall anzuwenden wäre.
  • Selbst die Korrektheit des Arguments würde nicht unbedingt bedeuten, dass die Menschheit ausstirbt, nachdem 1140 Milliarden Menschen gelebt haben. Es gibt andere Möglichkeiten der Interpretation, z.B. dass die Menschheit sich durch Evolution (oder gezielte Selbstentwicklung) in posthumane Wesen fortentwickelt[2].

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Nick Bostrom: "The Doomsday Argument, Adam & Eve, UN++, and Quantum Joe." Synthese 127:359-387, 2001
  2. N.Bostrom: "Anthropic Bias." Seite 108

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Doomsday argument — World population from 10,000 BC to AD 2000 The Doomsday argument (DA) is a probabilistic argument that claims to predict the number of future members of the human species given only an estimate of the total number of humans born so far. Simply… …   Wikipedia

  • Doomsday argument — …   Википедия

  • Self-referencing doomsday argument rebuttal — Self referencing doomsday argument rebuttals attempt to refute the Doomsday argument (that there is a credible link between the brevity of the human race s existence and its expected extinction) by applying the same reasoning to the life time of… …   Wikipedia

  • Self-Indication Assumption Doomsday argument rebuttal — The Self Indication Assumption Doomsday argument rebuttal is an objection to the Doomsday argument (that there is only a 5% chance of more than twenty times the historic number of humans ever being born) by arguing that the chance of being born… …   Wikipedia

  • Doomsday — may refer to: End times, a prophesied time of tribulation that would precede the Second Coming of the Messiah in Abrahamic religions Contents 1 Fiction 2 Film and television …   Wikipedia

  • Doomsday — (engl. für den Tag des Jüngsten Gerichtes) steht für: Doomsday (Comicfigur), den Mörder von Superman Doomsday steht im weiteren Sinn für: Domesday Book, Grundbuch aus der Zeit Wilhelms des Eroberers Doomsday Argument, Versuch, die Lebensdauer der …   Deutsch Wikipedia

  • Doomsday event — A doomsday event is a specific, plausibly verifiable or hypothetical occurrence which has an exceptionally destructive effect on the human race.[1] The final outcomes of doomsday events may range from a major disruption of human civilization, the …   Wikipedia

  • Argument de l'apocalypse — The Doomsday Argument, traduit par l’argument de l’Apocalypse[1], est une énigme mettant en jeu les probabilités conditionnelles. Elle est célèbre pour avoir résisté pendant de longues années à toutes les analyses et suscite encore aujourd hui de …   Wikipédia en Français

  • Doomsday device — This article is about the theoretical world ending destruction. For the professional wrestling maneuver, see Doomsday Device. Doomsday machine redirects here. For other uses, see Doomsday machine (disambiguation). Many hypothetical doomsday… …   Wikipedia

  • Doomsday Clock — Minutes to Midnight redirects here, along with other titles incorporating that term. For other uses, see Minutes to Midnight (disambiguation). For the Smashing Pumpkins song, see Doomsday Clock (song). In December 2010, the Doomsday Clock read 11 …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”