Dschāhiliyya

Dschāhiliyya

al-Dschāhiliyya (arabisch ‏الجاهلية‎, DMG al-ǧāhilīya) bezeichnet man im Islam die Zeit vor der Offenbarung Mohammeds. Im europäischen Sprachgebrauch spricht man von der „vorislamischen Zeit“. Gelegentlich wird der Begriff auch auf die Alte Welt vor dem Islam ausgedehnt. Das Wort ist ein aus dem Partizip Aktiv dschāhil / ‏جاهل‎ / ǧāhil abgeleitetes Abstraktum, das Ignaz Goldziher als „Barbar“, „Ungestüm“, und die „vorislamische Zeit“ als die „Zeit der Barbarei“ versteht.[1]

Der deutsche Orientalist Ludolf Krehl stellte in seinem Privatschreiben vom 5. März 1889 an Ignaz Goldziher diese Interpretation des Begriffes infrage:

„…Mit Ihrer Auffassung des Namens und Begriffes Ǧāhilīja bin ich allerdings nicht einverstanden. Den Gegensatz von ǧhl bildet meines Erachtens nicht ‏ حلم‎ (ḥilm d.i. Sanftmut; Einsicht; Vernunft) sondern ‏ علم‎ (ʿilm d.i. Wissen, Kenntnis), d.i. das Wissen von Gott, dem einen Gott. Der Name ‏ جاهلية ‎ ist doch erst muslimisch (was selbst Sujūtī in Muzhir zugiebt) und der Muslim stellt d. ʿilm über den ḥilm...“[2]

In einem Gedicht des Hanīfs Zaid ibn ʿAmr ibn Nufail ist allerdings der von Goldziher in die Diskussion gebrachte Begriff „ḥilm“[3] belegt und bezieht sich dort, bei mangelndem „ḥilm“, auf den Götzenkult in der vorislamischen Zeit. Dort heißt es, in der englischen Übersetzung von Alfred Guillaume:

„I will not worship Hubal though he was our lord / in the days when I had little sense (iḏ ḥilmī yasīru)“[4]

Im Koran ist ein „dschāhil“ derjenige, der weder den einzigen Gott als Schöpfer noch den Propheten Mohammed noch das religiöse Gesetz kennt und somit kein „Wissen“ (ʿilm) über religiöse Normen des Islam hat. Das Antonym von ʿilm ist folglich ǧahl [5]

Den in Sure 33: Vers 33 stehenden Ausdruck: die „erste Dschāhiliyya“ – in der Übersetzung von Rudi Paret: „…früher im Heidentum…“ – versteht die islamische Koranexegese überwiegend als die Epoche von Adam bis Noah.

In der arabischen Literaturgeschichte bezeichnet man die Poesie der vorislamischen Araber als asch-schiʿr al-dschāhilī / ‏ الشعر الجاهلي‎ / aš-šiʿr al-ǧāhilīy /‚die vorislamische Poesie‘ und versteht darunter die Dichtung der Araber am Vorabend des Auftretens von Mohammed in Mekka.[6]

Einzelnachweise

  1. Muhammedanische Studien, Bd. 1, S. 219ff.
  2. Quelle: Ungarische Akademie der Wissenschaften. Budapest. Archiv: Briefe an Ignaz Goldziher. Schuber Nr. 22. s. n. L. Krehl, Leipzig: 11 Briefe. Das genannte Werk von as-Suyuti heißt:al-Muzhir fī-l-luġa (Das glänzende in der Sprachwissenschaft); siehe The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden.Band 9, S. 913
  3. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden, Bd. 3, S. 390 (ḤILM)
  4. A. Guillaume: The Life of Muhammad. A translation of Ibn Ishaq's Sirat Rasul Allah. Oxford University Press. 3. Auflage 1970. S. 100.
  5. al-mausūʿa al-fiqhiyya. Enzyklopädie des islamischen Rechts. Kuwait 2002. Bd. 16, S. 197.
  6. Siehe: Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Brill, Leiden 1975. Bd. 2, S. 7-33

Literatur

  • Ignaz Goldziher: Muhammedanische Studien. Halle a.S. 1889. Bd, 1, S. 219ff
  • The Encyclopeadie of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 2, S.383 (al-djāhiliyya)
  • The Encyclopeadie of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 3, S. 390 (ḥilm)
  • Klaus Kreiser, Werner Diem, Hans Georg Majer (Hrsg.): Lexikon der islamischen Welt. Verlag W. Kohlhammer. Stuttgart Berlin Köln Mainz 1974. Bd. 1, S. 146-147 ISBN 3-17-002160-5

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