- Edelmetallkontakt-Motor-Drehwähler
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Der Edelmetallkontakt-Motor-Drehwähler (EMD-Wähler) ist ein elektromechanisches Koppelelement der analogen Fernsprechvermittlungstechnik.
Inhaltsverzeichnis
Technik
Im Gegensatz zu seinem Vorgängertyp, dem Hebdrehwähler (HDW), erfolgt bei ihm nur eine Drehbewegung. Diese wird durch eine spezielle Art von Schrittmotor angetrieben, der aus zwei Spulen besteht. Die Durchschaltung der Sprechadern erfolgt über mit Edelmetall (Palladium-Silber-Legierung) beschichtete Kontakte, die elektromagnetisch betätigt und an die im Halbkreis um den Wähler angeordneten Segmentkontakte angedrückt werden. Somit wird während der Wahl eine galvanische Verbindung mit den am „Vielfach“[1] angeschlossenen Leitungen vermieden, so dass im Gegensatz zum HDW-Wähler weder Knackgeräusche in Nachbarleitungen verursacht werden und noch Abrieb der Edelmetallbeschichtung an den Schaltarmen für die Sprechadern auftritt.
Der Wähler wird bei der 1955er Technik durch einen daneben angeordneten Relaissatz und das Impulswahlverfahren gesteuert. Das Mehrfrequenzwahlverfahren kann bei dieser direkten Ansteuerung nicht verwendet werden.
Je nach Übertragungsverfahren gibt es verschiedene Bauausführungen, zweimal vierarmig für die Zweidrahtübertragung im Ortsnetz oder zweimal achtarmig für die Vierdrahtübertragung im Fernnetz. In der Fernvermittlungstechnik ist die indirekte Ansteuerung mittels Umwerter üblich, da hier durch den Einsatz von Querleitungen keine direkte Zuordnung der Leitung zur gewählten Ziffer mehr möglich ist.
Vorteilhaft gegenüber dem Hebdrehwähler waren die niedrige Geräuschspannung im Sprechkreis, die hohe Schrittgeschwindigkeit und die größere Anzahl von Schaltarmen, die erstmals eine vieradrige Durchschaltung der Sprechkreise in der Vermittlungsstelle erlaubte. Die Wartung war einfacher, der Verschleiß niedriger sowie das Betriebsgeräusch wesentlich leiser.
Da die Temperatur in den nicht klimatisierten Betriebsräumen jahreszeitlichen Schwankungen unterlag, musste die Schrittgeschwindigkeit gegebenenfalls durch zusätzliches Schmieren oder durch mechanische Einstellung bestimmter Kontakte korrigiert werden, wenn diese außerhalb der Toleranzbereiche lag. Ein Über- oder Unterschreiten der Sollgeschwindigkeit führte zur Falschwahl.
Für alle manuellen Prüfungen, Messungen und Einstellungen an den Kontakten wurde der Wähler in die Amtslehre eingesetzt, mit der das Kontaktsegment, in dem sich während des Betriebes der Wähler befindet, nachgebildet wurde.
Zahlreiche EMD-Vermittlungen waren mit einer automatischen Prüfeinrichtung ausgestattet, mit der routinemäßig nachts in den verkehrsschwachen Zeiten die Wähler sowie Relaisschaltungen einer Funktionsprüfung unterzogen wurden. Für Wähler mit Störungen oder Toleranzüberschreitungen wurden entsprechende Meldungen mit Kennziffern gedruckt, was die Entstörung beschleunigte.
Einsatz in der Ortsvermittlung
Der Ortsverkehr war hierarchisch aufgebaut. Man unterschied die Stufen:
- Anrufsucher (AS),
- 1. Gruppenwähler (1. GW),
- 2. bis 6. Gruppenwähler (2.-6. GW) und
- Leitungswähler (LW) sowie den
- Endvermittlungsstellen-Gruppenwähler (EGW) für ankommende Ferngespräche.
Noch bei der HDW-Technik hatte jede Endstelle einen Wähler, welcher beim Abheben nach einer freien Leitung, sprich einen freien Gruppenwähler suchte. Fand er keinen, schaltete der auf den Besetzton. Beim Anrufsucher verlief das umgekehrt. Bis zu 100 Endstellen waren auf eine Gruppe von Anrufsuchern angeschaltet. Die Anzahl der zu einer Gruppe geschalteten Anrufsucher richtete sich nach dem Verkehrsaufkommen der angeschalteten Endeinrichtungen. Damit war das EMD-System flexibler an das Verkehrsaufkommen anzupassen als das HDW-System. Hob ein Teilnehmer sein Telefon ab, suchte der nächste freie Anrufsucher der Gruppe den Anschluss und verband ihn mit dem Wählton. War kein AS in der Gruppe mehr frei, blieb der Anschluss stumm.
Der 1. GW verbrauchte die erste gewählte Ziffer und schaltete je nach gewählter Nummer die zugehörige 2. GW-Gruppe an. So ging das weiter zum 3. GW etc., je nach Größe des Ortsnetzes und damit der Länge der Nummern im Ortsnetz. In der letzte Stufe stand der Leitungswähler, an dessen Ausgang bis zu 100 Teilnehmer angeschlossen waren und der damit die letzten zwei Ziffern der Nummer verarbeitete.
Für ankommende Ferngespräche trat der EGW an die Stelle des 1. GW.
Einsatz im Fernverkehr
Im innerdeutschen Fernverkehr, der ebenfalls hierarchisch aufgebaut war, wurden die Wähler je nach ihrer Position in der Kette der Telefonfernverbindung wie folgt benannt (siehe auch: Vermittlungsstelle):
- Richtungswähler (RW). Er wurde mit Wahl der ersten „0“ der Vorwahl, der fernmeldetechnisch sogenannten Verkehrsausscheidungsziffer (VAZ)) vom 1. GW der Ortsvermittlung erreicht. Der RW stellte sodann den ersten Teilabschnitt der Fernverbindung im Suchlauf, also ohne eine Ziffer der gewählten Vorwahl zu „verbrauchen“, zu einem freien nächsten Wähler her.
- Dieser nächste Wähler war im Regelfall ein Zentralvermittlungsstellen-Gruppenwähler (ZGW). Der wiederum schaltete mit der 2. Ziffer der Vorwahl, also der ersten Ziffer nach der „0“, den zweiten Teilabschnitt der Fernverbindung zur gewünschten Zentralvermittlungsstelle (zum Beispiel 6: Frankfurt) zum
- Hauptvermittlungsstellen-Gruppenwähler (HGW) durch. Mit diesem wurde mit der 2. Ziffer der Vorwahl (nach der Null) im dritten Teilabschnitt der Verbindung die gewünschte Hauptvermittlungsstelle (zum Beispiel 62: Mannheim) ausgewählt.
- Die Verbindung traf dort auf den Knotenvermittlungsstellen-Gruppenwähler (KGW). Dieser stellte mit der 3. Ziffer der Vorwahl die Verbindung zur gewünschten Knotenvermittlungsstelle her (zum Beispiel 626: Mosbach).
- Dort übernahm der Endvermittlungsstellen-Gruppenwähler (EGW) und stellte mit der 4. Ziffer der Vorwahl die Verbindung zur gewünschten Endvermittlungsstelle (zum Beispiel 6262: Aglasterhausen) her.
- Letztes Glied der Fernverbindung war der Ortsvermittlungsstellen-Gruppenwähler (OGW). Er befand sich schaltungstechnisch in der „Ziel“-Ortsvermittlungsstelle (Aglasterhausen), sozusagen parallel zum 1. Gruppenwähler dieser Vermittlungsstelle und verarbeitete (wie auch der 1. GW bei Ortsverbindungen) die erste Ziffer der Teilnehmer-Rufnummer.
Diese beschriebene Fernverbindung war die längstmögliche, weil bei ihr alle Wähler der Hierarchie eingebunden waren. Sie nannte sich daher der Kennzahlenweg.
RW, ZGW, HGW, KGW und zum Teil auch der EGW waren als achtarmige EMD-Wähler ausgeführt, weil sie die vierdrähtigen da mit Verstärkern ausgestatteten Leitungsabschnitte der Fernverbindung durchschalten mussten. Die Fernverbindung war deshalb vierdrähtig ausgeführt, weil Verstärker nur in einer Richtung das Gespräch verstärken konnten. In der Folge sprach man bei dem vierdrähtigen Verbindungsweg in Richtung des Zieles gesehen vom „gehenden“ und „kommenden“ Leitungsteil. War zum Beispiel ein Richtungsteil wegen Verstärkerausfall gestört, führte das zum Störungsmerkmal „einseitige Verständigung“.
Nach internationaler Vorschrift durften Vorwahl (ohne die erste 0) und Rufnummer zusammen maximal 12-stellig sein. Daher hatten die Zentralvermittlungsstellen mit in der Regel sehr großen Ortsnetzen verkürzte Vorwahlen (zum Beispiel Frankfurt „0“69), weil die anderen 8 Stellen für die dortigen langen Teilnehmer-Rufnummern benötigt wurden.
Nutzung der Technik
In der Bundesrepublik Deutschland wurden diese Wähler etwa von 1955 bis zur vollständigen Digitalisierung in den Vermittlungsstellen der Deutschen Telekom eingesetzt. Die letzte EMD-Wähler-Vermittlungsstelle der Deutschen Telekom AG wurde am 17. Dezember 1997 außer Betrieb genommen. Bei der Deutschen Post der DDR wurden dem EMD-Wähler ähnliche Motordrehwähler des Systems 58 in geringem Umfang eingesetzt. Inzwischen ist diese Technik durch die Digitalisierung des Nachrichtennetzes überholt und EMD-Wähler werden nicht mehr verwendet.
Bei der Deutschen Bahn gab es noch bis 2005 in deren eigenen „BASA-Netz“ ein aktives EMD-Amt. Es war das letzte in Betrieb befindliche Amt dieser Art in Deutschland.
Einzelnachweise
- ↑ Ein Vielfach verbindet bei Verwendung mehrerer Wähler jeweils die Kontakte gleicher Bedeutung
Weblinks
- Sven Storbeck - Alte Telefone und Vermittlungstechnik
- Fernmeldemuseum Aachen
- Interessengemeinschaft Historische Fernmeldetechnik e.V. Dresden (IGHFt e.V.)
- Der EMD Wähler und seine Geschichte mit Bildern
- Motorwählersystem 58 der Deutschen Post (DDR)
- Wählsystem 55 mit EMD Wählern Technische Beschreibung
- Fernwahlsystem der DBP mit EMD Technische Beschreibung
Kategorien:- Historisches Gerät
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- Elektromechanik
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